Anno 2013: Pedaz und Blut&Kasse drehen das Video zu „Deutsch“. Einige Wochen zuvor, beide haben sich persönlich noch nie getroffen, recorden sie getrennt ihre Parts zum Track. Sprung nach vorne: etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichungs des Songs, enthalten auf Pedaz‘ Streetalbum „100% Original“, sind die beiden Hünen von der Teamarbeit derart überzeugt, dass der Ruf nach mehr laut wird. Ein ganzes Album soll es werden. Und diesmal stehen die beiden Deutschen zusammen im Studio. „100% Macher“ – der naheliegende Titel. Für die musikalische Kompromisslosigkeit beider, für ihre übergeordnete Lebenseinstellung. Im Heute angekommen: gibt es für Deutschrap nun doppelten „Schwanz in Nacken“ oder ist „Alles egal“?
„Also hängen sie mir am Sack rum wie Bauchtaschen, denn ich besteh zu 90% aus Schwanz, wie Kaulquappen.“ – Pedaz
BK und Pedaz stehen, jeder auf die ihm eigene Weise, für eine Mischung aus Unterhaltung, Provokation und Ehrlichkeit. Ein in nicht mal zwei Wochen produziertes Album, mit Produzenten wie KD-Supier, Joshimixu und OZ, ist für sich genommen schon mal eine Ansage. Und führt uns bereits auf den Grund des thematischen Schwerpunkts des gesamten Albums: mach Junge. Mach es. Tu es. Hör auf von einem besseren Leben zu träumen, ja, lebe deine Träume. Diese Botschaft begleitet den Hörer über die komplette Lauflänge der LP.
Über die inhaltliche Nähe der Titel hinaus, sind „100% Original“ (Pedaz) und „Macher oder Träumer“ (BK) in ihrer stilistischen Unterscheidung und gleisamen Attitüde der logische gemeinsame Schritt. Es fehlt also keineswegs an Punchlines und Battletracks, aber auch eine Fülle an Thementracks wird dem Hörer auf die Menükarte gesetzt. Auf lyrischer Ebene des Inhalts, kann man am Album schon mal nichts aussetzen. Wir lernen: solange man halt 100% macht, der Produktivität keine Pause gönnt, kommt auch Großes dabei raus.
Das gilt natürlich auch für das Rapgeschäft und zeigt sich bereits im ersten Track: Blut und Kasse und Pedaz kennen das „Geheimrezept“, denn, heutzutage kann ja jeder einfach spitten. Doch um es zu was zu bringen, braucht es schon noch etwas mehr. Eine nicht auszulösende X-Variable. Featureparts von Raf Camora, Brkn, Fard, Silvio Vincent, Jonesmann, PA Sports und Twin dienen als Einfluss auf die Abweichung des Standart-Raps. Aber es geht ja nicht nur um Einflüsse, sondern vor allem um Taten. Womit wir wieder beim Hauptthema angelangt wären. Die Leistungen von BK und Pedaz, die von ihnen als Punchline-Rapper erwartet werden, werden hier voll erfüllt. Aber stellt dies eine Weiterentwicklung für beide Künstler dar? Beide hatten bereits mit ihren letzten Soloalben, „100% Original“ und „Macher oder Träumer“, ziemlich genau dieses Potenzial abgerufen und ihre Fanbase gefestigt. Ob für die Jungs mit „100% Macher“ der Schritt auf das berühmte Next Level erreichbar ist, in Außen -wie Innendarstellung, ist fraglich. Das Anspruchsdenken zu erfüllen allerdings, dürfte mit diesem Album außer Frage stehen.
„Ich bin nicht wie der Rest. Das sind Träumer, ich bin Macher. Blut & Kasse, das ist echt“ – Blut und Kasse
Insgesamt ist „100% Macher„, in seiner Quintessenz im Titeltrack in ein Manifest gegossen, zu stark gekoppelt an die Anforderung nicht zu viel zu träumen. Mach es, tu es, Junge. Man fühlt sich ein wenig an die Aufforderung eines amerikansichen Sportartikelherstellers erinnert. Ob das jetzt eigenständig ist ? Eher ein wenig gewagt, wenn man bedenkt, dass Rapper im Normalfall ihre Texte selber schreiben (außer sie heißen Kanye West) und hinter dem beliebten Rapper-Beruf ganz viel Aufwand steckt. Wie also kommen die Jungs auf die Idee, sie seien mit ihrer Produktivität den anderen voraus? Naja, diese Frage löst sich mit länger Anspielzeit im Battlerap auf. Und auch, wenn man an der These dranbleibt und sie hinterfragt, stellt sich die Frage, die bereits der Albumtitel hervorruft: da man einfach machen soll, was soll man denn eigentlich genau machen? Getreu dem Motto: Be good, or be good at it.
Aber was genau auch immer die Jungs nun machen, BK und Pedaz haben den Laden im Griff. Und das übertragt sich zuweilen auch auf den Hörer. „Heute So, Morgen So“ verpasst einem beim anspielen einen ziemlich starken Ego-Kick. Und liefert dann teilweise doch noch die gewünschte zweite Ebene. Ohne auf andere zu achten, sollte man bleiben, wer man ist. Hart, aber wahr. Ein realitätstreuer, selbstreflektierender Track, der die Träumer unter uns ganz schnell wieder auf den Boden hinunterreißen sollte. Naive Melancholiker sind hier definitv falsch aufgehoben.
„Ich schreib Parts bis ich sterbe“ – rappen die Jungs auf „Unendlich“. Eine Review über „100% Macher“ kann erst vollständig sein, wenn dieser kraftvolle, wegballernde Track hoch gelobt worden ist. Bereits die zitierten Worte erscheinen mächtiger, als hundert austauschbare Schwanzvergleiche. Hier merkt man das Herzblut und die Aufopferung, die beide für ihre Musik aufbringen. Ein Beweis, dass BK und Pedaz für leben was sie spitten, wird hier in drei Minuten als krönender Abschluss dargelegt, der sowohl durch den perfekt passenden Beat, wie auch die in den Lyrics vorkommende Unendlichkeit den Hörer in eine überirdische Welt entgleiten lässt.
Letztlich liefern uns Pedaz und BK mit „100% Macher“ genau was erwartbar war. Ein wertiges Stück deutscher Handarbeit, dass mit seiner soliden, konstanten und inhaltlich stringenten Gangart durchaus zu begeistern weiß. Wenn Musik für Zwecke verschieden genutzt werden kann oder sollte, kann man sich im Gym oder Auto mit den Jungs einer Menge Testosteron und Durchhaltevermögen sicher sein. Auch in Zeiten in denen es im Leben Land unter geht, und darum den Kopf über Wasser zu halten, kann „100% Macher“ genau der Rettungsanker und Antrieb sein, den es in der Ausweglosigkeit braucht. Neben derartigen Lebensumständen wird die Luft allerdings dünn. Das strenge Festhalten an der inhaltlichen Leitlinie, das teilweise zu gleichtönige Klangbild und die texliche Redundanz versagen dem Album eine höhere Bewertung. Jammern auf hohem Niveau und hoffen auf das Next Level.