Chakuza will raus. Mit seinem Album „Exit“ grenzt sich der Österreicher nun final ab von der Rapszene Deutschlands und sagt, frei nach einem seiner Nichtfreunde, hallo Musik. Was bei „Magnolia“ seinen Anfang fand, setzt sich nun konsequent fort. Sicherlich ist man da schnell mit Vergleichen bei der Hand, doch da tut man Chakuza definitiv unrecht. Das Soundbild auf „Exit“ ist zu individuell, und das hat auch seinen Grund: Fernab vom Alltag, dem Produktionsstress, dem ganzen Lärm und Druck wurde „Exit“ in einem Bauernhaus, irgendwo in der holländischen Einöde geschrieben und aufgenommen, zusammen mit ausgewachsenen Musikern. Man kann schon fast nicht mehr von einem Soloalbum sprechen. Die Live-Drums sorgen für ordentlich Druck, die Gitarren knarzen bei dem Greifen der Akkorde, der E-Bass sorgt für die wichtigste aller Grundlagen, die Bassline. Natürlich wird dies alles durch elektronische Elemente untermalt, bzw. akzentuiert. Trotzdem ist hier fast alles tatsächlich handgemacht.
Klar, hat Chakuza hier nicht das Rad neu erfunden, aber die Art und Weise, wie er die in seiner Musik vorhandenen Elemente neuordnet und zusammenfügt, macht sie einzigartig. Die Lyrics zeigen ein für Chakuza bekanntes Abbild seiner Gefühlswelt. Das überrascht den Chakuza-Kenner natürlich nicht. Trotzdem hat man den Eindruck, dass Chak weniger verbissen als auf „Magnolia„, weniger depressiv zu Werke geht, auch wenn er nach wie vor kein Sonnenschein ist.
Ganz im Gegenteil: „1000 Dinge„, wenngleich jedes für sich genommen klein, wiegen oft schwerer als ein, zwei große Brocken. Diese Erkenntnis steht am Anfang von „Exit„, und macht sofort klar, warum Chakuza versucht, neue Wege zu gehen. Das Nervenkostüm ist zerrüttet und wird durch dutzende weitere Nadelstiche immer weiter strapaziert. Auch durch die musikalische Untermalung des Tracks merkt man, dass es hier um den Anfang einer Reise geht.
„Licht aus“ zeigt dann, in welcher Richtung der Ausgang zu finden ist und wohin Chakuza sich entwickeln möchte. Manchmal muss man einfach das Licht ausknipsen, um vieles nicht mehr zu sehen und eine Frustrationstoleranz zu entwickeln. Diese lässt einen vieles leichter ertragen und bereinigt die Psyche ungemein und schafft einen mentalen Ausgleich.
Das bereits vorab veröffentlichte „Drehscheibe“ ist ein Schlüsselsong von „Exit“ und beschreibt Chaks Sicht auf die Welt wohl ganz gut. Das Reduzieren der eigenen Träume und Visionen auf ein absolutes Minimum. Die Welt als Drehscheibe, in der sich alles so schnell dreht, das man kaum mitbekommt, was um einen herum abgeht. Solange, bis sie einfach stoppt und Leere vorherrscht. Leere im Kopf und im Herz, also greift man zur Flasche, um das Vakuum zu füllen, was aber nur für neue Leere sorgt. Ein Teufelskreislauf.
Der Titeltrack „Exit“ lässt einen dann endgültig melancholisch werden. Der Veröffentlichungszeitpunkt von „Exit“ ist mit dem Frühherbst durchaus passend gewählt. Die ganzen Eventualitäten, zuviel Unsicherheit. Menschen, die sich von einem abwenden. Wer jetzt kein Haus hat usw.. Gleichzeitig ist er aber auch der Wendepunkt. Am Ende steht nämlich diese Gewissheit: Um aus dem Loch kriechen zu können, muss man die Blase, in der man lebt, in die Luft sprengen. Nur dann kann man sich von diesen Faktoren lösen. Starke elektronische Untermalung, ein Bassdröhnen, das die Ohren vibrieren lässt und den Umbruch auf dem Album auch musikalisch markiert.
Was das musikalische Wachstums Chakuzas eindrücklich beschreibt und die besagte Reise konsequent weiterführt, ist der ebenfalls als Video-Single ausgekoppelte Track „Off„. Hier wirft Chak zusätzlich Ballast von Bord. Sound an – Welt aus. Der Flow des Wieners wird natürlich wieder von seiner sehr markanten, sonoren Stimme dominiert, doch heben die Breaks und das gelegentliche Ausbrechen aus dem Takt hier Vocals deutlich über das Niveau von handelsüblichen Rap-Styles.
Das Feature mit RAF Camora, „Raupe“ beendet dann die Verwandlung Chakuzas. Von der Raupe zur Larve zum Schmetterling. Raus aus der sprichwörtlichen Asche, den künstlerischen und persönlichen Problemen getrotzt. Die Transformation von einer Person, die ihrer seiner emotionalen Sicht auf die Dinge oftmals Hate kassiert, hin zu jemand, der über dem ganzen erhaben und frei drüber steht, um nicht zu sagen thront. Hier beginnt das Ende der Reise. Und in jedem Ende wohnt ein Anfang: Das nächste Kapitel ist nicht weit.
Chakuza trotzt allen Unkenrufen, die ihm Verrat an seiner früheren Musik vorwerfen und entwickelt sich schnörkellos weiter. Die Zeiten von „Eure Kinder“ sind eben lange vorbei. Wir sprechen hier sicher nicht vom traditionellsten Rapalbum 2014, aber von einem hochwertigen, sehr schönen Stück Musik mit sehr geschmackvollen Rap-Elementen.