Dass Rap nicht nur aus Schwanzvergleichen und Herumprollen besteht, zeigt der Kölner Tami, der auf seinem am 15. Januar erschienenen Debütalbum „Habakuk“ verschiedene Themen anspricht, und dabei vor allem seine Erinnerungen und Erfahrungen aus einem bewegten Leben reflektiert. Wir trafen Tami anlässlich des Releases zu einem Interview.
Habakuk ist ja dein bürgerlicher Name, der Name eines biblischen Propheten. Hast du dich mit diesem bzw. seinem Werk (Das Buch Habakuk) auseinandergesetzt?
Ja, zwangsläufig – Habakuk ist ja wie du sagst auch mein bürgerlicher Vorname!
Im Buch Habakuk wird ja vor allem die Frage behandelt, warum der „Gottlose“ (scheinbar) triumphiert und der Gerechte leidet. Fängst du damit etwas an?
Das eigentlich Interessante an dem Buch und an der Person Habakuk ist ja: Habakuk klagt Gott an, weil er die Zustände seiner Umgebung nicht mehr ertragen kann – und nicht, weil ihm, wie zum Beispiel Hiob, persönlich Leid widerfährt, was egoistisch ist. Er benennt die Probleme seiner Zeit, und gerät in Streit – das Rebellische daran ist das, was mir an ihm gefällt.
In deinem Song „Das Buch Habakuk“ kommst du auf jeden Fall eher agnostisch rüber. Was für ein Verhältnis hast du zu Glauben und Religion?
Ich habe einfach versucht, „Das Buch Habakuk“ in die Neuzeit zu übertragen – sozusagen als Klagelied. Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und kann darum nicht sagen, dass es Gott nicht gibt. Das ist auch keine Frage die ich mir stelle; ich frag‘ mich eher wieso der Mensch immer einen Herrscher braucht, dem er es recht machen will. Wieso können wir nicht einfach Gutes tun, ohne gleich etwas dafür zu erwarten. Ich möchte niemandem seinen Glauben schlecht reden – wer bin ich schon. Dennoch habe ich meine Schwierigkeiten mit Religion als einer Institution.
Dein Video „Armlänge“ hat lustigerweise eine mindestens etwas unglückliche Aussage der Kölner Oberbürgermeisterin vorweggenommen. Bist du vielleicht auch Prophet?
Ja, durchaus. (grinst)
Hast du an Silvester von den Vorfällen denn was mitbekommen?
Nein, ich war in Kalk mit meiner Familie bei Freunden. Die meisten Leute in Köln haben es aber auch erst, ich meine, so zwei Tage später mitbekommen.
Und wie beurteilst du die Debatte, die seitdem durch die Internetforen tobt?
Ich muss dazu sagen, dass ich in Köln-Humboldt wohne und lebe, man nennt es auch das „kleine Nordafrika“. Seit der Silvesternacht sind hier immer wieder Kamerateams und Journalisten unterwegs, befragen die Leute und fangen die Stimmung ein. In den Medien wird immer so getan, als ob es ein kulturelles Problem ist und dass man schärfere Gesetze im Asylrecht braucht und so weiter und so fort. Ich glaube, man braucht vor allem ein gesamtpolitisches Umdenken.
Erstens versteh‘ ich nicht, wieso Vergewaltigung, egal von wem oder an wem, so lasch geahndet wird. Und es spricht niemand mehr über die Opfer – also die Frauen! Das Ganze wird instrumentalisiert, um Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten zu machen. Und zweitens: ja, wir haben ein Problem mit jungen Männern auf der Straße, die kriminell sind. Und ja, ziemlich viele haben ein mehr als fragwürdiges Frauenbild. Aber vor allem ist das Problem, dass es in unserer von Krisen gebeutelten Welt im Ganzen an Perspektiven fehlt. Und dieser Frust schlägt sich dann schlimmstenfalls lokalpolitisch nieder. ch finde es sehr bedauerlich, was gerade mit der Gesellschaft passiert. Wir sollten vielleicht einfach wieder mehr miteinander auf der Straße reden, und nicht im Internet übereinander her ziehen!
Deine Eltern sind/waren Bühnenbildner und Sozialpädagogen. Wie sah deine Kindheit und Jugend denn so aus? Locker bis antiautoritär?
