Entgegen seiner in einer großen deutschen Illustrierten geäußerten Absicht, es so langsam aber sicher mal gut sein zu lassen mit dem Musikmachen, meldet sich Bushido mit seinem neuen Album „AMYF“ zurück. Angekündigt wurde das gute Stück als Rückkehr zum Sound von „Vom Bordstein bis zur Skyline„. Klar, wie so viele andere Rapper wird auch Bushido an seinem ersten, alle Nachfolger überragenden Album gemessen und natürlich versucht in gewisser Weise jeder Künstler, die Naivität und Spontanität seiner frühen Werke wenn nicht zu kopieren, so doch zumindest zu erreichen. Wer das nicht glaubt, schaue sich mal einen der letzten (furchtbar langweiligen) Woody Allen-Filme an.
Nun ist das Problem an der Sache, dass es schlicht nicht möglich ist, die Zeit noch mal zurückzudrehen. Jeder kann genau ein einziges erstes Album veröffentlichen, ohne Druck, ohne Eile, ohne Erwartungen (meistens jedenfalls). Es war also abzusehen, dass Bushido auch mit „AMYF„, seinem bislang vielleicht persönlichsten Album, nicht an die guten, alten Zeiten anzuknüpfen vermag, in denen es noch hieß: „Du bist doch nur ’ne Frau mit Schwanz, die sich nichts traut!„
Es wäre jetzt natürlich ein schöner Bogen, wenn man diese Zeile gegen ihren Urheber selbst wenden könnte, aber ganz so schlimm ist es ja dann doch nicht. Im Vergleich zu seinem letzten, insgesamt recht gesetzten Spätwerk „Jenseits von Gut und Böse“ hat „AMYF“ sogar ein paar durchaus erfrischende Momente, was womöglich zu einem Gutteil am Auftritt sowohl alter Weggefährten wie Orgi, Arzt und Eko als auch neuer Talente wie MoTrip oder Joka liegt. Wobei das durchaus mit Spannung erwartete „Snare Drum Ich Rap“ eher enttäuschend ausfällt. Der spritzige Beat böte eigentlich eine hervorragende Grundlage für lyrischen Wahnsinn, zu dem MoTrip ja durchaus imstande ist. Seltsamerweise geht dieser hier aber relativ uninspirtiert zu Werke und reiht belanglose Zeilen wie „Deine freche Art kannst du dir sparen wie Komplimente/ besser spar für deine Rente“ aneinander. Hatte man deutlich mehr erwarten können.
Auch die erneute Vereinigung mit „23„-Partner Sido fällt nicht unter die Kategorie „instant classic“. Wobei die Zeile aus der Hook „Ich komponier ein Lied mit den Banknoten“ schon witzig ist – besonders kritische Beobachter mögen darin den lyrischen Einfluss von Bushidos neuem Kumpel MoTrip erkennen… Joka hingegen nutzt die ihm gebotene Chance auf „Theorie & Praxis“ hervorragend und trägt viel dazu bei, dass der Track einer der Höhepunkte von „AMYF“ ist – einer der leider ziemlich raren, sei hinzugefügt.
Denn die meiste Zeit über beschäftigt sich Bushido sehr ausgiebig mit sich selbst. Das beginnt schon im „Intro„, in dem er einen Kurzabriss seiner bisherigen Karriere liefert, setzt sich mit „Selbst ist der Mann„, „Lebende Legende“ und „Ferchichi“ fort und gipfelt schließlich im Titeltrack „A.M.Y.F.„, der mit Zeilen wie „Bereit zum servieren/ der Tisch ist gedeckt“ aufwartet – man hat wahrlich schon krasseres gehört, auch und gerade von Bushido. Apropos mediokre Zeilen: „Bushido, Haarfarbe schwarz/ in diesem Land geboren, da habt ihr den Salat„? Na dann.
„AMYF“ krankt einfach daran, dass es inhaltlich hauptsächlich um sich selbst kreist, was für Rap ja an und für sich nichts ungewöhnliches ist, aber dann doch bitte mit mehr Dreistigkeit und Unverschämtheit. Bei Bushido aber scheint die Skrupellosigkeit, die ihn einst auszeichnete, mittlerweile eher einer Neigung zur Beschwerde gewichen zu sein. Klar, nörgeln ist nunmal die klassische Begleiterscheinung von Luxus. Oder: Wer Style und vor allem das Geld hat, findet eben trotzdem immer noch ein Haar in der Suppe. „Deutschland, das ist bestimmt mein Job/ ich bin der Kinderschreck, ich bin der Sündenbock„. Wäre es nicht viel geiler, diese Rolle, die Bushido sich ja durch seine alten Songs redlich erarbeitet hat, so wie früher einfach frech zu genießen? Zumindest wäre es unterhaltsamer.
Was dagegen richtig Spaß macht, sind die Songs mit den alten Südberliner Atzen King Orgasmus One („Männerabend„) und Frauenarzt („Südrapstarz 2„), die tatsächlich ein wenig an die gute, alte, unordentliche Zeit erinnern. Auch der gemeinsame Song mit Brutos Brutaloz weiß nicht nur dank des sparsamen Beats zu überzeugen. Der Lichterfelde-Boss steht ja ohnehin für genau die unperfekte, angriffslustige Art der frühen 2000er Jahre in Berlin.
Und nach genau der sehnt man sich durchaus wieder zurück, etwa, wenn Bushido auf dem letzten Track der Premium Edition „Todesstern“ rappt „Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann? Ich bin euer Alptraum und komm nachts aus dem Schrank„. Es hilft alles nix: „AMYF“ ist mittelmäßig, sowohl als Rap- wie als Bushido-Album. Glorreiche alte Zeiten lassen sich eben nur schwer beschwören. Und wieder aufleben lassen kann man sie erst recht nicht. Eigentlich müsste man für die guten Feature-Songs ja 2,5 Sterne vergeben, da unsere Bewertungsskala aber keine halben Sachen kennt, sind es nur zwei geworden.