Um eins vorneweg klarzustellen: Nein, Capo ist nicht der deutsche Drake. Er will es auch gar nicht sein. Der deutsche Drake ist wenn überhaupt Casper, aber das ist wieder eine andere Geschichte. So. Und nun wenden wir uns dem jungen Mann aus Offenbach zu, der sich anschickt, Deutschrap eine weitere Facette hinzuzufügen.
Nun ist Deutschrap in letzter Zeit bekanntlich facettenreich wie nie zuvor. Es herrscht Aufbruchstimmung allenthalben. Da werden neue Einflüsse ausprobiert, fröhlich Stile gemixt und einen Fick auf vermeintliche Dogmen gegeben. Von Seiten der Künstler jedenfalls. Das Volk selbst scheint hingegen immer wieder in alte Muster zurückzufallen, giert nach Stereotypen und einfachen Schemata. Oder ist das nur eine durch YouTube-Kommentare ausgelöste Illusion? Man weiß es nicht so genau. Fakt ist jedenfalls, dass viele Stimmen in den sozialen Netzwerken laut wurden, die Capos neue stilistische Ausrichtung kritisierten.
Das hat einen einfachen Grund: Capos Auftreten löst eine kognitive Dissonanz aus. So etwas hat man bisher nicht gesehen und gehört. Ein dunkelhaariger junger Mann mit Migrationshintergrund (man verzeihe das sperrige Wort, aber hätte ich ein kürzeres verwendet, hätte das doch nur für Missverständnisse gesorgt), der keine Knarre schwingt, sondern Champagnerflaschen. Das ist in Deutschland natürlich gleich doppelt verdächtig: Erstens ist Erfolg und Reichtum nichts, worauf man hierzulande öffentlich stolz sein darf. Das schöne Leben? Nein, solange die Trinkwasserversorgung in Ruanda nicht geklärt ist, darf sich niemand seines Lebens freuen. Um weiteren Misserständnissen vorzubeugen: Natürlich sollte Trinkwasser überall auf der Welt allen Menschen in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen. Aber das ist ein komplexes Problem, das weder besser noch schlechter wird, nur weil Capo zufällig eine neue S-Klasse in schneeweiß fahren möchte – und das auch tut, wenn er die Möglichkeit hat.
Und zum anderen muss man kein Kulturpessismist sein, um zu merken, dass ein selbstbewusster, erfolgreicher junger Mann mit nichtdeutschem Hintergrund nach wie vor gewisse Bedenken in Teutonien auslöst. Abzulesen ist das u.a. auch daran, wie etwa die Grünen mit einem ihrer begabtesten Politiker umgehen, nämlich Cem Özdemir. Der Türke (oder was auch immer) ist allenfalls als sich beschwerender, in irgendeiner Weise problematischer Fall vorstellbar, nicht aber als souveräner, gar noch selbstzufriedener Mann von Welt, der sein Leben in vollen Zügen genießt anstatt von Unterdrückung und Benachteiligung zu jammern.
Doch genau das verkörpert Capo und er ist damit tatsächlich der Erste seiner Art. Er hätte auch die Möglichkeit gehabt, eine bloße Kopie seines älteren und bislang ungleich erfolgreicheren Bruders Haftbefehl zu werden, sich in dessen Erfolg ein wenig sonnen und ansonsten ein Leben wie Memphis Bleek führen können – wohlhabend, aber ohne eigenes Standing. Er hat sich aber für den schwereren, dafür weit mehr Befriedidung versprechenden Weg entschieden und seine eigene Marke kreiert. Er hat sich nicht für die Rolle des gefährlich guckenden Eckenstehers oder Drogendealers entschieden, sondern für den gutgekleideten, wohlhabenden jungen Draufgänger, der mit einem Lächeln am Steuer des AMG-getuneten Benz‚ sitzt, eine Blondine auf dem Beifahrersitz, zwei weitere auf dem Rücksitz, eine Kiste Champagner im Kofferraum und ein Kilo unverschnittenes Koks im Handschuhfach. Der Anzug von Armani sitzt gut, aus dem offenen Hemdkragen steigt der Duft von Baldessarini in die leicht geröteten Näschen seiner Gespielinnen.
