Er hat den deutschen Gangsta- und Straßenrap in den vergangenen Jahren revolutioniert, dominiert und geprägt wie vor ihm nur zwei: Bushido und Massiv. Sein Flow, sein Wortschatz, seine Adlibs, seine Stimme – Hafti Abi hat einfach alles und ist derzeit das Maß aller Dinge. Und, soviel sei an dieser Stelle gleich mal vorweggenommen, mit dem Doppelalbum „Blockplatin“ schafft er es, diese Vormachtstellung nicht nur zu festigen, sondern sogar noch weiter auszubauen.
Mit einem beherzten „Cho ya“ eröffnet Haft den Wahnsinn, nur um sogleich klarzustellen: „Wir machen neues Geld/ auf die alte Weise„. Viel verändert hat sich, zumal auf der Block-Seite, die das Doppelalbum eröffnet, tatsächlich nicht. Warum auch? Aggressive Raps auf treibenden Beats – das funktioniert einfach.
Die Block-Seite folgt genau dieser Formel. Songs wie „Chabos wissen wer der Babo ist„, „Generation Azzlack“ oder „Stoppen Sie mal, Officer“ geben gediegen auf die Fresse. Haft hat seinen Flow noch weiter aufs Nötigste, aufs Essentielle reduziert und spuckt die Wörter in einem derart harten Stakkato aus, dass einem Angst und Bange um die Membran der Box wird.
Auf musikalischer Seite wurde auch noch mal aufgerüstet. „Blockplatin“ klingt noch amerikanischer als sein Vorgänger, die französische Phase scheint endgültig abgeschlossen zu sein. So liefern die Bounce Brothas mit „Azzlack Motherfuck“ einen geschmeidigen Südstaatenschunkler ab, zu dem man gerne die AK bzw. den Damenrevolver wippen lässt und lauthals mitskandiert:
„Baba Haft Motherfuck
Baba Haft Motherfuck
Azzlack Motherfuck
Azzlack Motherfuck„
Mit „Ja Ja Ve Ve 2“ hat sich auch m3, der den Vorgänger „Kanackis“ noch als Executive Producer begleitete, mit einem Beat verewigt, dessen Synthies böse sägen. Dazu packt Haft einen Flow aus, der so gedehnt daherkommt, dass man kaum mehr sagen kann, wo eine Zeile aufhört und eine neue anfängt. Das alles aber mit jeder Menge Druck in der Stimme.
„Ich ficke dich“ mit Xatar und Massiv wurde von Cönigs Allee produziert, der auf „Blockplatin“ ohnehin den Löwenanteil der Beats besorgt hat. Und dieser Mann versteht sein Handwerk ohne Zweifel. Genau der Breitwandsound, den Haft braucht, um seine lyrischen Gemeinheiten ins rechte Licht zu rücken.
Einzig der etwas allzu häufige Einsatz von Veysel, der sich langsam aber sicher zum inoffiziellen Nachfolger von Chaker entwickelt, fällt ein wenig störend ins Gewicht. Mit dem durch einen azzlackisierten Kinderreim eingeleiteten, mächtigen „Crackfurt„, erneut in Szene gesetzt von Cönigs Allee endet die Block-Seite jedoch durchaus angemessen hart.
Dann beginnt die Platin-Seite, eröffnet mit dem von Phrequincy produzierten „Welcome to Alemania“ und gleich ist klar: Das Tempo wird ein bisschen rausgenommen, die Härte weicht zum Teil nachdenklicheren, zum Teil überhaupt nicht nachdenklichen, aber softeren Tönen. „Du weißt ich weiß“ mit Hafts Bruder Capo ist ein frecher Club- und Baggersong, der sich an alle, naja, Damen richtet, die auch während einer festen Beziehung noch nach attraktiven Männern Ausschau halten. Man kennt das.
„Traurig aber wahr“ ist in gewisser Weise eine Fortsetzung des „Parallel dazu„-Prinzips und reiht assoziativ Gegensätze aneinander. So machen Azzlackz Politik. Bisweilen sehr plakativ und grob, klar, aber eindringlich und glaubwürdig.
„Ich bin das Kind in Afrika, das kämpft für sein Brot
du der Kapitalist, der Profit steckt in Sierra Leone„
Weniger plakativ, dafür ungewohnt nachdenklich und reflexiv wird Haft dann bei „Mann im Spiegel„. Auf einem Beat, der fast ohne Drums auskommt, liefert Haft eine denkwürdige Version der Dorian Grey-Geschichte von Oscar Wilde. Ruhig, unaufgeregt, lyrisch absolut brillant. Der Gänsehautmoment der Platte ist erreicht.
Danach wird es wieder lockerer. „Erst der Himmel ist Limit“ trägt die Biggie-Hommage ja bereits im Titel (der an „Sky is the limit“ angelehnt ist). Und tatsächlich packt Haftbefehl hier ganz krass den B.I.G.-Flow aus. Zäh und schwer tropfen die Reime aus den Boxen, die melodische Hook gibt dem Song einen Hitcharakter, der sich gewaschen hat. „Player Hater“ dagegen (ebenfalls ein Songtitel, den B.I.G. bereits verwendet hat) übertreibt es dann ein bisschen mit der Cheesyness. Dafür amüsiert „Late Checkout„, das mit unverschämt elegantem Beat daherkommt, durch seine lässige Partylyrik.
„Keine Zeit zum schlafen
Ich muss Party machen
Was ein Scheißjob – Partymachen„
Und gerade, wo man dachte, da käme jetzt nicht mehr viel, reißt „Á la Elvis Press Play“ es noch mal so richtig raus. Was. Für. Ein. Beat. Alter. Und was für eine Hook. Da traut sich der Azzlack noch mal so richtig, die Fesseln der Konvention zu sprengen. Experiment geglückt.
Das lässt sich auch insgesamt über „Blockplatin“ sagen. Ähnlich wie sein erklärter Lieblingsrapper B.I.G. hat er nun auch endlich seine Stimme gefunden, die auf dem Debüt noch etwas zu hoch und schneidend daherkam. Aus dem Bauch heraus, tief und satt, spuckt er nun die Reime. Und wo der Vorgänger „Kanackis“ noch ein bisschen zu gewollt das schöne Leben feierte, das für den Offenbacher damals ja auch noch neu war, schafft „Blockplatin“ tatsächlich den Spagat zwischen harten, kompromisslosen Songs (Block) und smootheren, aber eben auch nachdenklichen Tönen (Platin). Ich lege mich da jetzt fest: „Blockplatin“ ist ein Streetrap-Klassiker, der in einer Liga mit „Vom Bordstein bis zur Skyline„, dem Re-Release von „Blut gegen Blut“ oder „Carlo Cokxx Nutten“ spielt. Alles vorbei, alles rrrasierrrt.