So ein Selfmade-Deal ist für junge Rapper sicher eine gute Sache, aber bei manchem Hörer, der bereits die alten Sachen gut fand, bleibt doch die bange Frage: Hat sich am Sound und/oder an den Texten etwas grundlegendes verändert? Sind die 257ers vielleicht plötzlich weichgespült und langweilig?
Halten wir zunächst mal fest: Für jeden, der wissen möchte, wie oft es auf einem Album möglich ist, “Hurensohn“ zu sagen, ist “HRNSHN“ genau das richtige. Dazu gibt es im Booklet alle Texte zum auswendig üben und an Weihnachten der Familie vorsingen. Für alle hingegen, die in Raptexten nach verborgenen Messages suchen und auf deepe oder wenigstens bedeutungsschwangere Texte hoffen, ist das neue Werk von Mike, Keule und Shneezin sicherlich nichts. Wenn man in letzter Zeit jeglichen Spaß am deutschen Rap durch fade “Ich bin der King, fahr dicke Karren und mir ist es wichtig, dass auch in jeder zweiten Line zu betonen“-Tracks verloren hat, ist man hier aber genau richtig.
Wenn man also gemütlich vor der Spielkonsole seiner Wahl hängt und sein drölftes Bier aufgemacht hat, kann man das Album spätestens dann mitträllern, wenn das Bier leer ist. Wo andere Rapper “erwachsen werden“ und ihren Stil ändern, bleiben die 257ers angenehm bodenständig. So finden sich auf “HRNSHN“ Produzenten wie Johnny Illstrument, Voddi Beats und Krizz Dallas wieder, die den Hörer schon auf vorigen Alben der Crew mit eingängigen Beats versorgt haben.
Und auch textlich muss sich der geneigte 257ers-Fan auf keine allzu großen Veränderungen einstellen. Natürlich dürfen Sticheleien jeglicher Art und in alle möglichen Richtungen nicht fehlen. So schleicht sich ein Schmunzeln auf die Lippen des Hörers, während er aufs Korn genommene Lines von Bushido und den Orsons hört. Ihren Beitrag zum besseren Verständnis der Geschlechter liefern die Jungs nebenbei auch ab. Auf dem Song “Mein Schwanz sagt“ wird der ewige Konflikt zwischen Penis und Verstand mal wieder genauer beleuchtet. Anspieltipp für alle Frauen – vielleicht versteht ihr nach dem Hören des Songs ja endlich, warum Männer “so sind“…
Für eine gesunde Portion Selbstironie ist, neben solchen pädagogisch wertvollen Songs, natürlich auch gesorgt. Dafür haben die Jungs Tracks wie “Wir sind geil“ und “Rappen is Gangsta“ im Gepäck. In “Wir sind geil“ erfährt man etwa, dass Shneezin lieber auf Mofas statt Benz setzt, die 257ers dumm sind und das Album nach Keule benannt wurde. Während man noch über diese selbstkritischen Aussagen lacht, wird einem auch schon eine sehr eingängige Hook um die Ohren geknallt. Die Jungs nehmen sich nach wie vor nicht allzu ernst und sind meilenweit vom humorfreien Stolz-und-Ehre-Gebrabbel anderer Rapper entfernt.
Der Beat von “Rappen is Gangsta“ hingegen klingt beim ersten Hördurchgang ziemlich nervig, der Wunsch, ihn einfach wegzuskippen, ist dementsprechend groß. Nimmt man sich aber die Zeit, den Song durch zu hören, findet man sich bald kopfnickend und “Gä-ä-ä-ängsta“ grölend wieder – alles richtig gemacht. Natürlich darf auf einem Selfmade-Album auch die obligatorische Anti-Slick One-Line nicht fehlen. “Vielleicht häng ich mich auf, wir haben nen Drecksjob gewählt/ aber Slick meint geht ruhig drauf, dann gibbet ne Best-Of-CD“ rappt Mike mit überzeugender Logik. Gar nicht mal so ein übler Vorschlag.
“Auseinanda“ zeigt dann nicht nur die Skills, über welche die drei Essener Rapper verfügen, sondern macht auch unglaublichen Appetit auf Kekse. Wer jedoch gerade keine Kekse zur Hand hat, kann selbstverständlich auch auf “Spinat“ zurückgreifen. Zusammen mit Gummibärensaft macht der anscheinend immun gegen Kryptonit. Man sieht: Es gibt sehr viel zu lernen auf “HRNSHN“. Oder, um Shneezin zu zitieren: “Das macht keinen Sinn, aber Spaß/ wie das ganze Album.“ Das gilt übrigens nicht zuletzt auch für den Featuretrack “Über alle Berge“ mit Alligatoah, der allein schon Dank des Gesangsparts von Alligatoah in der Hook absoluten Ohrwumcharakter hat.
Die heimlichen Highlights der CD sind aber die Skits, in denen Jewlz aka. Der Hoodwatcher wieder jede Menge wichtige Dinge zu sagen hat. Doch das vierte Mitglied der 257ers kann auch ganz anders. Das beweist er auf dem Track “Seite an Seite ft. Favorite“, auf dem seichte Töne angeschlagen werden. Jewlz erzählt, ganz Romantiker, wie er eine sehr ansehnliche Frau kennen lernt… Ob es auch ein Happy End für den Hoodwatcher gibt, darf jeder selbst herausfinden. Genau der richtige Track für den kuscheligen Pärchenabend jedenfalls.
Bestanden anfangs also noch ein paar Zweifel, ob man auf “HRNSHN“ wohl die gute, alte 257er Manier vermissen wird, sind schon nach dem ersten Hördurchgang jeglichen Gehirnzellen zufrieden gestellt oder abgestorben. Endlich gibt es im deutschen Rap wieder ein Album, das bis oben hin voll mit pädagogisch wertvollem Inhalt ist. Was bleibt einem da noch viel zu sagen außer: AKK!