Und wie es sich für ein richtiges Album gehört, ist der Unterschied zu den Mixtapes deutlich zu hören. „Hallo Deutschland/ Bizzy kommt mit Album und neuem Deal an/ Neues Spiel, neues Glück, neue Liebe/ ein Freund von Niemand.“ Das hört sich nach einem kompletter Neuanfang an, und richtig,“Gift“ schließt tatsächlich mit der Vergangenheit ab und schlägt ein neues Kapitel auf. „Nie wieder im Halbschlaf/ vergiftet vom Alltag/ endlich richtiges Business und nicht mehr auf der Jagd nach Altglas.“
Trotz aller Veränderungen legt Bizzy aber großen Wert darauf, sich treu geblieben zu sein, wie er auf „Alles beim Alten“ betont. Das Album zeigt über weite Strecken dann auch tatsächlich den Bizzy, den man bisher kannte. Nur die Textinhalte haben sich etwas verändert und an seiner Technik hat der Mühlheimer auch gefeilt.
Auffällig ist, dass „Gift“ viele Facetten von Bizzy zeigt. Von nachdenklichen, gern auch mal melancholisch angehauchten Songs über Mut-Macher-Tracks und Liebeserklärungen bis hin zu harten Ansagen ist alles dabei. Der Mühlheimer verwendet leicht verständliche Worte, die auch bei weniger denkfreudigen Zuhörern nicht zwangsläufig zum Kopfrauchen führen. Die Botschaften sind klar, deutlich und unmissverständlich. „Ich pumpe die Bars und jede Rettung kommt zu spät wie Nachbeben/ Unwetterwarnung/ Ich lass Fluten aus den Wolken brechen/ Blitze zucken und schlagen ein“, rappt er etwa auf dem angriffslustigen „Perfekte Welle“ in einem Pathos, der auch einem gewissen Vega, seit kurzem bekanntlich Labelkollege von Bizzy, gut zu Gesicht stünde.
Der eine oder andere Diss ist auch dabei, es wird aber nicht gezielt auf bestimmte Rapper oder Labels gefeuert, sondern offengelassen, wer wohl gemeint sein könnte. Überraschenderweise spielen seine früher oft thematisierten Alkohol-Exzesse keine Rolle auf dem Album. Anscheinend hat Bizzy mit diesem Themenkomplex abgeschlossen.
Der mit Abstand stärkste Track heißt „Was du willst“. Hier gibt Bizzy überzeugend den Mutmacher. Nicht aufgeben, weiter machen und daran glauben, es schaffen zu können – das ist die Botschaft, die der Song eindringlich und glaubwürdig vermittelt. „Lasst uns aufstehen, rausgehen und die Faust heben/ Nur für uns selbst, Jungs, und nicht aufgeben/ Lasst uns nur einmal nicht das machen, was wir sollen/ sondern nur einmal einfach das machen, was wir wollen.“ „Stress“ und „Was du willst“ bieten gutes Storytelling und seine Vorbilder bekommen ebenfalls einen eigenen Track mit dem Namen „Engel“ gewidmet. Unter anderem nennt Bizzy 2Pac und ODB als Helden, die sein Leben begleitet und geprägt haben.
Die meisten Beats stammen von Chakuza/Beatlefield und Bizzy himself. Auch Freunde von Niemand-Kollege Johnny Pepp und der Berliner Produzent Abaz haben Hand angelegt. Der Großteil des Sounds ist ziemlich synthielastig, gerne auch pathetisch-getragen. Die Handschrift der österreichischen Produzenten ist in der gesteigerten Musikalität von „Gift“ lesbar: Die Songs bauen sich oft langsam auf, auch längere Einleitungen vor Beginn der Strophen sind keine Seltenheit.
Mit „Gift“ schärft Bizzy Montana sein Profil als Rapper weiter. Schon zu egj-Zeiten hat man ihn zu Unrecht in die Straßenecke gesteckt, jetzt spielt er noch befreiter auf und schert sich keinen Deut um vermeintliche Genre-Grenzen, sondern setzt einfach auf die guten, alten Basics: Guten Flow und guten Rap. Deshalb: Gutes Album.