Trotz der Anonymität zwischen den zahlreichen Bewohnern mehrgeschossiger Plattenbauten, kennt man sich gewisserweise, ob man will oder nicht – die Insassen der dünnwändigen „Einraumparzellen“ solcher „Monolithen aus Beton“ hocken ja dicht genug beieinander.
Morlockk Dilemma ist ein Sohn Grünaus, eines Wohngebiets in Leipzig, in welchem es vor solch sozialistischen Elfenbeintürmen, wie er die Bauten in Anlehnung an den Film „Die unendliche Geschichte“ euphemistisch betitelt, nur so wimmelt. Geschichten als Ideengrundlage für seine EP „Weihnachten im Elfenbeinturm“ hat er also en masse erlebt.
Eine unerhörte Begebenheit trägt sich am Weihnachtsabend in einem Plattenbaugebiet zu: eine nicht näher definierte Person stürzt sich vom 16-stöckigen Hochhaus und erspäht während des Falls in jedem der Fenster eine individuelle Lebensgeschichte, bevor sie auf dem Erdboden aufprallt. „Das ist die Geschichte des Absturzes. Seines und ihres.“ – Morlockks Konzept des zwölf Anspielstationen starken Kollabo-Projekts mit Sample-Virtuose Dexter ist im Opener „Der Elfenbeinturm“ feat. Audio88 anschaulich erklärt.
Seinen charakteristischen, brachial-stürmischen Battle Rap-Sound hat er für für dieses Mini-Album eingemottet, stattdessen berichtet Morlockk groteske Storys über „Weihnachten [einer Familie] im Ghettobezirk“ („Ghettoweihnacht„), die Wohnsituation eines Dealers („Pusher„), er beschreibt detailliert die festtäglichen Bräuche einer Mietpartei am Weihnachtsabend („Dinner for One„) und illustriert weitere Alltagsepisoden über Liebe, Schmerz, Verzweiflung und Einsamkeit der verschiedenen Bewohner innerhalb des grauen Plattenbaus. „Man grüßt sich, doch übersieht sich […] und jedes Lächeln kalte Formalität.“
Feature-Schützenhilfe erhält der Wahlberliner von niemand geringeren als Kamp („Der Messi„), Hiob („Müllschlucker„) und Audio88 („Der Elfenbeinturm„). Dexter gelingt es mittels seiner melodischen, samplelastigen Beatkreationen, die melancholische Grundstimmung von Morlockks Storys zu stimmigen und runden Kurzgeschichten zu veredeln.
Als besondere Highlights stellen sich zum einen die tragische Geschichte über das gesellschaftlich geächtete, fremdartige Dasein eines Messis im gleichnamigen Track feat. Kamp sowie der nachfolgende Track „Müllschlucker“ feat. Hiob hervor. Grandiose Beats, erstklassige Features, Inhalte als kunstvoll ausformulierte Lyrik – was den Rest der EP angeht, bleiben ebenfalls kaum Wünsche offen. Ein insgesamt wirklich gelungenes Kollaboprojekt, dem man guten Gewissens fast schon den Wesenszug „Album“ zuschreiben darf.