OK Kid – eine dieser Bands, die man keiner bestimmten Stilrichtung so richtig zuordnen kann. Tja, der Musikjournalist von heute hat’s eben nicht leicht. Schubladendenken? Vergiss es. Der Sound von OK Kid reicht von Rap über Pop bis hin zu Indierock. Die drei Gießener Jungs Jonas, Raffael und Moritz, die bis vor einigen Jahren noch zu fünft unter dem Namen jona:S aktiv waren, feierten diesen Monat den Release ihres ersten Albums nach der Namensänderung. OK Kid wurde letztes Jahr nach ungezählten Live-Auftritten beim Label Four Music gesignt, bei dem auch Casper, Chakuza oder Marteria unter Vertrag stehen. Ein Rapalbum also? Ja und nein.
Das Album wurde von Sven Ludwig und Robot Koch produziert. Die Band switcht lässig zwischen den oben erwähnten Stilrichtungen, aber dennoch zieht sich ein durchgehendes, stringentes Klangbild durch das gesamte Album. „OK Kid“ ist nicht die totale Beliebigkeit, die ein weitgefasster Stilmix oft zur Folge hat. Im Gegenteil: Das gesamte Album ist geprägt durch eine gewisse bittersüße Melancholie, die vor allem durch die Stimme des Frontmanns Jonas getragen wird. Auf „OK Kid“ geht es um die Generation der Nicht-Entscheiden-Woller und der Alle-Möglichkeiten-offen-Halter. Alle also, die nicht so recht erwachsen werden wollen oder können und nichts außer Luxusproblemen haben. Sich-verwirklichen-wollen als einziges Ziel und Selbstzweck eben. Hinter all der Coolness: Nichts als Sehnsucht – wonach auch immer.
Eröffnet wird das ganze ausnahmsweise mal nicht durch das „Intro“, welches originellerweise mitten im Album zu finden ist, sondern durch den Song „Allein, zu zweit, zu dritt…“ . Der Song fordert dazu auf, Veränderung zuzulassen, egal, was andere dazu sagen. Da sprechen OK Kid natürlich auch aus Erfahrung: Neuer Name, neues Label und reduzierte Besetzung. Der Text ist aber allgemein gehalten und lässt sich auf alle möglichen Neuanfänge und Neuausrichtungen beziehen.
„Hauptsache weitermachen/ Auch wenn die Nachbarn sagen, es wäre besser einzupacken/ auch wenn deine besten Freunde, alle was dagegen haben/ Schneid den roten Faden ab, wenn er sich nicht verbinden lässt“
Ebenfalls auf dem Album zu finden sind die beiden Videoauskopplungen „Verschwende mich“ und „Stadt ohne Meer“, die schon vor dem offiziellem Release veröffentlicht wurden. „Stadt ohne Meer“ widmet die Band ihrer Heimatstadt in Hessen, zu der sie ganz offenbar eine starke Hassliebe pflegt.
„Du bist so hässlich und grau/ Egal du schreibst für mich die besten Songs/ Nicht gewaschen, nicht poliert, ohne Glanz und ohne Stil, doch ich will dich nicht verbessern, denn niemand passt besser zu mir als du/ Dich zu vergleichen, wär gelogen. Dich schön zu reden auch/ Ohne dich nicht diese Band aus der grauen Stadt ohne Meer“
Beendet wird das Ganze dann mit dem Song „Mehr mehr“, der noch mal alle besagten Luxusprobleme aufzählt, die die Generation hat, um die es in diesem Album geht und die sich von OK Kid angesprochen fühlen wird.
„Wir haben alles, was wir brauchen, doch noch lange nicht genug. Wir wollen mehr/ Verbringen Nächte auf den Straßen und das meistens ohne Grund/ Haben ein Mädel für das Ego, damit man noch an sich geglaubt/ Haben alles ausprobiert, doch es hat nie wirklich gepasst/ Sind nach außen perfekt und innerlich für den Arsch/ Eigentlich geht es uns gut, doch wir wollen mehr“
Die Features auf dem Album sind begrenzt. So hat Olli „Wunderkynd“ Banjo einen Part im Song „Heile Welt“ und der Österreicher Gerard ist bei „Wenn der Tag abreißt“ zu hören. Das muss reichen – schließlich wollen sich auch OK Kid lieber selbst verwirklichen.
Das Album ist zwar nicht so eindeutig dem Rapkosmos zuzuordnen wie die der oben erwähnten Labelkollegen, aber dennoch haben OK Kid da ein gutes Debüt auf den Markt geworfen. Von Anfang bis Ende stimmig und nachvollziehbar. Den intelligenten Texten, die von starken Sprachbildern geprägt sind, merkt man den Rap-Einfluss deutlich an. So hört es sich guter Pop an, der von Rap ein paar mal ordentlich durchgenommen wurde. Fans klassischer Raptöne werden naturgemäß ein wenig enttäuscht sein, aber wer offen für neue musikalische Erfahrung ist und Rap nicht als eine Art Stammesreligion ansieht, bei der es darum geht, den Nachbarstamm zu zerfleischen und möglichst immer unter sich zu bleiben, kann der Platte ruhig eine Chance geben.