Als mir aufgetragen wurde, eine Review über das neue Beginner-Album „Advanced Chemistry“ zu schreiben, musste ich an ein altes Zitat der Hamburger Crew denken: „Die Kritik an den Platten kann die Platten der Kritik nicht ersetzen“. Recht haben sie. Doch auch wenn die Beginner immer noch nicht davor zurückschrecken, Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen zu üben, kann eine Review über ihre neue Platte nicht ohne Kritik auskommen.
Natürlich ist es immer schwierig für Rapper der alten Schule, sich in der stetig wandelnden Deutschrapszene zu behaupten. Entweder wird ihnen vorgeworfen, sie seien sich nicht treu geblieben und würden einfach nicht mehr so wie früher rappen. Oder, dass sie nichts Neues mehr zu erzählen hätten und keine Entwicklung zu sehen sei. Irgendwas lässt sich immer finden.
Gerade Rap-Fans sind da eine schwierige Zielgruppe. So mancher HipHop-Head schwärmt noch heute von der „guten alten Zeit“, als Jan Delay noch Eizi Eiz hieß. Als die Beginner noch politisch waren bzw. als man ihnen ihre politische Haltung noch abgekauft hat. Als sie die erste Deutschrap-Crew waren, der es mit „Blast Action Heroes“ gelang, auf 1 in den Album-Charts zu landen.
Nun sind sie zurück, doch das Gefühl von damals will nicht so ganz aufgekommen. Sie sind nicht die einzigen Rapper, deren Comeback nicht nur wohlwollend aufgenommen wurde. Auch andere Kollegen ihrer Generation wie Curse oder Mr. Schnabel taten sich schwer damit, wieder Fuß zu fassen, nachdem sie einmal von der Bildfläche verschwunden waren.
Dendemann, der zurzeit hauptberuflich Vocalist der Showband vom Neo Magazin Royale ist, ist wohl der MC seiner Generation, dem es am besten gelang, einerseits peinliche Image- oder Stilwechsel zu vermeiden, andererseits aber auch interessant zu bleiben. Auch in seinem Gastpart auf „So schön“ liefert er wie gewohnt ab.
Was er und die Beginner gemeinsam haben: Schon früher wurden die Hamburger „Fun-Rapper“ von den Berliner Battle-MCs nicht ernstgenommen. Wahrscheinlich sollen die Features mit Gzuz und Haftbefehl dazu dienen, einerseits jüngere Rap-Fans anzulocken und andererseits dem Album etwas Street-Credibility zu verleihen.
Zu den Feature-Gästen zählen außerdem Samy Deluxe und Megaloh, was niemanden groß überraschen dürfte. Außerdem werden Vocal-Samples von Audio88 („Schelle“) sowie Afrob und Ferris MC („Rap & fette Bässe“) verwendet. Auch ein Shoutout von Torch, seines Zeichens Gründungsmitglied der namensgebenden Crew Advanced Chemistry, ist auf dem Album enthalten.
Dass die Beginner in den letzten Jahren das Rapgame aufmerksam verfolgt haben, merkt man auch daran, dass auf dem Album Trap- und Cloud Rap-Einflüsse zu finden sind. Aber auch andere Genres haben den Sound mitgeprägt, ganz nach dem Motto: „Wer HipHop macht, aber nur HipHop hört, betreibt Inzest“. So gibt es einerseits poppige Tracks, die auch aus einem Jan Delay-Album stammen könnten, andererseits lässigen Reggae auf „Schelle“. Der Track „Spam“ hingegen, gibt der Bezeichnung „Opa-Rapper“ eine völlig neue Bedeutung, handelt er doch von einem Thema, über das sich vermutlich auch mein Opa beklagen würde.
Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich das Album musikalisch schlecht finde. Es ist nur so, dass kein Track darauf enthalten ist, den ich mir öfters anhören würde. Abgesehen davon bin ich wie bereits erwähnt auch inhaltlich nicht überzeugt. Man kann den Beginnern angesichts von Aussagen wie „Monsanto ist böse, Monsanto ist der Feind!“ durchaus vorwerfen, politische Probleme allzu vereinfacht darzustellen. Klar, auch früher hatten Denyo, Eizi Eiz und DJ Mad mit der Polizei ein klares Feindbild. Da haben sie sich aber wenigstens noch die Mühe gemacht, auf Songlänge die Gründe für ihre Abneigung zu benennen.
So wird man das Gefühl nicht los, dass sie krampfhaft versuchen, ihre linksalternative Attitüde aufrechtzuerhalten, indem sie ab und zu vom Steinewerfen und ihrem jugendlichen Engagement in der Antifa rappen, aber darüber hinaus kein wirkliches politisches Bewusstsein mehr haben. Das ist schade, gerade, da es zurzeit genug erwähnenswerte Themen auf diesem Gebiet gäbe.
Doch alle, die „Advanced Chemistry“ nicht viel abgewinnen können, und nach wie vor nostalgisch an früher denken, dürfen aufatmen: Für die gibt es nämlich „Foxy Music“, ein als Hidden Track getarntes Mixtape, auf dem die Beginner genau so rappen wie ’98. Dabei verwenden sie auch Beats aus alten Hits wie „Liebes Lied“ oder „Mikro in der Hand“. Das Ergebnis hat mich, als eigentlichen Skeptiker, sehr positiv überrascht.
Man könnte jetzt sagen: Wäre das Album so wie das Mixtape, wäre es genau das, was die meisten alten Fans hören wollen. Aber vermutlich würde dann kein Track im Radio laufen, wie „Ahnma“ es tut. Und abgesehen davon ist es doch völlig egal, ob in Form eines Albums oder eines Mixtapes – es ist auf jeden Fall für jeden etwas dabei, und es ist auch nicht so, dass die Beginner mit ihrem neuen Werk an ihrem eigenen Denkmal rütteln, wie es Samy mit „Männlich“ und seinem Alter Ego Herr Sorge getan hat. „Ich hör‘ nicht auf, und besonders nicht auf andere“ ist aber hoffentlich nicht als Drohung zu verstehen.