Interview mit Pimf

Pimf betritt die Bildfläche mit seinem Debütalbum „Memo„, auf dem er sich trotz des jungen Alters als reflektierten und reifen Menschen zeigt. Wir trafen einen sympathischen, mit Gebäck beladenen Pimf zum Interview über den Albumtitel, Motivation und Ehrgeiz und das HipHop-Fan-sein.

Grund für unser Treffen ist das Erscheinen deines Debütalbums, das den Titel „Memo“ trägt. Was macht das Album zum „Memo“?

Memo“ war ein Titel, der ganz am Ende der Produktion gekommen ist, es ist also kein Konzeptalbum oder so. Wir haben am Ende einfach gemerkt, dass es viele verschiedene Momentaufnahmen sind und deswegen haben wir es „Memo“ genannt.

Momentaufnahmen aus der Zeit der Produktion oder von vorher?

Sehr vieles aus der Zeit der Produktion und auch ein Stück weit vorher, aber keine abgeschlossenen Momentaufnahmen – viele laufen also noch fort. Diese üblichen Probleme und Gedanken, die man in meinem Alter hat. Diese Ziellosigkeit und so etwas – das sind ja alles Momentaufnahmen, die noch nicht abgeschlossen sind, sondern noch weiter reichen.

Der Titel impliziert allerdings schon, dass es sich um etwas nur für dich handelt.

Ich weiß nicht, ich kann dir ja auch ein Memo hinterlassen. Aber letztendlich ist es schon ein relativ persönliches Album, auf dem ich sehr viel von mir erzähle, aber ich glaube, dass andere Leute da auch etwas drin finden können. Ich finde, gerade heutzutage gibt es sehr viel Rap nach dem Motto: Wir! Unsere Generation! Wir sind blablabla – das habe ich bewusst nicht gemacht. Ich habe einfach von mir erzählt und vielleicht gibt es den ein oder anderen, der da seine Andockpunkte hat.

Das klingt, als ob du es in erster Linie für dich machen wolltest, oder?

Ja eigentlich schon. Ich hab halt einfach Spaß am Mucke machen. Ich bin gerne alleine, ich sitz‘ gern alleine zuhause und mach meine Mucke und hab dabei meine Ruhe und meinen Spaß. Also entsteht das schon aus dieser Intention heraus, aber natürlich will ich auch, dass möglichst viele Leute das mitbekommen und auf dem Schirm haben – und im besten Fall auch was damit anfangen können.

Das Album ist ja jetzt auch kein Seelenstriptease in diesem Sinne, aber du hast ja offenbar trotzdem beschlossen, deine persönlichen Momentaufnahmen mit den Menschen da draußen zu teilen.

Ja genau. Ich finde es halt gut, wenn du in der Musik persönlich bist, dann kannst du dir ja selbst deine Grenzen abstecken. Wenn ich jetzt zum Beispiel auf der Straße oder nach einer Show mit jemandem plaudere und derjenige wird voll aufdringlich, dann finde ich das immer sehr schwierig, da zu sagen: Hey, pass mal auf, das eine ist die Kunst, das andere ist mir zu privat. In meiner Musik kann ich diese Grenzen selbst stecken, da gehe ich genau so weit, wie ich gehen will und der wird einfach außen vor gelassen.

Hast du denn diesbezüglich eine klare Grenze, die du benennen kannst?

Nein, eigentlich nicht. Das ist situationsbedingt. Da gibt es für mich keine klare Tabuzone

Wenn es dein „Memo“ ist, wieso hast du trotzdem beschlossen Feature-Gäste daran teilhaben zu lassen?

