Money Boy live in Berlin (Augenzeugenbericht)

Es war etwa 22:30 Uhr als ich am Magnet Club ankam, um Money Boy einmal live und in voller Pracht bewundern zu können. Ja, offiziell begann die Veranstaltung bereits um 20 Uhr, aber die gefühlt mehreren Dutzend an angekündigten Support-Acts, die aus irgendwelchen Medikamenten Manfreds, MC Smooks, Mavericks, Hustensaft Jünglingen und diversen anderen absurden Charakteren des Money Boy-Kosmos‘ bestanden und mich absolut nicht interessierten, führte zu einer kalkulierten Verspätung. Die so gewonnene Zeit nutzte ich zweckmäßig, um in weiser Voraussicht noch etwas mehr Bier zu trinken – es ging schließlich nicht um einen Kirchenbesuch. Wobei…

Weit entfernt von betrunken, aber auch nicht mehr nüchtern erreichten meine beiden Begleiter und ich den Club mit einer massiven Verspätung, nur damit zwei bullige Türsteher uns den Eintritt verwehren konnten. Der Club sei bereits zu voll und auch mit Ticket käme man nicht mehr hinein, gab der Fleischberg uns Nachzüglern wichtigtuerisch zu Protokoll. Weiter schilderte er aber, an der Abendkasse seien noch Tickets erhältlich, wer aber schon eines habe, käme nicht mehr hinein. Skepsis machte sich breit, zumal ich und meine Begleiter auf der Gästeliste standen. Ich machte mich auf eine längere Diskussion gefasst, in der ich darauf beharrt hätte, dass ein Gästelistenplatz uns die Pforten in den Tempel der Markenklamotten und des Missbrauchs verschreibungspflichtiger Medikamente hätte öffnen müssen. Stattdessen reichte aber ein erneuter Hinweis auf die Liste und die Andeutung eines Telefonats mit betont wichtigen Leuten aus, um ohne weitere Diskussion eingelassen zu werden. Unsere Namen wurden aber gar nicht erfragt, ebenso wenig wie eine Verantwortliche die an der Abendkasse Stempel oder ähnliches verteilte. Mir dämmerte, dass die freundlichen Herren vor der Tür offensichtlich die klare Anweisung hatten, wirklich niemanden mehr einzulassen. Ein paar schnell verdiente Euros durch die inoffizielle Abendkasse, die sie offenbar unter der Hand betrieben, wollten sie sich aber wohl nicht entgehen lassen.

Nach einem kurzen Abstecher zur Garderobe zeigte sich, dass mein Timing perfekt gewesen war. Kaum im Saal angekommen betrat ein mit kiloweise Goldketten behängter Money Boy die Bühne. Das Publikum flippte aus. Und es war ehrliche Freude. Keine Häme oder Spott – es herrschte Begeisterung, ihn in Fleisch und Blut erleben zu dürfen. Um an diesem Abend eine möglichst authentische Swagmob-Experience zu gewährleisten, beschloss ich, mich durch die riesige Meute frenetisch feiernder und erstaunlich hoch gewachsener Money Boy-Fans zu kämpfen. Schwer zu sagen, wie ernst die Fischerhüte, die Doublecups (wovon rückblickend gar nicht so viele im Umlauf waren, wie man es vielleicht erwartet hätte), die absurd langen, goldenen oder hölzernen Halsketten und die lässig über die Schulte gehängten Gucci Gürtel nun eigentlich zu nehmen waren. Vorne angekommen fand ich mich in einer so dicht gedrängten Menschenmasse wieder, wie ich sie selten erlebt habe. Die beiden Securitys, die am vorderen Bühnenrand für Zucht und Ordnung sorgen sollten, schienen hoffnungslos überfordert.

