Kaisaschnitt, Kaisa oder Schnitt. Der Berliner hat im Laufe seiner – schon über 10 Jahre andauernden – Karriere öfter mal den Namen und damit auch den Stil geändert. Nun heißt es wieder „Back to the Roots“. So nimmt er wieder das Pseudonym Kaisaschnitt an und verspricht damit eine Rückkehr zum harten, erbarmungslosen Rap, was auch der Albumtitel bereits vermuten lässt. „Anti_Chr1st: Töte deinen Freund„, der erste Teil einer geplanten Trilogie.
Zwar fängt das Album recht merkwürdig und verwirrend mit „Fixe Idee“ und dem Prediger Michael – den man aus einigen Videos der letzten Zeit von Kaisas Youtube-Kanal kennen könnte – an. Eine Mischung aus Predigt und Exorzismus – hm. Darauf folgt jedoch „Der einäugige Teufel„, ein kurzer, prägnanter Track, der sehr viel besser als Einführung in dieses düstere Machwerk taugt. In gerademal einer Minute deckt Kaisaschnitt auf, wieviel Gewalt täglich auf uns einprasselt in Form von Sendungen wie „Autopsie“ oder durch Nachrichten über Verbrechen, wie Joseph Fritzl sie beging.
Insgesamt hat Kaisa wieder viel Freude daran, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und alles Negative in der Welt zu zeigen. So berichtet er in „Augsburg“ über die nach außenhin nett und harmonisch wirkende Stadt und einem Mädchen, das dort, hinter der Fassade, von ihren Eltern gefangen gehalten und missbraucht wird. Ob die Geschichte – so wie hier berichtet – so auch stattgefunden hat, bleibt allerdings unklar, ebenso wie die Frage, ob Kaisa diese Gewalt nun ablehnt, anprangert oder einfach nur faszinierend findet.
Auch Amokläufe an Schulen, Drogenmissbrauch, der 11. September oder Völkermorde auf dem afrikanischen Kontinent werden hier aufgegriffen „60.000 Menschen tot/ja der Kongo er tobt/dort sterben jeden Tag mehr als in den Towerbüros„. Neben solchen eher politisch anmutenden Statements geht es aber auch an anderer Front zur Sache. Seine üblichen Zielscheiben wie Dennis K. von der Backspin, Rap am Mittwoch oder die Staatsanwaltschaft werden ebenfalls wieder verbal beschossen.
„Leichen im Keller“ will zeigen, wie das Internet die Gesellschaft verändert hat. Wieder ist nicht ganz klar, ob Kaisa Pornografie und Gewalt, die durch das Internet für jedermann zugänglich sind, nun feiert oder verdammt, vor allem, wenn man dann im Vergleich dazu „Ohrwurm“ hört, in dem sich Kaisaschnitt einmal quer durch die gesamte Damenwelt vögelt. Auch nicht gerade die feine englische Art. Eindeutig hingegen seine Kritik an Menschen, die sich im Schutze der Anonymität des Internets Sachen und Aussagen trauen, die sie in der realen Welt niemals tun oder sagen würden.
„Anti_Chr1st“ ist ein Album, bei dem es schwerfällt, einzelne Lieder hervorzuheben. Es ist vielmehr als Gesamtwerk zu sehen, das den (angeblichen) Einfluss der Medien, die (angeblichen) Machenschaften der Regierungen, die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche und vieles mehr aufzeigt, zu einer düster-schweren Sauce verrührt und die Brühe heiß in die Fresse des Zuhörers kippt. Friss oder stirb…
Man merkt deutlich Kaisaschnitts Faszination für all die Verbrechen, die so in der Welt passieren und vor denen andere Menschen gerne ihre Augen verschließen. Die Ungewissheit, ob sich Kaisa von diesen Verbrechen nun lediglich angezogen und fasziniert fühlt, oder ob er sie entweder ablehnt oder gar befürwortet, zieht sich hierbei durch sein gesamtes Album. „Anti_Chr1st“ ist ein verstörendes und hartes Werk, das in dieser Form sicher einzigartig im deutschen Rap ist. Dankenswerterweise liefert Kaisa dieses Mal auch keine unbedachten Äußerungen ab, die als schwulenfeindlich oder antisemitisch interpretiert werden könnten.