Ghanaian Stallion sollte dem aufmerksamen Deutschrap-Fan mittlerweile ein Begriff sein. Der Sohn eines Ghanaers und einer Deutschen ist unter anderem für den Großteil der Produktionen der Megaloh Alben „Endlich Unendlich“ und „Regenmacher“ verantwortlich. Dass der Berliner jedoch nicht „nur“ Live-DJ und Produzent eines Rappers-, sondern ein eigenständiger Künstler ist, wird mit der „Soul Fruits“ Instrumental-EP eindrucksvoll unterstrichen. Wir sprachen mit ihm über den Viva Con Agua-Trip nach Uganda, die Arbeit an der EP und die Wertschätzung von Produzenten.
Du bist in Pisa geboren, in Ghana, Berlin und Freiburg aufgewachsen und hast in Chile und Argentinien gelebt. Inwiefern haben dir die unterschiedlichen Kulturen und Eindrücke beim Musik machen geholfen?
Auf jeden Fall die Vielseitigkeit. Bei meinen Eltern lief immer viel verschiedene Musik. Afrikanische Einflüsse, Reggae-Sachen aber auch Rock. Dadurch, dass ich in verschiedenen Ländern und Kontinenten gelebt habe, hab ich immer alles mögliche aufgesaugt. Und das was einem gefällt, hat man sich aus den jeweiligen Kulturen oder Ländern zusammen gezogen.
Vor kurzem warst du gemeinsam mit Megaloh und Viva Con Agua in Uganda. Wie war die Reise für dich und wie war es, zum ersten Mal auf afrikanischem Boden aufzutreten?
Das ist ein Traum und unter anderem auch das, wofür man das Ganze macht. Gerade wenn man deutschsprachige Musik macht, wie in unserem Fall mit Megaloh, ist es nicht selbstverständlich, dass man in Afrika spielen kann. Auch wenn wir beide afrikanische Wurzeln haben. Das ist einfach möglich, weil du ja auch andere Sachen, außer den Text, repräsentierst. Die Beats und die Art und Weise wie Megaloh rappt ist ja jetzt auch nicht typisch Deutsch, sage ich mal. Da können halt viele Leute was mit anfangen, auch wenn sie es nicht direkt verstehen. Es war einfach Wahnsinn und für mich auch ein Startschuss, weil meine nächsten Projekte auch viel mit Afrika zu tun haben werden.
Auf deinem jetzigen Projekt „Soul Fruits“ ist jeder Song nach einer Frucht benannt. Wie kamst du auf das Konzept?
Ich saß eines Abends bei mir und bin ein paar Beats durchgegangen. Schon immer meinten Leute zu mir, dass ich meine Soundcloud-Seite mal richtig an den Start bringen soll. Ich wusste aber nie was ich dafür verwenden soll. Ich bin ja auch eher ein Produzent, der durch die Arbeit mit einem Rapper bekannt geworden ist, anders als Kollegen wie Suff Daddy oder Dexter, die sich primär selbst als Marke und Instrumental-Beat-Nerds etabliert haben. Deswegen war es für mich etwas schwer, weil meine „besten“ Sachen meistens bei Künstlern gelandet sind. Die kannst du ja dann nicht einfach auf deine Soundcloud-Seite stellen, weil es dann auch rechtlich Probleme gibt. Dann war immer die Frage: „Was mach ich?“. Ich war dann auf der Suche nach Beats, die diesen Instrumental Charakter haben und habe einen namens „Cherry“ gefunden. Dann kam ich auf die Idee, dass das Konzept ja einfach sein könnte, jedem Beat so einen Namen zu geben, auch als Anlehnung von „Soul Food“ und „Soul Fruits“.
Welche Künstler oder Platten dienten als Inspiration für „Soul Fruits“?
Ich würde nicht sagen, dass es konkret ein Künstler war. Aber der Gedanke war natürlich schon, dass man mit diesem Projekt noch mal eine andere Seite zeigt und ich nicht „nur“ der Produzent von Megaloh oder anderen Künstlern bin. Ich will mich auch in diesem Beat-Kosmos einfach ein bisschen etablieren. Dann sind natürlich schon Leute wie Hudson Mohawke oder Flum, aber natürlich auch die Künstler hierzulande wie IAMNOBODI oder Suff Daddy eine Inspiration. Ich würde aber nicht so weit gehen, zu sagen, dass ich die Werke von denen gehört habe und mir gedacht habe: „Sowas muss ich jetzt machen“.
Hattest du einen bestimmten Sound im Kopf und hast du dementsprechend auch gezielt nach Samples gesucht, oder einfach ins Blaue gearbeitet?
Ich hatte den Sound schon ein wenig im Kopf. Ich wusste, dass es Beats sein müssen, die eigenständig funktionieren und die man sich einfach gut anhören kann. Sei es wenn man sonntags in der Küche bruncht, sauber macht oder am Strand ist. Man muss die Beats gut durchhören können, das war das Ziel.
Auf „Pineapple“ wechseln sich trappig angehauchte Drums immer wieder mit warmen Livedrums ab. War es dein Ziel, die beiden Welten verschmelzen zu lassen?
Das ist ja genau das, was meinen Sound eigentlich immer schon ausgezeichnet hat. Wenn man sich die Megaloh-Sachen anhört, gibt es auch diese Fusion zwischen klassischeren-, und neueren Elementen. Das ist das, was meinen Sound meiner Meinung nach definiert und deswegen war das auf der EP auch eine logische Konsequenz.
