Nicht ganz unbegründet, fürchtete man schon, er würde den Rest seiner Karriere als ewiger Featuregast und Freestyler an Bushidos Seite verbringen. Bis jetzt, denn mit „Kenneth Allein Zu Haus“ bringt der Rapper vom Bodensee nun plötzlich doch noch, wie aus dem Nichts, sein erstes Soloalbum heraus.Der Name ist Programm: Kenneth ist allein zu Haus. Nicht wie im ähnlich titulierten Film allein im Haus seiner Eltern, sondern in Bushidos Haus. Dieser übernimmt allerdings dann auch gleich im Intro eine, zugegeben, leicht bizarre Vaterrolle, wenn er sich für zwei Wochen von Kay verabschiedet und diesem sehr genervt und mit herrischer Stimme noch einige Verbote und Aufträge mit auf den Weg gibt. So soll der gute Kay um Gottes Willen keine Party feiern und unter anderem auch an den Hund denken. Das erste was Kay dann macht, ist? Genau. Eine Party organisieren, in deren Verlauf dann auch noch der Hund wegrennt usw. usf.
Diese Story entwickelt sich so fort und könnte recht unterhaltsam sein, ist aber letztendlich nur schmückendes Beiwerk, da sie nur in einzelnen Tracks ansatzweise aufgegriffen wird.
„Kenneth Allein Zu Haus“ will aber offensichtlich auch kein Konzeptalbum sein, vielmehr erzählt Kay uns aus dem heutigen, glanzvollen Leben eines Jungen, der es geschafft hat. Geschafft hat, seinen Weg zu machen, raus aus seinem Dorf am Bodensee, an die Seite des erfolgreichsten deutschen Rappers aller Zeiten, wo er nun selbst stolz seinen Traum als Rapstar leben darf.
Trotz allem oder gerade deswegen ist der Style des Albums, wie von Kay im Vorfeld aber auch schon angekündigt, kein Bushido Abklatsch, kein Gangster- oder Streetrapalbum in irgendeiner Form. Dafür ist das Album auch viel zu poppig. Vor Allem die erste Single „Ich Brech Die Herzen“ treibt das sehr auf die Spitze. Eine Mischung aus „Carmen“ und „Zu Spät“, garniert mit Autotune Chören. Ein Song bei dem man erst mal die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und lachen und gleichzeitig weinen möchte, so unangenehm klebrig, so schmalzig und so lächerlich ist das auf den ersten Blick. Irgendwann kommt dann allerdings der Trash-Faktor ins Spiel. Es ist einfach so scheiße, dass es schon wieder geil ist. Unterstellt man Kay nun, diesen Trash Faktor absichtlich erzeugt zu haben, was man gerne glauben mag, dann ist das auch sehr gut gelungen. Das dazugehörige Video, in dem Kay im Boygroupstyle dem Zuschauer seine Hand entgegenstreckt und dabei verschmitzt lächelt – Gänsehaut!
Dieser Tracks fällt allerdings stark aus dem Rahmen und ist keinesfalls stellvertretend für das ganze Album. Dann eher das ebenfalls bereits vorab veröffentlichte „Style und das Geld“. Auf überhebliche, protzige, dabei aber immer noch sympathische Art und Weise, stellt Kay die meiste Zeit die Grundpfeiler seines derzeitigen, augenscheinlich sehr hohen Lebensstandards dar: Hübsche Frauen, teure Klamotten, Partys, Rap, Fans und schnelle Autos. Das macht, vor allem wegen Kays Rapweise und seinen Flows, auch sehr viel Spaß. Man merkt den Tracks an, dass auch der Künstler selbst, an dieser Zurschaustellung seiner Errungenschaften sehr viel Freude hat und diese springt dann einfach über. Die Beats sind poppig, die Melodien eingängig. Das ist unanstrengende Musik für eine breite Masse, an der man schnell Gefallen finden kann.
Aber nicht nur an der spaßigen Hochglanz-Seite seines Lebens lässt Kenneth uns teilhaben. Auch Liebeslieder, Beziehungskrisen, Einsamkeit, Selbstzweifel und ähnliche Themen werden vertont und bilden die andere, eher ruhige Hälfte des Albums. Da gibt es z.B. den Track „Bushido„, der eben diesem gewidmet ist und wo Kay auf einem typischen Liebeslied-Beat mit Piano, Streichern und Snare mit sehr viel Hall, seine Dankbarkeit gegenüber seinem Mentor zum Ausdruck bringt und ihre gemeinsame Geschichte Revue passieren lässt.
Das ist denn auch ein gutes Beispiel für alle Stücke, die auf dieser CD in diese Richtung gehen. Das ist kitschig, zwar gerade noch unterhalb der absoluten Schmerzgrenze, aber nach ein- zweimal Hören ein hundertprozentiger Skipkandidat. Dieser Grat zwischen wirklich deep, bewegend und unterhaltsam auf der einen und oberflächlich, pathetisch und nervig auf der anderen Seite ist ja oft sehr schmal. Während auf dem Album, was das angeht, wirklich auch einige gute Tracks zu finden sind, wie „Noch Zu Lernen“, „Irgendwann“ oder „So Allein“ überschreiten andere diese Grenze irgendwann ganz einfach und stürzen ab. Vor allem in der Masse, nervt es ab einem bestimmten Punkt, zumal sich einige dieser Lieder tatsächlich sehr ähnlich sind.
Das ist dann ganz einfach zu viel zarter Gesang von DSDS-Teilnehmer Philippe und zuviel Piano und man wünscht sich ehrlich gesagt stattdessen ein paar mehr Tracks vom anderen, gut gelaunten Kay.
Als Featuregast ist neben Fler, Nyze, Bushido, Philippe und Benny Blanco auch Frauenarzt zu Hören. Da fragt man sich dann zu Recht, ob so ein Feature auch ohne Atzen-Erfolg hier zu finden wäre? Allgemein könnte man unterstellen, dass das Produkt Kay One und sein kommerzieller Erfolg im anvisierten Teeniegeschäft ganz auf oben auf der Prioritätenliste gestanden haben muss. Künstlerische Aspekte waren da eher nebensächlich, denn das Album ist durchweg glatt, süß und vor allem für die kleinen Mädchen, die verträumt vor dem Bravoposter von Kay sitzen und leise die Texte seiner Lieder mitsprechen. Die vielen, vielen sanften Klänge und Gesangseinlagen werden schon dafür sorgen.
Das ist generell ja nicht unbedingt etwas Schlechtes und bringt hier eben auch viele Lieder hervor, die definitiv gefallen und Ohrwurmcharakter haben.
Herausforderungen, Anspruchsvolles und Stoff zum Nachdenken wird man auf „Kenneth Allein Zu Haus“ allerdings vergeblich suchen.
„Kenneth Allein Zu Haus“ soll offensichtlich vielen Leuten Spaß machen und wenn man einige Lieder schnell skippt, dann tut es das auch. Insofern: Mission accomplished.