Alle Boybandkarrieren verlaufen nach dem gleichen Schema. Es werden vier bis sechs unterrschiedliche Charaktere, die musikalisch mehr oder weniger talentiert sind, zusammengeworfen, es werden Hits mit Ohrwurmpotential produziert und die Konzerte sind überlaufen von 14jährigen Teenies, die sich die Lunge aus dem Hals schreien, nur um von ihren Idolen für einen kurzen Augenblick verächtlich angelächelt zu werden. Nach diesem Vorbild werden in Amerika schon seit Jahren Boybands am Fließband produziert, wird also Zeit, dass Good ol‘ Germany endlich nachlegt. Den ersten Versuch – okay, nach den Orsons – starten Trailerpark mit den Crack Street Boys.
Also vergleichen wir nochmal: Vier völlig unterschiedliche Charaktere? Check. Wir haben den Frauenschwarm Sudden, der durch sein exotisches Aussehen und übercooles Auftreten überzeugt, den eher zurückhaltenden und gefühlvollen Alligatoah, der besonders durch seine Gesang-Hooks auffällt, den verrückten und Drogen nicht abgeneigten Nick Carter Timi Hendrix sowie den Kopf des Projekts Trailerpark-Chef Basti, ausgestattet mit einem gesund-kranken Humor. Hits mit Ohrwurmpotential? Auch check. Dank Alligatoahs Gesangsqualitäten und den vielfältigen Beats die sich zwischen Dubstep-gedröhne, klassischen Rap-Beats und lässigem Gitarrengeschrammel ansiedeln können wir auch hinter diesem Punkt einen Haken setzen. Kommen wir zum letzten Punkt, die Fans der Boygroup. Hier weichen die Jungs von Trailerpark ein wenig von ihren großen Vorbildern ab. Unter 18-jährige Fans wird man auf den Konzerten der 4 Junks Jungs eher selten erleben. Ein Band, die damit wirbt, dass ihre Fans auf der Bühne auch gerne mal die Bandeigenen Körperflüssigkeiten die Kehle runterspülen oder sich von drei wohlbeleibten Prostituierten auf der Bühne durchficken lassen, ist für Minderjährige schwer zu verdauen und kann auch dem ein oder anderen volljährigen Konzertbesucher beim Zuschauen übel auf den Magen schlagen.
Genau so verhält es sich mit der Musik von Trailerpark. „Crack Street Boys II“ ist nichts für zartbesaitete Menschen. Trailerpark spaltet die Massen. Während die eine Hälfte den Humor, der sich irgendwo zwischen Hunter S. Thompson-Romanen (bzw. deren Verfilmung) und South Park ansiedelt, wie wild feiern und über bewusste Tabubrüche im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch, HIV-Ansteckung und U-Bahnschlägereien köstlich amüsieren, kritisiert die andere Hälfte genau das. Zugegeben Trailerpark schlagen mit ihren Songs manchmal weit über die Stränge, besonders hervorzuheben sind hier die Tracks „Fahrerflucht„, „Schlechter Tag“ oder „U-Bahnschläger„, bei dem auch dem Rezensenten das ein oder andere Mal das Lachen im sprichwörtlichen Hals stecken geblieben ist.
Die musikalische Umsetzung ist allerdings so gut gelungen, dass selbst die harten Themen zuckersüß in geschmeidige Hooks von Alligatoah verpackt daherkommen und somit stets für eine gute Hörbarkeit sorgen. Als Featuregäste sind die Jungs von K.I.Z. und Massimo (U-Bahnschläger) vertreten und sorgen für weitere Abwechslung. Natürlich darf auch Trailerpark-Ehrenmitglied Dana ihren Teil dazusteuern und den Song „Fledermausland“ mit ihrer markanten Stimme veredeln. Doch bleiben wir bei den Hauptakteuren. Die Parts von Alligatoah, der durch seine amüsanten und bitterbösen Texte und seine Hooks besondere Aufmerksamkeit verdient und von Timi, der technisch der stärkste der vier Mitlgieder ist, sorgen für ein unterhaltsames Album. Was Sudden und Basti betriftt, kommen diese nie an die Qualität der anderen beiden Bandmitglieder ran, fallen aber auch nicht negativ oder störend auf.
Die Beats sind gut gemischt und sorgen für ein abwechslungsreiches Werk, während „Wall of Meth“ oder „New Kids on the Blech“ mit drückendem und knallenden Dubstep-Beat daherkommt und euch gleich zum Einstieg zeigt, dass mit den Crackstreet Boys nicht zu spaßen ist, wird es im Verlauf des Albums auch mal ruhiger und mit „Pokemonkarten“ fast schon romantisch, wäre da nicht der Text, der mit mehr Nerd-Referenzen als The Big Bang Theory auftritt und für geistig ewig 12jährige den Tophit des Albums darstellt, für alle mit normalem Job und einen intakten Sozialleben aber wohl eher abschreckend wirkt. Aber genau das ist es, was Trailerpark bzw. die Crack Street Boys ausmacht: Hier wird ein Fick auf den guten, alten Konsens gegeben. Alles, was sonst nicht öffentlich ausgesprochen wird, findet hier Erwähnung. Und das muss schließlich auch mal sein.
Wer über Fäkalhumor, übertriebenen Crystal-Meth-Konsum, die Beschreibung von Straftaten in der U-Bahn und das Erstlingswerk „Crack Street Boys I“ lachen kann bzw. konnte, der wird auch von „Crack Street Boys II“ nicht enttäuscht sein, alle anderen sollten vorsichtig rein hören. Für eventuell bleibende psychische Schäden übernehmen wir keinerlei Haftung – und Trailerpark mit Sicherheit auch nicht.