Die Aufregung um die Anzeige der Linksjugend solid gegen Xavier Naidoo und Kool Savas ist allmählich am abklingen. Gestern wurde bekannt, dass zumindest die Staatsanwaltschaft Mannheim keinen Anfangsverdacht für die von der Linksjugend erhobenen Vorwürfe, u.a. Aufruf zur Gewalt und Volksverhetzung sieht.
Nachdem sich bereits viele Protagonisten der deutschen Rapszene, darunter viele Rapper wie Vega, Fler, Alpa Gun oder Schwartz von Hirntot, aber auch rap.de-Chef Oliver Marquart zu der Angelegenheit geäußert hatten, lässt es sich nun auch Ex-rap.de-Chef Staiger nicht nehmen, in einem längeren Blogeintrag bei Tumblr (der in einer gekürzten Version bei der Online-Ausgabe der Zeit erschienen ist) seine Sicht der Dinge wiederzugeben.
Dabei befasst sich Staiger sehr kritisch mit dem Stein des Anstoßes, dem vielzitierten Hidden Track „Wo sind“ sowie dem künstlerischen Schaffen von Naidoo und Savas insgesamt. „Da wird durchweg einer gewissen Highlander-Romantik gehuldigt, einem völkischen Heroismus, in dem unentwegt Einer aufsteht, Einer sich erhebt, eine messianische Lichtgestalt, der Eine, der von der Vorsehung Auserwählte, der die Massen mitreißt und in die Schlacht führt und am Ende das Dunkle vernichtet (…) dieses Motiv zieht sich durch das gesamte Werk der beiden Künstler (…)„.
Zu dem umstrittenen Song stellt Staiger fest: „Auch das Thema Kindesmissbrauch an sich und seine Verhandlung speziell im Rap-Kontext ist nicht neu. Ein Thema bei dem sich alle Idioten dieser Welt zusammen finden, zu dem jeder eine Meinung hat und zwar vornehmlich die richtige und gesunde: Kopf ab! Da treffen sich dann Nazis und Islamisten, Biedermänner mit gesundem Volksempfinden, Schwerverbrecher, Steuersünder und (normale) Vergewaltiger, immer mit Argument: „Um jeden Scheiß kümmern sich DIE DA OBEN, aber die Kinderschänder lassen sie frei herumlaufen!“ Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema ist das dann allerdings trotzdem nicht, denn gemeint ist hier selbstverständlich der herumstreunenden Kinderdieb, der Kinderschänder, dem man die Perversion schon von weitem ansieht. Dass Kindesmissbrauch in den meisten Fällen sehr viel unspektakulärer, aber nicht weniger schlimm, in der eigenen Familie stattfindet, wird geflissentlich übersehen.„
Auch zu der im Song vertretenen Theorie von angeblichen satanischen Ritualmorden findet Staiger sehr kritische Worte. „Hier ist also einer im Besitz einer tiefergehenden Wahrheit und es wird ein Zusammenhang hergesellt zwischen den Regierenden, Logen, satanistischen Praktiken und realer politischer Macht.
Man muss sich das mal bildlich vorstellen. Herr Naidoo sitzt ein paar Tage vor der anvisierten Studiosession, zuhause vor seinem Computer und entdeckt einen N-24 Dokumentarfilm über satanistischen Kindesmissbrauch, in dem berichtet wird, das führende Regierungskreise in die Fälle verwickelt sind. Wasser auf die Mühlen, denn hat der charismatische Sänger nicht schon lange das Gefühl in Babylon zu leben, einem System, das sich von Gott abgewandt hat und auf seinen Untergang zusteuert. Nun also ein weiterer Beweis. Die Mächtigen dieser Welt treffen sich in geheimen Logen und trinken Kinderblut für den Machterhalt. Xavier zeigt die Doku seinem Kumpel Savas, der ebenfalls schon seit längerem das Gefühl hat, dass hier in diesem Land irgendetwas nicht stimmt. Diffus und unerklärlich. Mit wirklicher Politik, Wirtschaft, ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen mag man sich dann aber doch nicht so recht beschäftigen – zu anstrengend.„
Der gesamte Blogeintrag findet sich hier.