Money Boy hatte ein Bühnenprogramm vom feinsten vorbereitet: Wie seine Idole aus Übersee rappte der Wiener voller Inbrunst über die bereits fertigen Tracks inklusive Vocals. Immer wieder wurden seine legendären written Freestyles eingestreut – mal bereits bekannte, mal exklusives Material. Natürlich wurde die komplette Hit-Palette – von „Shisha„, über „Ich bin der Chickenman“ bis hin zu „Ich trinke Frostschutz“ – zum Besten gegeben. Auch die kurzen Verschnaufpausen, in denen Money Boy mal lediglich nach einer Newport Zigarette verlangte, mal eine „Kola mit Ice“ verköstigte, wurden für Entertainment genutzt. Es wurden Bitches auf die Bühne geholt, es wurde vehement vom Heroin-Konsum abgeraten, nur um die verwirrten Fans wenige Sekunden später darüber aufzuklären, dass es sich dabei um einen Scherz handle. Für „Ballen ohne Ball“ gab es sogar eine kleine Basketball Einlage. Kurzum, es wurden genug Money Boy-Insider abgedeckt, um die Fans (noch) glücklich(er) zu stimmen.


Money Boy live in Frankfurt

Irgendwann beschloss ich mich aus den vorderen Rängen zu verabschieden. Nicht nur um zu verschnaufen, auch weil die nicht abnehmen wollende Hysterie der begeisterten Fans mit den fragwürdigen Outfits mich auf Dauer doch ein wenig zu nerven begann. Im hinteren Bereich der Halle fiel mir auf, dass das Klientel sich deutlich von den postpubertären Merch-Trägern unterschied, die vor der Bühne so munter jede Textzeile mitgrölten. Nicht nur, dass der Altersdurchschnitt deutlich höher lag, auch Kleidung und Frisuren waren auffällig unauffällig. Einige Personen, etwa ein durchtrainierter Mittzwanziger mit Irokesenschnitt im Tank-Top, passten überhaupt nicht ins Gesamtbild. Ich folgte dem Geschehen nun also aus einigen Metern Entfernung und verlor mich kurz im Smalltalk, nur um wenige Momente später festzustellen, dass Money Boy sich während meiner kurzen Geistesabwesenheit seines T-Shirts entledigt hatte. Zu schwächeln schien er aber nicht – im Gegenteil, seinen tätowierten Oberkörper mitsamt Wohlstandsplauze stolz zur Schau tragend legte er noch eine Schippe drauf.

Die letzten Energiereserven der Fans hingegen wurden ordentlich auf die Probe gestellt, als der Wiener seinen Klassiker schlechthin anstimmte: Hunderte beeindruckend textsicherer Stimmen schmetterten im Chor die Hook von „Dreh den Swag auf„. Eine bizarre Situation, aber irgendwie packend –  meine eigene war eine dieser Stimmen. Entgegen meiner Vermutung handelte es sich dabei aber nicht um das grande finale, nein die Show ging weiter. Solange bis Money Boy, die wilden Gesten des Tonmannes, in dessen unmittelbarer Nähe ich stand, ignorierend, ankündigte „Awesomo“ zu spielen. Der „Sound-Dude„, wie Money Boy ihn den Abend über zu nennen pflegte, reagierte daraufhin konsequent – und schaltete ihm das Mikrofon aus. Auf die Bitte mehrerer Fans hin, wurde Money Boy wenigstens noch ein letzter Abschied gestattet, in dem er deutlich machte, dass der „Sound-Dude“ ihm verbiete die Show fortzusetzen und so nun mal die Regeln seien.

Rückblickend wirkt die ganze Veranstaltung in ihrer Absurditäten irgendwie surreal auf mich. Aber es war ein guter Abend. Ein Abend voller Fans, die ganz im Ernst und ohne Ironie dabei waren – allerdings alle mit dem Augenzwinkern, das auch Money Boy selbst stets sein Eigen nennt. So ganz durchblicken kann ich nicht, was in den Köpfen der Erste-Reihe-Abgeher vorging, aber sie hatten verdammt viel Spaß, das steht fest. Genau wie die Jungs auf der Bühne, denen egal zu sein schien, was irgendjemand außerhalb dieses Raumes zu diesem Spektakel denken oder sagen könnte. Es ging einfach darum sich zu amüsieren, komme was wolle – und ist das nicht der Inbegriff von „Swag„?