Azet – Fast Life [Review]

J’avoue que c’est stylé“, (Ich gebe’s zu: Das ist echt geil!) sagt mein französischer Kumpel Gabriel, während er sich kopfnickend in seiner Zwölf-Quadratmeter-Wohnung in Paris eine Kippe dreht. Gleichzeitig rappt Azet der KMN-Gang aus Dresden die letzten Zeilen aus dem ersten Song „Fast Life“ seiner gleichnamigen EP.

Ende August hat mir Gabriel den Song „Le monde ou rien“, der mehr als 40 Millionen Mal aufgerufen wurde, von PNL gezeigt. Die zwei rappenden Brüder, die PNL formen, haben mit diesem Lied eine Stiländerung des französischen Raps eingeleitet und damit indirekt den Weg zum Durchbruch ahnlicher Künstlern geebnet: SCH und Hamza zum Beispiel. PNL hat mit der klassischen Struktur von Rapliedern – 16 Bars, Hook, 16 Bars – gebrochen, indem sie durch eine melodische Verwendung des Vocoders auch diverse Gesangspassagen in die Rapparts einbauen. Mit seiner Debüt EP „Fast Life“ zeigt Azet, mit gekonntem Vocodereinsatz, wie musikalisch deutscher Straßenrap klingen kann.

Die Autotune-Trap-Hymnen von Fler oder Yung Hurn konnten Gabriel, der die Musik von PNL feiert, nicht überzeugen: Für seinen Geschmack klangen die Songs zu abgehackt, nicht geschmeidig genug. AzetsFast Life“-EP ist das erste Mal, dass er im Deutschrap diese Musikalität findet, die er bei PNL so liebt (und die für ihn maßgeblich die angemessene Verwendung des Vocodereffekts ausmacht).

Auf der „Fast Life“-EP geht es fast nur um die kriminelle Vergangenheit Azets: Während der erste Song „Fast Life“, ein böser Straßenbanger, noch illegale Machenschaften glorifiziert, befasst er sich im letzten Lied „Kopf schrott“ mit den negativen Seiten des Dealens. „Gangster, was hattest du davon?/ Im Besuchsraum zu warten, bis Mama nicht mehr kommt“, fragt sich Azet in diesem Lied. Eine Fragestellung, mit der sich der Rapper schon im wahren Leben konfrontiert sah: Im Oktober 2015 wurde er wegen Drogenhandels und eines Messerstichs nach einer Schlägerei im Dresdener Nachtclub „Musikpark“ zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Hinter Gittern musste Azet jedoch nicht, da er nicht vorbestraft war, die zwei Verbrechen einräumte und von Mai 2015 bis zum Urteil in Untersuchungshaft gesessen hatte.

Aus menschlicher und beruflicher Sicht gibt es vorteilhaftere Ausgangslagen für einen Mittzwanziger. Der „totale Absturz“, der mit solch einer Lebenssituation einhergeht, „sorgt dafür, dass du die Arme ritzt“, rappt Azet in „Kopf schrott“. Gerade künstlerisch gesehen ist es beachtlich, dass er die ganzen Plagen der letzten Monate in ästhetische Musik verwandelt – und sich auf diese Art und Weise dem Hörer emotional öffnet.

Gabriel, der fließend deutsch spricht, hat nicht unrecht, wenn er der Meinung ist, dass der Dresdener Rapper sein Songwriting vielseitiger halten könnte (Das sagte er, nachdem ich ihm das Video zu „Ja Ja“ zeigte.): Azet kann sicherlich mehr als nur den Rauschgifthandel zu thematisieren. In einer EP, die nur sieben Songs hat, ist die mangelnde Themenvielfalt aber zu verzeihen und trägt zur Kohärenz des Werks bei. Auf Albumlänge wäre es jedoch zu monoton.

Ich finde es schade, dass Azet, der Albaner ist, gar kein albanisches Wort rappt, obwohl er gelegentlich arabische und französische Begriffe verwendet“, sage ich zu Gab. Er entgegnet, dass er das nicht schlimm finde und verweist auf Booba, der aus Senegal kommt, kein Moslem ist und überwiegend arabische Ausdrücke verwendet. Verwände Azet anstatt des ausländischen Vokabulars nur albanisches, würde es so gut wie niemand verstehen, erklärt Gabriel.

Zwei wiederkehrende lyrische Elemente, die Azet verwendet, um den roten Faden der EP zu verstärken, sind der Vater und die Mutter. Mama dient als Metapher für Loyalität, Liebe und moralische Instanz: „Denn wenn deine Mutter weint, muss nicht noch ’ne Mutter wein‘“, heißt es in „La La“ mit Niqo Nuevo. Gleichzeitig – und hier fügt Azet der Mama-Metapher, die im Straßenrap allgegenwärtig ist, eine neue Komponente hinzu – schlägt die Mutter den Sohn „mit Gürtel“ (aus dem Song „Ja Ja“). Sie wird also nicht nur auf ihre Tränen oder ihre Tatenlosigkeit reduziert. „Papa“, der „querschnittsgelähmt“ ist, verkörpert das Leiden, das einem Leben mit zu vielen Brüche in der Biographie geschuldet ist (aus dem Lied „Fast Life“). Der Rapper der KMN-Gang zeigt damit eine einfühlsamere Seite des Vaters und erweitert das konventionelle Vater-Bild: Papa ist weder ein Alkoholiker noch einer, der seine Nächsten im Stich gelassen hat.

In einem gewöhnlichen Straßenrap-Album hat der Durchschnittsrapper oft einen bestimmten Flow perfektioniert und zieht ihn durch alle Lieder durch – wie ein Roboter. Das macht Azet nicht: Er variiert fortwährend seine Flows, von Part zu Part und innerhalb der Parts. Gab schätzt am Dresdener mit kosovarischen Wurzeln vor allem, dass er weiche Klänge – häufig Reime, die auf Vokale enden – verwendet und mit seiner Stimme spielt. „Das macht alles viel musikalischer“, sagt Gabriel und ruft als Beweis den Youtube-Link zu „Für Die Familie“ mit KMN-Gang Kollege Zuna auf.

Auch die Instrumentals tragen dazu bei, dass Azets Debüt-EP die deutsche Rapszene revolutioniert – buchstäblich auf musikalischer Ebene. Der Sound hat eine düstere Eleganz und harmoniert mit Azets Stimme und Flows. Als Hörer kann man sich kaum entscheiden, welchen Beat man am besten findet. Die Instrumentals schaffen es auch die Euphorie hinsichtlich leicht verdienten Geldes der ersten Songs genau so wie die Ernüchterung des letzten Lieds zu verstärken. Da haben die Produzenten m3, Zeeko Veteran und Sott einfach hervorragende Arbeit geleistet.

rap.de-Chefredakteur Oliver Marquart findet, dass Zuna und Azetdiesen Straßenflavor sehr zeitgemäß rüberbringen, ähnlich wie in Franzland bei dir da. 🙂“ (Zitat aus einer Mail) Es ist nahezu unmöglich, die „Fast Live“-EP durchzuhören, ohne danach einen Ohrwurm zu haben. Ich werde die EP in der nächsten Zeit auf Dauerschleife hören. Und auch Gab, der schon die Musik von Xatar, Haftbefehl, Karate Andi, Celo und Abdi feiert, freut sich auf neue Azet-Songs.