Mit Rapcrews ist das so eine Sache. Erst kommt der Anführer, der polarisiert. Dann kommen die nächsten, die einen eigenen Touch reinbringen und fast noch besser funktionieren, wenn auch auf der selben Schiene. Und dann kommt so langsam die dritte bis sechste Reihe. Und die hat meist weder das Talent noch den Drive der ersten bzw. zweiten Garde. Das kann alles auf unbestimmte Zeit gut gehen, irgendwann aber beginnt das Imperium dann zu bröckeln.
Im konkreten Fall: Haftbefehl? Mittlerweile über jeden Zweifel erhaben. Celo & Abdi? Aus der Rapszene 2013 überhaupt nicht mehr wegzudenken. Aber was passiert, wenn die gefeatureten Protagonisten, die bisher im Schatten von Haftbefehl weitgehend unbehelligt ihr Ding machten, ins Rampenlicht geschubst werden und auf Tonträgerlänge alleine überzeugen müssen? Geht das gut? Oder nutzt sich der Effekt ab? Beginnt das Imperium zu bröckeln?
Nun kommt also Veysel, der bereits durchaus die eine oder andere knackige Hook und den einen oder anderen starken Gastparts auf Lager hatte, und bringt sein Mixtape „43 Therapie“ an den Start. Funktioniert das, ohne langweilig zu werden? Nach Hören von „43 Therapie“ muss man sagen: Leider nur teilweise.
Schnell wird klar: Veysel ist zwar durch und durch authentisch, aber kein Alleinunterhalter vor dem Herrn. Sein Vortrag klingt stets ein bisschen angestrengt, fast bemüht. Da überrascht es wenig, wenn die rundesten Tracks auf „43 Therapie“ jene sind, auf denen der Essener Unterstützung von seinen Azzlack-Freunden bekommt. Celo reißt auf „Azzlack Gambinos“ ab wie nix und der Song „Glamour Life“ mit Abdi ist thematisch der kompletteste, weil er es schafft, über in Andeutungen verharrende Straßenmetaphorik hinauszugehen und eine richtige Geschichte zu erzählen. Abdi und sein unanachahmlicher lückenhafter Flow, das geht einfach immer.
„Willst du Glamour Life, oder Penner sein/ willst du Bahn fahrn, oder in‘ Benzer rein/ willst du Topmodels Candlelight, Naomi Campbell Style/ oder lieber Gangster bleib’n“
Highlight des Tapes ist das bereits vorab ausgekoppelte „Kein Blatt vor den Mund„. Das Straßengeschoss kommt auf einen pumpenden M3-Beat daher – und Veysel bleibt drauf. Das ist nicht selbstverständlich und obwohl das bewusste den Takt um ein paar Momente Verfehlen durchaus Charme haben kann, gerät es zeitweise etwas anstrengend, dem Ruhrpottler bei seinen Ausführungen zu folgen. Versöhnlich stimmen allerdings die Hooks, die suggerieren, dass Veysel doch durchaus weiß, was er da tut.
Ebenfalls als Video bereits vorausgeschickt wurde „Morgen wird es besser„, ein sonniger Track mit Baba Haft. Der repräsentiert den Grundtenor des Mixtapes ebenfalls ganz gut. Viel Straßenromantik, viel „Eltern sind enttäuscht„-Rhetorik, viel auf Kombi verkaufen und das Ganze dann ständig und immer wieder. Vorhersehbar. Ist ja auch überhaupt nicht schlimm.
Die Frage ist jedoch: Wieso kann das ein Haftbefehl machen und es unterhält einen brutal gut, aber wenn es der Junge aus 43 macht, nervt es mit der Zeit? Die Antwort ist relativ einfach. Es liegt daran, dass die „Wir sind eigentlich gar keine Rapper„-Herangehensweise durchaus fresh sein kann, Reime, die keine sind, können fett sein, innovativ sogar. Alles kein Problem. Nur: Veysel ist einfach ein technisch noch recht unversierter Rapper, dem trotz riesiger Sympathiewerte ein wenig das Charisma oder der Überraschungsmoment abgeht.
Dabei geht da garantiert mehr, das deutet Veysel hier und da auch an. Vieles bewegt sich aber in Dimensionen wie:
„Deine Freundinnen Gina und Lisa/ warten schon wieder/ auf Sangria“ („Kugelhagelrap Pt.2“ feat. MC Bogy)
Das klingt nicht nur beim lesen holprig, sondern auch, wenn es gerappt wird. Hervorheben muss man dafür die Beats, M3 liefert starke Produktionen ab und auch die dezent gestreuten Ami-Beats (u.a. „Bagpipes from Baghdad“ von Eminem) machen Laune.
Insgesamt ist „43 Therapie“ kein schlechtes, aber teilweise ein anstrengendes Tape, das mit den Beats, den Hooks und den Features durchaus punkten kann, nur leider nicht durch alle Parts des eigentlichen Hauptdarstellers Veysel. Dass da noch mehr geht, wurde ja bereits vermerkt, siehe etwa sein grandioser Part auf dem „Chabos wissen wer der Babo ist„-Remix („Zieh dem Kolumbianer sein Flex ab„). Veysel könnte zum Gradmesser des weiteren Wegs der Azzlackz werden. Entweder beginnt mit ihm die schleichende Abnutzung der bewährten Ästhetik – oder er legt mit seinem nächsten Release so richtig los. Immer getreu dem Motto „Morgen wird es besser„.