Das sind einfach Jungs, die einfach teil daran hatten. Sowohl in dieser Zeit des Albums, als auch vorher. Zum Beispiel Damion Davis, das ist ein Typ den ich früher, als ich noch jünger war, sehr viel gehört habe und der mich beeinflusst hat. Deswegen ist er auf jeden Fall auch ein Teil von meiner Rap-Sozialisierung, deswegen passt er auch gut da rein. Weil ich das ja auch vorher nicht als Konzept genommen habe, mehrere Momentaufnahmen zu nehmen, war das ja auch keine bewusste Entscheidung. Ich habe halt einfach ein bisschen Mucke mit den Jungs gemacht. Ich war zum Beispiel auf dem Album von Umse, dann haben wir gesagt, wir machen einfach auch was für mein Album. Das waren so natürliche Prozesse, aber sie waren in dieser Zeit auch Teil von all diesen Erlebnissen, die ich gemacht habe.

Ich hatte den Eindruck, dass der Track „Erinnerungsfoto“ so etwas wie das negative Pendant zum Memo darstellt. Da du sagst es war kein Konzeptalbum, war es offenbar nicht so angedacht, oder?

Nein, der Titel „Memo“ kam ja wirklich erst zwei oder drei Wochen vor Abgabe. Ich hatte eigentlich schon einen anderen Titel, aber alle Leute rieten mir, das nochmal zu überdenken. Dann hatte ich einen Song, der „Schöne Grüße“ heißt und der ist einfach eine Art Memo an mich selbst. Anhand dieses Songs kam ich dann einfach auf den Titel „Memo“ – dann war es aber wirklich einfach so: Klack! (schnippst mit den Fingern) auf einmal hat alles Sinn gemacht – von „Erinnerungsfoto“ über „Schöne Grüße“ bis hin zum gesamten Album. Das war vielleicht unterbewusst alles so verankert, dass es am Ende aufgegangen ist.

Du warst ja schon in jungen Jahren als HipHop-Fan unterwegs und pumpst noch immer Sachen, die vor deiner Zeit waren. Wie kommt das?

In dem Bereich in dem ich auch Musik mache, da habe ich den Anspruch, auch Peilung von diesem Bereich zu haben. Also einerseits bin ich einfach wissbegierig was vorher da war, ich will wissen was ich mache und da nicht einfach reinstolpern, wie viele das machen. Andererseits bin ich auch sofort damals, als ich angefangen habe, Rap zu hören, direkt riesen Fan gewesen und hab halt einfach immer mehr gesucht, was ich so hören kann. Wenn du da 2005 sitzt und drei Alben kommen raus, dann hörst du die drei Alben tot, willst aber mehr hören, dann hörst du halt noch die drei Alben von 2004. Ich find’s immer noch geil, wenn ich heute ein Album von 2001 das höre – das kann für mich genau so neu sein, wie ein Album von 2015 – ich mag, das im Nachhinein alte Alben als neue zu hören.

Also bist du schon irgendwo ein Nerd?

Ja, ich zwinge mich nicht dazu. Ich hab immer neue Bereiche, die sich mir erschließen. Aber ein bisschen Nerd muss man dafür wohl schon sein. Aber ich finde auch, jeder Künstler sollte ein bisschen Nerd sein, um halt einfach die Peilung zu haben, was man da für Musik macht. Ich find’s halt einfach schwachsinnig, wenn die Leute kommen und einfach ihren Baukasten HipHop machen und dann denken sie hätten das Rad neu erfunden, weil sie einfach überhaupt keine Ahnung haben, was vor ihnen da war oder andere gerade machen, sondern nur auf sich schauen und dementsprechend so krass überzeugt von ihrem Ding sind.

Kann aber doch auch geil sein, wenn sich jemand arglos und unbedacht austobt, meinst du nicht?

Doch klar, manchmal habe ich auch das Problem, dass ich zu viel schaue was bei anderen abgeht. Man lässt sich natürlich auch unterbewusst immer ein bisschen beeinflussen, das ging mir vor allem früher so. Aber irgendwann schnallt man auch, dass man nicht rappen kann wie Guilty Simpson oder Frauenarzt. Deswegen kann man auch irgendwann gut konsumieren, ohne sich in seiner eigenen Musik krass beeinflussen zu lassen.

Was war denn der finale Schritt von – ich nenne es mal so – VBT-Rapper, der ein Album bei einem Label aufnimmt, beziehungsweise vom Battlerap zum persönlichen „Memo“?

