Ich war nie Kollegah-Fan. Ich hatte auch nie etwas gegen Kollegah. Seine Qualitäten hielten sich in meinen Ohren schlichtweg die Waage mit seinen Schwächen, so dass am Ende stets ein 50/50-Produkt dabei herauskam, das zwar irgendwie interessant war, mich aber nie voll überzeugen konnte.
Das änderte sich mit „Imperator“ dann zum Negativen – die Schwächen überwogen plötzlich, die Stärken waren nur noch rudimentär zu erkennen. Seine Selbstüberhöhung, die bis dahin durch ihren Wahnwitz eigentlich immer unterhaltsam war, hatte viel zu überdimensionale und ernsthafte Ausmaße angenommen.
Aus dem muskulösen Zuhälter wurde der omnipotente Imperator, eine Rolle, die Kollegah zu überfordern schien: Zu verkrampft und unkreativ war der ehemalige Boss geworden. Ihm zuzuhören machte trotz endlich wirklich hochwertiger Beats und der fast auf null reduzierten Flowfehler keinen Spaß mehr. In meinem Kopf wurde das Kapitel Kollegah abgehakt, der Peak war ohnehin bereits mit „King“ erreicht.
Doch dann plötzlich das: das Medley-artige „Legacy“ ließ mich wieder aufhorchen. Trotz autobiographischer Ich-hab’s-geschafft-Stories und Überlänge hörte ich ihm wieder zu. Besonders die Passage gegen SpongeBozz ließ alte Stärken erkennen: Gewitzte Rhymes, herablassend-beiläufige Punchlines („Du richtig blasser Krüppel brauchst schon Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50, nur um dir ne Kippe anzuzünden„), ignorante Überheblichkeit. Und das alles ohne den Stock im Arsch, der die letzten Songs so unhörbar machte. Vielleicht hatte ich Kollegah doch zu voreilig abgeschrieben, dachte ich mir.
Keine zwei Wochen später geschah dann das für mich fast Undenkbare: „Voulez Vous coucher avec MOIS“ mit Ali As, Pretty Mo und Seyed im Rücken gefiel mir richtig gut! Alleine der synthetische LoFi-Loop aus den Maschinen von Figub Brazlevic drückt bei mir schon alle Knöpfe. Die vier Protagonisten wachsen darauf über sich selbst hinaus. Einfach, weil man ihnen die Lockerheit und den Spaß an der Sache sofort anmerkt. Auf Ali As und Pretty Mo kann man sowieso immer zählen, wobei es ersterem auch gut tut, sich nicht zu sehr in Songstrukturen zu verlieren und jede Zeile tot zu denken, selbst Seyed, dessen Debütalbum wirklich gar nicht ging, klingt angenehm, und vor allem: Kollegah wirkt wie ausgewechselt.
Der leicht kratzige Stimmeinsatz klingt endlich mal wirklich laidback – noch weit mehr als die ignorante Art zu Beginn seiner Karriere. Man hat zum ersten Mal überhaupt das Gefühl, dass Kolle wirklich Bock drauf hat, zu rappen. Dass der ganze Song aus einer einzigen Reimkette besteht, die schnellen Wechsel zwischen den Parts lässig kommen und die ein oder andere Punchline wirklich witzig ist, ist gar nicht der Punkt. In erster Linie fasziniert mich, dass Kollegah plötzlich ohne jegliche Anstrengung über Beats gleitet und einfach klangvoll statt verkrampft rappt.
Auf „Guccisandalen“ kam dann der holprige Kollegah zwar wieder etwas zum Vorschein, auf dem darauf folgenden „Bitch wir sind Alpha“ klang er dafür entspannt wie nie zuvor.
Er spielt mit seiner Stimme – okay, die immer gleich zulaufenden Betonungen sind Geschmackssache und würden auf Albumlänge extrem nerven, aber hier funktioniert es hervorragend. Er setzt Reime extrem auf die Phonetik bedacht ein – „Ich fahr relaxt im Benz lässig lenken zum Rapevent“ – das klingt einfach krass. Anglizismen-Filler sind zwar immer etwas schwierig, tun hier aber überhaupt nicht weh, obwohl der ganze Track damit gespickt ist. Endlich haben die Reime einen Klang, es geht nicht mehr darum, dass Streberkids erklären können, am Ende der Zeile stehe ein achtsilbiger Nomenreim.
Solche Dinge sind es, die letztendlich wirklich zu der Lockerheit beitragen, die Kollegahs Musik für mich plötzlich gut macht. Es muss nicht laidback sein, aber es darf einfach nicht mehr klingen, als hätte er den Text in einer Excel-Tabelle zusammengefriemelt und dann 1000 Takes zum Einrappen gebraucht. Und das tut es nicht mehr.
Bisher steht das „Golden Era“ Tape also wirklich unter einem guten Stern und ich bin, so schwer es mir auch fällt, das zu sagen, wirklich ziemlich hyped. Verdammt.