Wenn langjährige Ikonen und alte Hasen im Deutschrap-Geschäft eine neue Platte veröffentlichen, dann werden schnell die nörgelnden Stimmen alter Fans laut und beschweren sich, dass sich der Künstler verändert habe, erwachsen und damit automatisch schlechter geworden sei und das früher sowieso alles besser war – gähn. Auch bei sido kamen diese Stimmen auf, als der Berliner „30-11-80“ (hier bestellen) ankündigte. Der Titel steht bekanntlich für die Zahlen seines Geburtsdatums, es sollte ein erwachsener Stil her und dann war da noch das Feature mit Helge Schneider, den vor allem jüngere Fans vermutlich gar nicht kennen jede Menge Gründe zum Meckern.
Doch sido findet (gewollt oder nicht) darauf die richtige Antwort: Bereits im Intro haut der Ex-Maskenmann ordentlich auf die Rap-Kacke und zeigt kurzerhand allen Zweiflern, dass er das Raphandwerk immer noch ohne weiteres beherrscht. Ein gelungener Einstand nach fast dreijähriger Abstinenz. Wuchtiger, pompöser Beat, frecher Text und ein sauberer Flow – so geht Rap. Nach dem kurzen Rückblick auf „Hier bin ich wieder„, geht es auch gleich munter weiter mit „Es war einmal„. Sido bezieht sich mit einer gesunden Portion Selbstkritik auf seine Wurzeln und Anfänge. Das Ganze zum Glück ohne peinliche Rechtfertigungen oder Gejammer über frühere Zeiten.
sidos Vergangenheit ist nicht das einzige Thema auf dem Album, natürlich gibt es auch die kitschige, aber ohrwurmerzeugende Radiosingle „Liebe„, den Blödelsong „Arbeit„, mit Comedy-Altmeister Helge Schneider, der die ganze Palette des Schneider’schen Absurditätswahnsinns auffährt und eine schmissige Jazzabfahrt mit einem unterhaltsamen Dialog zwischen sido und Helge ist sowie natürlich den bereits veröffenlichten Feature-Monstertrack „30-11-80„, der mit dem Who-is-who der Deutschrapszene daherkommt.
Die Featuregäste sind, bis auf wenige Ausnahmen, sowieso das große Plus auf der aktuellen Platte von sido. Mit „Maskerade“ hat sich das Ex-Sektenmitglied zwei der derzeit heißesten Deutschrapacts aka Genetikk und Marsimoto gesichert, und brennt ein wahres Stylefeuerwerk ab. Besonders Karuzo überzeugt auf dem Track durch einen prollig-unterhaltsamen Part. Einziger Wehrmutstropfen ist der Beat von Sikk, der so oder so ähnlich schon auf Genetikks „Champions“ Verwendung fand.
Leider gibt es aber auch zwei weniger gelungene Auftritte. Die kommen aber nicht direkt von sido, sondern vielmehr von seinen Gästen Mark Foster und Marius Müller-Westernhagen. Währen Ersterer sich auf „Einer dieser Steine“ schon recht schleimig durch die Hook croont, hat Westernhagen mit seiner Hook den Vogel komplett abgeschossen. Das schräge Gekrächze in der Hook wird leider nur noch von sidos Kopf-hoch-Phrasen wie „Alle haben ein Päckchen zu tragen„, „Die Mauer muss weg„, „Schau mal über den Tellerrand“ oder „Grenzen sind nur da um überschritten zu werden„. Das ist eindeutig zuviel der Moralkeule. Vor allem, da mit „Fühl dich frei“ dieselbe Message einen Track später viel lockerer und besser umgesetzt wurde.
Mit „30-11-80“ bekommt man einen gereiften sido, der weiß woher er kommt und daraus auch keinen Hehl macht, aber auch zeigt, dass unterhaltsame Musik sich nicht nur auf die Themen Drogen nehmen, Frauen bumsen und Geld verschleudern beschränken muss. sido liefert ein würdiges Comeback ab, das mit weniger Pop-Features mindestens noch einen Stern mehr verdient hätte. Doch die hochklassigen Produktionen, die reinrassigen Raptracks wie „Hier bin ich wieder„, „Es war einmal“ oder „30-11-80“ und die Features von Genetikk, Marsimoto und Helge Schneider machen das Album zu einem gelungenen Werk, das einen sido von einer reiferen, aber trotzdem weiterhin unterhaltsamen und, ja, sympathischen Seite zeigt.
sido – „30-11-80“ kannst Du hier bestellen.