Nicht mal ein Jahr nach seinem Debütalbum „Schwarzer Hoody“ schiebt Shadow030 direkt den Nachfolger hinterher. Der Junge aus dem Märkischen Viertel ist hungrig – das macht sich nicht nur am Fleiß bemerkbar, das hört man auch. „13439“ klingt dermaßen energiegeladen, dass man über die eigentlich offensichtlichen Schwächen locker hinwegsehen kann.
Im Zentrum des Albums stehen die Atmosphäre und die brachiale Power, mit der Shadow seine inhaltlich oft eher nebensächlichen Parts performt. Ein wuchtiger Hijackers-Beat, ein grobes Rahmenthema und seine einnehmende Präsenz reichen dem Berliner aus, um das 14 Tracks umfassende Album von Anfang bis Ende dynamisch zu gestalten. Technisch liefert Shadow erstklassige Flows, die angespannt und mit hervorragendem Timing nach vorne preschen und sich nie hinter dem Beat verstecken müssen. Der Rapper gibt hier den Ton an, nicht das Instrumental.
Dabei sind die Produktionen alles andere als dezent. Dröhnende 808-Bässe und düstere Synthies herrschen vor, gegen Ende des Albums gesellen sich auch organische Samplebeats dazu, die den Sound nett abrunden, stellenweise sogar die spannenderen Songs ausmachen.
„Rhythm Of The Night“ mit Karlsruhes Finest Haze ist eines der bedrohlichsten und unbequemsten Straßenrap-Bretter der letzten Monate oder sogar Jahre. Dabei muss Shadow sich beileibe nicht hinter seinem Gast verstecken, der ebenfalls exzellent abliefert. Auch wenn es dann noch mal etwas reduzierter zugeht, wie auf dem tristen „Himmel, Hölle“, hat Shadow seine starken Momente. Generell sind es die Songs, in denen der Rapper aus seiner Routine ausbricht, in denen „13439“ richtig packend wird.
Das emotionale, ruhige „Porzellan“ wäre auch so ein Moment, würde Sängerin Rola nicht dermaßen am Thema vorbei performen und sich viel zu sehr in den Vordergrund drängen. Weniger ist manchmal mehr, besonders wenn man einen derart textlastigen Part einsingt – da ist kein Platz für derartige Prahlerei mit dem eigenen Stimmumfang. Shadow hingegen, steht auch der ruhige Vortrag gut zu Gesicht. Auch hier haben zwar einige Plattitüden Einzug gehalten, für den Berliner hat aber jedes Wort hier eine offenbar schwerwiegende Bedeutung, wodurch der Song ziemlich mitreißend ist, bis Rola einsetzt. Doch diese Qualität spielt Shadow glücklicherweise auf dem ganzen Album aus.
Er nimmt sich selbst zwar wahnsinnig ernst, Platz für Humor ist hier nicht. Doch genau dadurch wird „13439“ so packend. Für Shadow ist die Straße nicht nur ein Aufhänger für einen Song, das Viertel ist seine Realität und die ist eben nicht witzig. Die Schilderungen sind ebenso authentisch wie unbehaglich. Stellenweise wird es zwar geradezu absurd plump, was nicht zuletzt daran liegt, dass viel mit Bildern gearbeitet wird, aber Shadow gibt sich straight genug, dass das nicht wirklich ins Gewicht fällt oder gar peinlich wird.
Dennoch lässt einen das Gefühl nicht los, das alles schon einmal gehört zu haben. Beats und Raps geizen doch sehr mit Alleinstellungsmerkmalen. Ja, diese Probleme gibt es – Buttlerfly-aber-kein-Schmetterling-Zeilen braucht es echt nicht mehr. Noch ist all das aber irgendwie ziemlich egal. Shadows Zorn und Hunger sind viel zu vereinnahmend als dass man sich an derlei Details stören könnte.
„13439“ ist laut, brutal und authentisch, die kalte, gnadenlose Atmosphäre fesselt. Wenn Shadow030 die stellenweise doch arg austauschbaren Textpassagen künftig ausmerzt und sich in Sachen Beatpicks noch etwas mehr traut, dann kann er sich wohl schon bald problemlos in den Rang der Streetrap-Speerspitze gesellen. Tut er das nicht, läuft er allerdings Gefahr, in der Masse unterzugehen, sobald er das Überraschungsmoment nicht mehr auf seiner Seite hat. Vorerst ist „13439“ aber ein glaubwürdiges, kraftvolles und ernstes Album, das keine Gimmicks nötig hat und sich allein über den wahnsinnig präsenten und charismatischen Protagonisten trägt. Außerdem verdient das an N.W.A.s „Greates Hits“ angelehnte Cover einen Pokal.
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