Hast du bestimmte Kriterien, nach denen du Sounds oder Drums auswählst?
Sie dürfen nicht 08/15 klingen. Ich benutze ungern Sachen, die ich schon vorher 30 Mal bei irgendjemandem gehört habe. Und die Qualität muss einfach stimmen. Das ist das, was man mit der Zeit einfach lernt. Je besser die Qualität der Zutaten ist, desto besser wird auch das Endprodukt. Da steckt viel Sucherei drin, aber irgendwann hat man sich auch ein Archiv zusammengestellt, aus dem man immer wieder schöpfen kann. Das macht auch irgendwie Spaß. Es ist nicht so, dass man sich hinsetzt und sagt: „Ich muss jetzt 15 Tage suchen bis ich eine Snare gefunden habe“. Man archiviert das einfach und erinnert sich, wenn man wieder etwas macht: „Ey, da war doch diese eine Snare die so und so klingt, lass uns die doch noch mal verwenden“.
Die Vocals auf der EP stammen ausnahmslos von der Sängerin Grace Risch. Wie sehr war sie in die Arbeit an der Platte involviert?
Grace gehört quasi schon zum erweiterten Team, wir haben ja schon auf „Endlich Unendlich“ und „Regenmacher“ mit ihr zusammengearbeitet. Wir sind gute Kollegen und verstehen uns gut. Sie mag den Sound den ich mache und ich mag, was sie daraus macht. Egal was ich ihr schicke, sie hat noch nie etwas zurück gesendet, was ich nicht mochte. Sie bietet immer sehr viel an und ist sehr dankbar.
Bist du sehr perfektionistisch bei der Arbeit oder lässt du einen guten Beat, an dem du aber nur kurz gearbeitet hast, auch mal so wie er ist?
Das kommt ganz drauf. Auf den Beat und auf das Projekt. Wenn man an einem Major-Album wie „Regenmacher“ arbeitet, sitzt man natürlich auch mal länger an einem Song oder an einem Beat, da man das natürlich auch sehr an den Künstler anpasst. Es gibt aber auch Songs, wo es relativ schnell geht. Man hat eine Idee und die funktioniert sofort. Man kann dann natürlich noch kleine Sachen machen, aber der Beat funktioniert auch schon so. Ich bin schon perfektionistisch und will das alles was rausgeht auch Hand und Fuß hat. Aber es ist unterschiedlich von Projekt zu Projekt.
Mir fällt es sehr schwer, den Sound deiner EP in wenigen Worten zu beschreiben. Wie würdest du das tun?
Ich tue mich auch immer schwer mit diesen Kategorien. Ich würde sagen, dass das moderner Instrumental Hiphop ist. Man hört Elemente, die an traditionellere Sachen anknüpfen, aber wiederum ist das alles in ein modernes Soundgewand verpackt. Meiner Meinung nach ist es genau das, wie Hiphop 2016 klingen sollte.
Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit an einer Instrumental-Platte von den Produktionen für Rapper?
Der Unterschied ist natürlich ganz klar der, dass du quasi der alleinige Herrscher bist. Du hast keinen Rapper, der dann auch nochmal seine Vorstellungen hat, was aber bei den meisten meiner Zusammenarbeiten überhaupt kein Problem ist, weil ich das ja auch gerne mache. Gerade auch mit Megaloh, wir machen ja viel zusammen und erarbeiten den Sound zusammen. Da ist es nicht so, dass ich irgendwas mache und darauf warte, bis er Ja oder Nein sagt. Aber klar, bei so einer Instrumental EP bist du viel freier. Es geht darum, ein Gefühl zu transportieren, was auch ohne Vokalisten funktioniert.
Du hast mit deinen Produktionen einen großen Anteil am Erfolg der letzten beiden Megaloh-LP’s. Werden die Produzenten, in diesem Falle du selbst, genug für ihre Arbeit geschätzt?
Naja, ich sitze ja jetzt hier im Interview also wird es schon gewertschätzt. Aber natürlich ist es so, dass der Rapper mehr im Fokus steht und ich glaube das wird auch immer so bleiben. Gerade bei einem Megaloh, der ja jetzt auch nicht der schlechteste ist, ist klar, dass man da eher im Hintergrund steht. Aber er kann dieses Album ja auch nicht alleine machen und die Musik, die dahinter steht, macht ja auch jemand. Die, die Ahnung davon haben, wissen das ja auch. Und ich glaube eine Instrumental EP, mit der man sich ein wenig emanzipiert und nicht „nur“ der „Dude hinter einem anderen“ ist, trägt dazu bei, auf anderen Ebenen wahrgenommen zu werden.
Wie verfolgst du generell die Entwicklung des Standings deutscher Produzenten? Die Betty Ford Boys konnten ja zum Beispiel eine komplette Deutschland-Tour spielen.
Super geil auf jeden Fall! Ich finde, das ist eine Entwicklung in die richtige Richtung. Es muss für diese Leute auch eine Plattform geben. Und wenn ich höre, dass die Betty Ford Boys teilweise vor 600 Leuten spielen, mehr als bei manch einem Rapper, dann ist das schon eine feine Sache. Es gibt ja mittlerweile auch viele, die wirklich krasse Sachen machen und auch International ankommen. Zum Beispiel Farhot oder IAMNOBODI, die sich nicht vor der Konkurrenz verstecken müssen.