Der Essener Rapper mit der Reibeisenstimme sondergleichen aka 3Plusss erlangte seine Bekanntheit zum Großteil durch seine Runden beim VBT 2011. Jetzt kommt der 21-Jährige mit seinem Debutalbum um die Ecke und will der Masse beweisen, dass er auch abseits von Punchlines, Battletexten und Rumgedisse ordentliche Musik macht und nicht sofort wieder im Sumpf der vielversprechenden Raptalente ohne Vertrag und Erfolg verschwinden wird. Mit „Kindskopf“ nimmt 3Plusss anders als gewohnt nicht seine Gegner aufs Horn, sondern schießt in fast jeden Track gegen sich selbst bzw. nimmt sich selbst auf die Schippe. Die vorherrschenden Themen auf „Kindskopf“ sind 3Plusss‚ eigene Faulheit, sein Unwissen über verschiedenste Themengebiete oder einfach nur die Angst vor zu viel Verantwortung. Kindskopf halt.
Gleich im ersten Track mit dem Titel „Kreatif“ wird die inhaltliche Richtung deutlich. Der Junge bekommt eigentlich nix gebacken – aber das bekommt er immerhin ganz gut hin. Dabei kann man dem Eypro-Mitglied gerade seine angebliche Kreativlosigkeit gar nicht vorwerfen, weil das Thema ziemlich witizg und mit einer gesunden Arroganz vorgetragen wird. Bei „Sorry, ich bin doof“ kommt zu der ausgeprägten Faulheit noch eine gewisse Unwissenheit über Themen wie Tracks abmischen, den korrekten Umgang mit Geld oder Schach dazu. In der Hook wird das Ganze mit einem einfachen „Sorry, ich bin doof“ abgehakt.
Der Titeltrack geht dann im Gegensatz zu seinen Vorgängern ordentlich nach vorne. Hier treffen schnelle Reimketten auf einen treibenden Beat von Neodisco, der für ein wenig Abwechslung zu den vorhergegangenen Stücken sorgt. Textlich geht es wie immer um das Benehmen des 21-Jährigen, der sich selbst eher wie einen vorpubertierender Bengel beschreibt. Mit über 20 Jahren könnte man meinen, dass Aussagen, wie Mädchen sind doof, Fürze sind lustig und Pläne schmieden ist Unsinn nicht mehr altersgerecht (oder einfach nicht mehr lustig) sind, nichtsdestotrotz erwischt man sich immer mal wieder beim Grinsen – und erkennt sich in der einen oder anderen Zeile auch selbst wieder. Erwachsenwerden ist halt nicht so leicht, wie man denkt.
Überhaupt: Der geneigte Hörer wird sich immer mal wieder in den Tracks des Esseners wiederfinden. Erste-Welt-Probleme, wie sie auf „Boah Ey“ beschrieben werden, kennt nun wirklich jeder. Keinen Bock auf Arbeit, Werbung zwischen guten Filmen oder das bekannte Probleme mit dem W-Lan – wer kennt das nicht? Luxusprobleme vom Feinsten, aber ey: Wer sonst keine Sorgen hat, findet immer einen Grund zum Jammern. Auch die von Sorgenkind gesungene Hook unterstreicht die genervte Stimmung des Tracks perfekt.
Das darauffolgende Skit mit dem Titel „Wenn du ein Wal bist“ hat einen dermaßen entspannten Beat, dass einem kaum etwas anderes als das Versinken in Träumen übrig bleibt. Hier trifft melancholischer Beat auf reflektierenden Text und sorgt somit für den atmosphärischsten Track auf „Kindskopf„. „Nase“ hingegen verlässt die seichten Gewässer und bringt neuen Schwung in die Sache, was vor allem an den knackigen Beat von DJ Smochi liegt. Melancholie adé. Die Hook tut dabei ihr übrigens und wird den Rezensent auch nach Beendigung des Hörvergnügens noch eine Weile weiterverfolgen. Ankreiden könnte man hier allerdings die mit circa zwei Minuten etwas knapp bemessene Spielzeit. Allgemein gehen die wenigstens Tracks von 3Plusss länger als drei Minuten. In der Kürze liegt die Würze, könnte man einwenden, doch das trifft auf „Kindskopf“ leider nur teilweise zu.
Das Album krankt nämlich ein wenig daran, dass sich die Themen rund um das kindische Benehmen des VBT-Stars zu oft wiederholen. So stellt sich nach einigen Hördurchgängen Langeweile ein. Die eher ruhig gehaltenen Beats tun ihr übriges. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Auf „Hallo Frauenwelt“ trifft fröhliches Klaviergeklimper auf amüsante Texte, die sich um das beliebte Hauptinteresse aller Männer dreht, die holde Weiblichkeit. Sowohl Singles als auch glücklich vergebene Menschen kommen auf ihre Kosten und werden sich das ein oder andere Mal mit einem verschmitzten Grinsen erwischen. Hier wird mit Machosprüchen nur so um sich geschmissen und einfach mal auf dicke Hose gemacht.
Apropros dicke Hose: Mit „Maskulin Maskulin“ zeigt 3Plusss, dass er das Battlen immer noch mit links beherrscht und weil Rumgepose in der Gruppe bekanntlich erst so richtig Spaß macht, hat sich der Magerquarkfan kurzerhand die Jungs von Zugezogen Maskulin an Bord geholt. Testo und grim104 von ZM stehen 3Plusss raptechnisch in nichts nach, Testos Part auf „Maskulin Maskulin“ ist sogar einer der Besten des ganzen Albums. Eypro-Mitglied donetasy ergänzt den Track mit einem weiteren Part und seiner etwas gewöhnungsbedürftigen, aber nicht unpassenden Stimme.
Das letzte Drittel der LP wird mit dem Track „Krrank“ eingeleitet. „Krrank“ handelt, saisonal passend, von der guten alten Grippezeit und dem damit verbundenen Unwohlsein. Neben bissigen Texten mit einer kleinen Portionen schwarzen Humor überzeugt vor allem die nasale Hook, bei der man dem Blondschopf am liebsten sofort ein Tempo reichen würde, damit er sich mal so richtig ausschnaubt. Sehr amüsant und stimmungsvoll umgesetzt. „Kevin“ hingegen richtet sich an alle Schmocks, Nichtwähler, Streber, Cro-Hörer und andere unbeliebte (?) Minderheiten (??), die hier allesamt in der Persona Kevin verschmelzen. Mit dem „Bonustrackmackwack“ gibt es nochmal voll auf die Fresse. Achtung, hier wird auf 1:45 Minuten scharf um sich geschossen. Respekt gebührt an dieser Stelle Jonny Illstrument für den großartigen Beat.
„Kindskopf“ ist ein gutes Debut, das mit ausgezeichnet produzierten Beats und witzigen, zum Teil schwarzhumorigen Texten, die sich hauptsächlich gegen 3Plusss selbst richten, überzeugen kann. Einziger Wehrmutstropfen: besagte thematische Redundanz. So bleibt noch ein wenig Luft nach oben – wie es sich für einen echten Kindskopf gehört.