Im Jahr 2011 nahm EstA nach seinem Ausscheiden aus dem VBT einen Song auf, drehte ein Video und machte unmissverständlich klar, was er von seinen Ballte-Kollegen hält. Was am Anfang ein wenig wehleidig klang, bekommt nun, nicht ganz zwei Jahre später, eine doch recht interessante Bedeutung. Betont er in dem Song doch immer wieder, dass ihm andere Meinungen von irgendwelchen Leuten egal sind und er seinen Weg gehen wird, ohne Kompromisse einzugehen. Zwei erfolgreiche Teilnahmen am VBT und ein Signing bei Saads Halunkenbande später kann man festhalten: Er hat sein Wort gehalten. Sein Debütalbum „EstAtainment“ geht definitiv andere Wege.
„EstAtainment“ beginnt mit dem Titeltrack. Eigentlich erwartet man einen EstA in Hochform, Entertainment, wie man es von ihm gewohnt ist. Umso verwunderter ist man, wenn man plötzlich ein doch recht blutarmes Piano-Intro zu hören bekommt. Der Beat ist ultra-poppig,und mit der Hook tut sich EstA absolut keinen Gefallen. Ist das Pop? Rap? Raop? Poap? Es ist schlecht gesungen, das steht fest.
Mit „Allein gegen Alle“ liefert EstA dann eine Mischung aus persönlichem Kopf-Hoch-Track und vertonter Mittelfinger-Attitude. Kann man so stehen lassen. Hat man allerdings die ein oder andere VBT-Runde von EstA gehört, so kommt hier leider absolut nix Neues bei rum, es bleibt auch einfach nichts hängen. Hat man alles schon mal gehört. Was leider wieder negativ heraussticht, ist das recht dünn produzierte Instrumental. Egal, wie man seine Anlage konfiguriert, so wirklich drücken und knallen will hier leider nix.
Mit „Sommer“ ist auch schon der Tiefpunkt des Albums erreicht. Ein furchtbar poppiger Beat, halbe Gesangseinlagen in den Rap-Parts und eine Hook die jeden Gehörgang arg strapaziert. Hier muss man sich schon zusammenreißen, damit man nicht zum nächsten Track skippt. Ein richtiger Schuss in den Ofen. Man wird den Gedanken beim Hören einfach nicht los, dass EstA hier versucht hat, einen Sommerhit a lá Cro zu landen. Wer wirklich darauf steht, sollte allerdings lieber bei Cro bleiben. Die Line „Zu viele Masken-Rapper machen aggressiv, oder? Anders gesagt, ich hasse was du liebst“ hinterlässt in diesem Zusammenhang auch eher ein Fragezeichen.
Doch wo Schatten ist, ist auch Licht: Mit „M.I.C.“ präsentiert EstA eine persönliche Ode an sein Mic. Naturgemäß handelt es sich um eine sehr enge Beziehung mit Höhen und Tiefen. Warum die eigentlich recht gute Laune des Songs wieder mit einem Piano-In und Outro zerstört wird, bleibt allerdings sein Geheimnis. Zur Hook, die erneut gesungen ist, brauch man nicht viel sagen. Auch „Lass dich gehen“ ist kein schlechter Song. Es dreht sich um eine Freundschaft, die den Jahren und dem Erwachsenwerden zum Opfer gefallen ist. Leider ist die Umsetzung wieder ziemlich cheesy, die gesungene Hook testet erneut die Grenzen der Zumutbarkeit für jeden Rap-Fan. EstA funktioniert mit provokanter, frecher Schnauze immer noch am besten. Das beweist er mit „Lass sie reden“ wieder sehr gut.
Natürlich darf ein lustiger Skit auf einem Album nicht fehlen. Viele Deutschrap-Klassiker haben Skits, die mittlerweile Kultstatus besitzen. Man denke nur an Ali und Stavros von Illmatic. Leider ist der Skit auf „EstAtainment“ eine Mischung aus allen bekannten Skits und eher mäßig unterhaltsam. Lustig ist irgendwie anders. Also schnell weiter mit den anderen Tracks.
Mit „Hancock“ liefert EstA den besten Song auf „EstAtainment„. Ein ignoranter, arroganter EstA vergleicht seine Einstellung mit dem Leben des Superhelden. Eine gerappte Hook tut mehr als gut, was den Flow und die Technik im allgemeinen angeht kann und will man hier nicht meckern. So funktioniert EstA einfach am besten. Leider zerstört der Track „Nice“ alle guten Hoffnungen darauf, dass die zweite Hälfte des Albums die Schwachstellen der ersten komplett ausbügeln kann. EstA hat hörbar Spaß daran, Vergleiche zu finden, mit Sprüchen wie „Nice so wie nice sagen“ gewinnt er allerdings keinen Blumentopf. Zweckreime sind alles andere als nice. Hier punktet allerdings die Hook, welche ausnahmsweise nicht gesungen, sondern (gut) gerappt ist.
Mit „24/7“ schließlich bringt EstA erneut eine reinrassige Pop-Nummer, cheesy Beat und gesungene Hook. Ein Rapper, der „dabdadada“ in seiner Hook singt, wird es voraussichtlich ziemlich schwer haben, den geneigten Rap-Head zu überzeugen. Mit „Little Miss Perfect“ versucht sich EstA an einem der ganz großen Schauplätze von Niederlagen im Deutschrap: Dem Clubsong. Ein gepichtes Vocalsample und knallende Claps funktionieren auch soweit, die deutsche Sprache eignet sich aber nach wie vor kaum zu gehobener Partylyrik – zu ernst, zu streng.
Nun, neue Dinge auszuprobieren ist stets begrüßenswert. Und EstA ist mit seinem Debütalbum „EstAtainment“ auf Platz 11 gechartet, der Erfolg gibt ihm also klar recht. Das ändert leider trotzdem nichts an der Tatsache, dass „EstAtainment“ kein gutes, konsequentes Rap-Album ist. Hier hat man sich offenbar ganz bewusst an den letzten Charterfolge einiger Kollegen orientiert. Die Produktionen fallen alle sehr dünn und mager aus, nur ein paar Ausnahmen lassen den Hörer das ein oder andere mal zum Takt nicken. EstA funktioniert einfach am besten, wenn er mit zwei erhobenen Mittelfingern ein Fick nach dem anderen verteilt. Aber das tut er hier leider viel zu selten. EstA kann rappen, überhaupt keine Frage. Aber er muss sich auf seine Stärken konzentrieren. Und die liegen weit ab vom Popsound.