Mein Bruder und ich sind sehr frei aufgewachsen. Wir haben ja auch zwei Jahre auf Amrum gelebt – das war die beste Zeit!
Du warst ja in einem Landschulheim für Schwererziehbare und bist danach in ein chaotisches Leben samt Drogenexzesse abgerutscht. Bereust du diese Zeit, oder stehst du da voll dahinter, weil ohne diese Erfahrungen deine Musik nicht wäre, wie sie jetzt ist und du vielleicht nie beim Rappen gelandet wärst?
Ich bin etwas genervt von diesen Fragen, deswegen entschuldigt die kurze Antwort: ich habe zu dem Thema auf dem Album alles gesagt. Wer sich dafür interessiert, kann es sich anhören.
In deinem Album „Habakuk“ steckt viel Vergangenheitsbewältigung. Hast du damit jetzt dadurch abgeschlossen?
Man schließt, glaube ich, nie so ganz ab. Ich stell mich als Vater jeden Tag meiner Vergangenheit, um sie nicht zu wiederholen.
Resultiert deine Antihaltung aus dieser Vergangenheit und was bedeutet Anti für dich überhaupt?
Guter HipHop ist von Natur aus Anti! Die Antihaltung habe ich aber eindeutig von meinem Vater adaptiert. Er ist bei seiner künstlerischen Arbeit auch nie Kompromisse eingegangen, wenn es um die Aussage ging und dann eckt man automatisch an, was aber nicht schlimm ist: dadurch entsteht Streit oder besser ein Gespräch und vielleicht ja sogar eine Einsicht – auf welcher Seite auch immer!
Du hast mit Tatwaffe angefangen zu rappen – um es klassisch zu formulieren: wie kam da der Kontakt zustande?
Über Emek von „Ventura Bros„. Ich hatte ihn gefragt, ob er uns zusammenbringen kann. Tatwaffe war ausschlaggebend dafür, dass ich damals angefangen habe zu rappen. Das erste Firma-Album war mein persönliches „Fenster zum Hof„.
Warum wurde nichts aus der Kollabo?
Zeitlich hat es nicht gepasst, aber es ist nicht vom Tisch. (grinst)
Habt ihr heute noch Kontakt?
Ja, klar. Er bringt auch bald sein Album raus, auf welchem ich auch vertreten sein werde!
Wie darf man sich HipHop in Köln überhaupt so vorstellen? Wie bist du da sozialisiert worden?
HipHop in Köln wächst momentan gesund und macht Spaß. Langsam kommt wieder etwas Struktur in die Szene. Wir haben eine hohe Dichte an guten Beatproducern, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass wir die Beat-Hauptstadt sind! (grinst) Das ist wahrscheinlich Quatsch, fühlt sich aber so an. Ansonsten glaube ich, dass dieses Jahr alles mehr zusammenwachsen wird. Damit meine ich die neuen Leute wie uns von der Sektorwestbüdchengang und die alten Ansässigen, wie Eko oder auch Olli Banjo. Um auf die Frage einzugehen: musikalisch wurde ich durch Äi-Tiem, STF, und Die Firma sozialisiert. Die ganzen alten Sachen haben mich schon stark geprägt.
Etwas erstaunlich ist, dass du offenbar einen guten Draht zu Eko hast. Wie gut kennt ihr euch?
Ich kenne Eko eigentlich nur flüchtig. Wir waren Nachbarn. Als er noch in der Branx gewohnt hat, da haben wir uns auf der Straße gegrüßt. (grinst) Dennoch haben wir inzwischen durch mein Release ein wenig Kontakt, da wir teilweise dieselben Freunde haben.
Ich würde aber gerne mal was mit ihm machen. Eko ist für mich eine der Schlüsselfiguren und eine Deutschrap-Instanz!
Du hast in einem Interview gesagt, dass es dir mit Rap absolut nicht ums Geldverdienen geht – Rap sei für dich alles andere als ein Job. Erhoffst du dir trotzdem, mit deinem Debütalbum „Habakuk“ ein wenig Geld zu machen und eventuell auch mal davon leben zu können?
Nein, Geld ist nicht meine Motivation. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit meiner Arbeit am Theater.
Sonst noch was, was du loswerden willst?
Kurz vor sechs ist der Code! SektorwestBüdchengang 2016.