„Baby, Baby, ich bin back!“ Und was die eine Hälfte Rapdeutschlands freut, ärgert die andere. Liegt in der Natur der Sache: Kein erfolgreicher Rapper, der nicht polarisiert. Wobei es im Falle Cro schon sehr extrem ist, sowohl der Erfolg als auch der Hate. Kein Post über Cro, unter dem nicht die These auftaucht, Cro sei gar kein Rapper, was sich zwar nur schwer begünden lässt, da der gute Mann ja rappt – auf „Melodie“ übrigens noch mehr als auf dem Vorgänger „Raop„, aber sich als Behauptung trotzdem hartnäckig hält. Gut, auch einem Haftbefehl wird unterstellt, er könne nicht rappen, und wenn wir mal ganz weit zurückgehen, dann war sogar der heute fast schon sakrosankte Kool Savas einst für viele Realkeeper kein echter Rapper – unglaublich, aber wahr. An der grundlegenden Situation jedenfalls wird sich vermutlich auch mit „Melodie“ nichts ändern, weder am Erfolg noch am Hate, auch wenn das Album tatsächlich wie angedroht raplastiger als sein Vorgänger ausgefallen ist.
Natürlich wird auf „Melodie“ immer wieder Fazit gezogen und Bestand aufgenommen. Klar, zwei überaus erfolgreiche Jahre liegen hinter dem Doppel-Platin-Rapper. Da gibt es jede Menge Eindrücke, die verarbeitet werden müssen. „Ey, direkt auf die Eins gechartet, letztes Album zwei mal Platin/ Echo, Bambi, scheiße, Wahnsinn, egal welcher Preis, ich hab ihn“ fasst Cro bereits im Intro knackig zusammen, was da so los war. Ganz kalt lassen ihn die permanenten Angriffe auf seine Person trotzdem offenbar nicht. Immerhin befasst er sich damit insofern, als dass er gleich im Intro „I can feel it“ ein paar hämische Zeilen für seine Hater, insbesondere deren gelegentlich auftretende Rechtschreibschwäche hat.
„Und so viele Rapper hassen mich, weil ich viel mehr Patte krieg‘
Und meine Mucke Massen trifft, wow, was für’n krasser Shit
Was? Du hast mich grad gedisst? „Cro ist doch kein Raper!“
Was ist Rape? Ey, so was mach ich nicht!„
Findet sich bei Wikipedia übrigens unter „Souveräne Reaktion auf Internet-Hate„. Womit dieses leidige Thema für den Panda offiziell erledigt ist – auf dem Album findet sich sonst keine weitere Line dazu.
Was sich stattdessen auf „Melodie“ findet, sind Beats, die man nicht anders als klassische 90er-Jahre-Beats bezeichnen kann. Freilich nicht die düster rumpelnde, sondern die gutgelaunt-melodiöse Sorte. Klar erkennbar ist hier die Handschrift von Shuko, der vier Beats alleine produziert („Erinnerung„, „Meine Gang„, „Traum„, „Never Cro Up„) und bei drei weiteren mitgemischt hat („Cop Love„, „Vielleicht„, „Nur dich„). Setzte das erste Album den Akzent von „Raop“ noch klar auf Pop, ist es dieses Mal eindeutig Rap, der die Überhand behält. Übertrieben eingängige Songs wie „Du“ oder „Einmal um die Welt“ gibt es auf „Melodie“ nicht. Dafür entspannt zurückgelehnte Rapsongs wie „Erinnerung„, „2006“ oder „Never Cro Up„, dessen Kinderchor-Hook natürlich Erinnerungen an diesen einen Jay-Z-Song weckt, aber das tun Kinderchöre ja immer. Insgesamt hat das Album erneut einen sehr sommerlichen, unbeschwerten Grundsound, mit dem einen oder anderen melancholischen Einsprengsel hier und da.
Und textlich? Nun, einen großen Raum auf „Melodie“ nimmt erneut die Liebe ein. Gleich mehrere Songs befassen sich mit den verschiedenen Aspekten und Spielarten dieses Themas. „Hey Girl“ etwa reiht Kompliment an Kompliment.
„Wärst du ne Dauerwelle fände ich die Eighties nice
Ey, wärst du Facebook wäre ich im Netz gefangen
Wärst du ’ne Arie dann wär das hier kein Sprechgesang„
Nett? Aber ja. Harmlos? Klar. So ein richtig fieser Kerl ist Cro eben nicht, auch wenn er tapfer darauf besteht, dass sein Chick so bad ist („Bad Chick„). „Cop Love“ wiederum ist ein Sexsong, wie es pubertärer kaum geht: Cro wird von einem weiblichen Polizisten verhaftet und – genau. Fick die Polizei mal anders. Bei allen Vorbehalten muss man festhalten: Die kindliche Freude, mit der Cro bei solchen Songs zu Werke geht, wirkt echt. Das gilt für das gesamte Album. Cro ist nicht kindisch, er ist kindlich. Er lebt den Peter-Pan-Traum von der ewigen Jugend, obwohl er sich in „2006“ schon an die noch frühere Jugend erinnert. Paradox? Kaum. Eher der ganz normale Wahnsinn einer Zeit, in der man gar nicht jung genug sein kann. Doch das ist eine andere Geschichte.
„Melodie“ mag nicht das krasseste Rap-Album aller Zeiten sein, mit seinem lockeren, im besten Sinne kindlichen Charme aber weiß es durchaus auch HipHop-Nazis wie mich zu überzeugen. Mit „Melodie“ entscheidet sich Cro, nicht die sicherste aller Karten zu spielen und ein Album voller gnadenlos eingängiger Popsongs zu bringen. Stattdessen hat er ein HipHop-Album im klassischen Neunziger Jahre-Design abgeliefert: Melodiöse Instrumentale mit dicken Beats, wortspiel- und vergleichfreudige Lyrics sowie deutlich mehr Rap als Gesang oder Singsang. Die Hater mag das nicht so recht beeindrucken, alle anderen aber freuen sich darüber, dass Cro trotz oder gerade wegen seines Erfolgs Rap nicht den Rücken gekehrt hat – ganz im Gegenteil. Und das, obwohl er das mit seinem Bekanntheitsgrad jederzeit locker hätte tun können. Das ist in etwa so, als ob sich Khedira gegen Real Madrid und für seinen Heimatverein, den VfB Stuttgart entschieden hätte.
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