Das war für mich eigentlich kein wirklicher Umbruch. Eigentlich war das VBT der Ausflug. Ich habe mich immer schon eher Richtung „Memo“ orientiert, das VBT war einfach spontan, weil mein Homie Kico teilgenommen hat und ich gerade Zeit hatte. So bin ich dann quasi da rein gestolpert. Battlerap gibt mir aber eigentlich nicht sonderlich viel. Ich habe früher viel Battlerap gehört – Royal Bunker, Beatfabrik und so. Aber mittlerweile gibt mir das nichts, wenn ich Battlerap höre. Ich bin da halt rein, hab das gemacht, bin zurück gekommen und mach jetzt wieder mein normales Zeug.

Im Pressetext wirst du als Phänomen bezeichnet. Bist du ein Phänomen? Wenn ja, wieso?

Ich weiß nicht, gestern hat einer gesagt, ich werde immer als Wunderkind bezeichnet. Jetzt als Phänomen. Eigentlich (zögert) Keine Ahnung, ich rap halt einfach. Das sollten andere Leute beurteilen. Das Rad habe ich auf jeden Fall nicht neu erfunden, ich bin auch keine sonderlich außergewöhnliche Erscheinung, sondern ein ganz normaler Dude. Also ich weiß nicht ob ich ein Phänomen bin, würde ich aber nicht sagen.

Du hast jedenfalls schon in jungen Jahren auf dem Splash! gespielt und hast einige andere Wegpunkte schon beschritten. Was gilt es noch abzuhaken?

Also ich habe zwar keine Liste, aber natürlich hat man ein Paar Sachen. Splash! war zum Beispiel immer ein riesen Traum. Auf der Juice-CD zu sein war ein riesen Traum. Aber da gibt’s natürlich immer eine Menge neuer, cooler Sachen die man erleben kann. Sein eigene Tour spielen wäre geil. Was ja jetzt unmittelbar bevorsteht: Ein Album raus bringen. Wie geil ist das denn? Furchtbar aufregend für mich! Ich glaube da entstehen auch immer wieder neue Ziele, die man sich so setzt. Da muss man sich ja nicht limitieren und auf irgendwas festlegen. Hauptsache es geht irgendwie voran.

Fortschritt ist dir also wichtig?

Absolut! Gerade da wo ich her komme ist es ja eher so Provinz. Da gibt es sehr viel Stillstand. Diese Leute, die nine-to-five arbeiten und am Wochenende auf die Kirmes oder in die Disco gehen und 20 Tage Urlaub im Jahr haben, die sie auf Malle verbringen. Das ist dann das Leben. Das ist ein Punkt für mich, an dem will ich nie stagnieren. Dadurch bin ich als Künstler ziemlich frei mich auszuleben. Gerade wenn ich merke, dass ich träge werde und nicht voran komme, dann probiere ich neue Impulse zu setzen, dass irgendwas in meinem Leben passiert. Deswegen habe ich vor zwei Wochen aufgehört zu rauchen. Ich wollte einfach irgendwas zum positiven verändern.

Auf „Papierflieger“ stellst du dich aber doch als stagnierenden, faulen Sack dar.

Ja, im Bezug auf die Schule zum Beispiel. Ich bin halt ein unfassbarer Sturkopf und wenn ich den einschalte, kann ich auch gut stagnieren und still stehen. So war’s, als mich in der Schule alles abgefuckt hat. Irgendwann hab ich das nicht mehr mitgemacht.

Meinst du, das könnte dir auch mit der Musik passieren?

Ich bin generell ein Typ, der gerne Dinge anfängt, dann liegen lässt und nie fertig macht. Aber ich mache seit acht oder neun Jahren Mucke und habe immer noch unfassbar viel Spaß dabei. Es gibt halt auch immer neue Sachen, die man entdecken und machen kann, deswegen kann ich mir da gar nicht vorstellen, aufzuhören oder den Hunger zu verlieren.