Was passiert, wenn man dem Regisseur Peter Jackson ein Budget von über 190 Millionen Euro in die Hand drückt und eine überragende Drehbuchvorlage und einen Haufen guter Schauspieler dazu gibt? Er dreht den „Herr Der Ringe“ und kassiert, wie vom Studio geplant, 11 Oscars…
Was hat das mit Kanye West zu tun?
Nun, mit seinem neuen Album verhält es sich ähnlich. Nur die besten Featurepartner, nur die feinsten Samples – der Erfolg scheint ebenso geplant, wie der des Oscar-Abräumers 2004.
In den USA sind sich ja auch alle schon vorher einig gewesen. Das ist das Album 2005. Als „Late Registration“ dann in den Staaten veröffentlich wurde, gab es Bestnoten in allen relevanten Magazinen. Kanye hat es zum zweiten Mal geschafft – ein Klassiker. Kein schöner Job für einen Rezensor: entweder man geht mit der Meinung der Masse konform oder macht sich unpopulär und muss sich vorwerfen lassen, an Geschmacksverirrung zu leiden. Naja, da muss ich dann wohl durch: Denn für mich ist „Late Registration“ ein überdurchschnittlich gutes Album, aber nicht das Album 2005. Für mich ist Kanye West auch ganz sicher nicht der Überproduzent, ist er nie gewesen und wird er auch nie. Warum?
Die Qualität seiner Beats gewinnt er teilweise, indem er aus genialen Liedern, seine netten Samples holt. So ein geniales Lied ist zum Beispiel Curtis Blows „Move On Up“. Kanye verwurstet es in „Touch the Sky“ feat. Lupe Fiasco schon sehr nice, aber die große Leistung sehe ich da nicht mehr. Auch die Art des Produzierens mag zu „College Dropout“ -Zeiten für den einen oder anderen etwas Neues gewesen sein, aber wirklich einen nächsten Schritt geht Kanye mit diesem Album für mich nicht. Tut mir leid. Auch verursacht die Aussage, dass er für seinen Track „Rosis“ auf ein MP3-File aus dem Internet zurück gegriffen hat, bei mir Verwunderung.
Versuchte Kanye bei "College Dropout" noch, lustig zu sein, hat er diesen Versuch nun weitestgehend auf die nach mehrmaligem Hören nervigen Skits eingeschränkt.
Tracks wie „Drive Slow” featuring Paul Wall & GLC, „Crack Music“ featuring The Game oder “Diamonds From Sierra Leone” featuring Jay-Z haben durchaus den Anspruch, etwas auszusagen, und der wird auch erfüllt.
Ach ja, Stichwort „featuring“: Wer den letzten Satz aufmerksam durchgelesen hat, wird einen inflationären Gebrauch dieses Wortes feststellen. Nun, Mr. West hat sich über die Zeit einen großen Kreis an Abnehmern und Bewunderern seiner Beats geschaffen. Aus diesem Kreis rekrutiert er für sein Album die Sahnehäubchen, als da wären: Nas, Jay-Z, The Game, Common, Brandy, Cam’Ron u.v.m. Allerdings muss gesagt werden, dass jedes der Feature optimal zu Kanye und dem jeweiligen Track passt. Insofern ist der Haufen Gäste positiv zu vermerken.
Wäre ich bösartig, würde ich sagen, dass man Dank der Feature auch nicht ständig nur Kanye und seine Art zu rappen hören muss. Die geht mir auf Albumlänge nämlich irgendwann auf die Nerven. Die Diskussion, ob Kanye West nun ein guter MC ist, lässt sich auch nach diesem Album weiterführen. Diejenigen, die das Album hochjubeln, werden das Thema Rapskillz weitesgehend auslassen, die, die es nicht mögen, werden drauf herumreiten. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte, Kanye rappt ganz gut, aber nicht wirklich überragend.
Der Hype, der mittlerweile um ihn entstanden ist, hat ihn in den Mainstream gespült und da wird er als HipHop-Messias gefeiert. Da Kanye trotz aller Kritik immer noch überdurchschnittlich gute Musik macht, hat er sich diesen Ruhm durchaus verdient, auch wenn Rapfans, diese Darstellung nicht verstehen mögen.
Schlussendlich bleibt für mich festzustellen, dass Kanye ein sehr gutes Album produziert hat, das aber nicht besonders innovativ ist und auch mit den Beats auf dem Common-Album nicht ganz mithalten kann.