Ja, Capo geht es gut, und so klingt auch seine Musik. Gutgelaunt – und vor allem gut, was die Qualität angeht. Dafür sorgen allen voran die Bounce Brothas, Abaz, 7Inch und Farhot, aber auch noch nicht etablierte Kräfte wie Bazzazian (wobei der früher als Benny Blanco unterwegs war und durchaus etabliert ist. Danke an Khaled von den Bounce Bothas für den Hinweis), Pzychelic und Kalli. Die Beats, quasi der Motor von Capos Gefährt, schnurren wie einer von Daimler. Das ist druckvoll, schlüssig, melodiös genug, nie die Grenze zum Kitsch überschreitend, immer wohltemperiert. Harten, kompromisslosen Straßensound sollte man freilich eher nicht erwarten, dafür ein Klangbild, das in dezenter Art und Weise an das der legendären Bad Boy-Ära erinnert: Treibende Drums, beschwingte Melodien, satter Bass.
Der Motor läuft also wie am Schnürchen. Darum brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Macht Capo offensichtlich auch nicht. Sein Vortrag fällt extrem lässig und zurückgelehnt aus, gerne auch mit einer Portion Arroganz gemischt, allerdings nicht die Sorte Überheblichkeit, die einem die Galle nach oben treibt, sondern eher ein sportliches Anspruchsdenken, der Beste sein zu wollen – und der Fähigkeit, errungene Erfolge ohne falsche Bescheidenheit oder gar Scham auszukosten. Capo dehnt die Silben gerne entspannt, legt sich die Worte so mundgerecht zurecht, dass sie auf das luxuriöse Fahrgestell passen und gleitet mit guter Straßenlage über die Instrumentale. Gut, man kann ihm vorwerfen, er mache es sich mit seinen Aufzählungen von Luxusgütern hier und da etwas zu einfach, aber wer mal versucht hat, so was in deutscher Zunge wirklich locker und unverkrampft klingen zu lassen, der weiß, wie schwer das ist.
„Bitch, hör nicht auf, mach weiter/ Tanz auf der Motorhaube von meinem Maybach, Daimler/ Chrysler/ Farbe weiß, fällt das Parken leicht/ auf dem Parkplatz vom Scheiß-Club/ Ihr wolltet Freunde sein auf einmal/ Als ich pleite war, kannte mich keiner“ („Ritz Carlton„)
Shindys Gastvers fügt sich da angesichts der ähnlichen Interessenlage des schwäbischen Deutschgriechen natürlich bestens ins Gesamtbild. Auch der Gesangspart von Cro passt sich harmonisch ins Geschehen ein und gut, dass Haftbefehl in seinen zahlreichen Feature-Auftritten durch seine weit größere Erfahrung ordentlich punkten würde, überrascht ja wohl auch niemanden. Trotzdem stellt er seinen kleinen Bruder nicht, wie gelegentlich behauptet wird, in den Schatten.
„Hallo Monaco“ ist ein Album, das keine Botschaft, sondern ein Gefühl vermittelt. Nörgler mögen von Berieselung sprechen und tatsächlich sind die Songs weitgehend schmerzfrei. Hier wird nicht das Leid der Unterdrückten und Entrechteten verhandelt, hier wird offensiv dem dolce vita oder wahlweise der Liebe gehuldigt. Okay, „Bis ich frei bin“ oder „Schwere Zeit“ deuten an, dass auch Capo nicht jeden Tag nur Sorgen der Art „Welches Glas nehme ich nochmal für den Cognac?“ plagen. Das Gesamtbild von „Hallo Monaco“ aber ist gutgelaunt, warm und hell wie ein strahlender Nachmittag im Sommer, den man müßig und leicht angetrunken am Pool verbringt. Mit diesem Album auf den Ohren wird der Rotkäppchen-Sekt im Pappbecher schnell zum Bollinger in der Schampusflöte, der Fiat Panda zum Ferrari Coupé und die durchschnittlich aussehende Begleitung zum Dior-Model. Das schöne Leben auf Platte und die verheißungsvolle Versprechung: Du kannst das auch. Tu es einfach. Und auch wenn’s bei dir nicht gleich klappt: Lass doch den Brudi scheinen.