Freunde von Niemand sind mehr als nur ein Label mit zusammengewürfelten Künstlern, die nur auf den eigenen Erfolg aus sind. Von den Fans vergöttert, von der restlichen Rapszene eher bewusst abgegrenzt, geht die Truppe rund um Manager Hadi El-Dor und Aushängeschild Vega einen ganz eigenen Weg im Rapgame und weist damit eine gewisse Ähnlichkeit zu einer Frankfurter Band auf, die besonders in den 80er und 90er Jahren für geteilte Meinungen und Diskussionen in der deutschen Musiklandschaft sorgte. Und genau dieser Vergleich scheint den Mitgliedern Timeless, Bosca, Bizzy Montana, Johnny Pepp, Migo, Cristalbeats und Vega gut zu passen. Von ihren Hörern werden sie für ihre Fannähe und die Identifikation mit der Frankfurter Szene geliebt.
Doch kann dieser eigensinnige Stil auch in der Musik überzeugen? Der letzte Erfolg des Labels kam von Vega, der sich für zwei Wochen in den Top 5 der Charts festsetzen konnte. Ob „Willkommen im Niemandsland“ ebenfalls so erfolgreich beziehungsweise erfolgreicher wird, darf bezweifelt werden. Aber das will der Sampler wohl auch gar nicht unbedingt.
„Wir sind Freunde von Niemand/
doch Feinde von Allen/
die meinen dass man es schafft/
mit Vitamin B/
ohne Zeilen die knallen„
(Migo in „Schloss aus Sand“)
Das Intro sollte ganz nach dem Geschmack der Fans von Vega sein. So beginnt die Platte eher langsam, fast schon träge mit melancholischen Klavierklängen, aber das kennt man ja schon von alten Produktionen des Frankfurter Ultras. Der zweite Part wird von Bosca übernommen, der neben Timeless mit den meisten Parts auf dem Sampler vertreten ist. Der Chef, also Vega, hält sich bei „Willkommen im Niemandsland“ indes eher dezent zurück, überzeugt jedoch mit harten Battletracks, wie „Rap-Böhse Onkelz“ oder das ebenfalls schon bekannte „Halt dein Maul Chab„.
In eine etwas andere Kerbe schlägt der Kölner Timeless, der mit Abstand die abwechslungsreichsten und vielfältigsten Parts auf dem Sampler abliefert. So trauert Timeless in „Foto an der Wand“ musikalisch einer verflossenen Liebe nach, das ganze jedoch ohne hohle Phrasen oder kitschige Lines, sondern mit großen Gefühlen, anspruchsvollen Metaphern und einer beeindruckenden Raptechnik. In „Meine Musik“ zeigt der 21-jährige, dass es auch anders geht. Hier wird gezielt provoziert und angeeckt, ob ihm das jedoch wirklich gut gelungen ist, ist fraglich. Dann doch lieber „La Vida Loca„, einer der stärksten Tracks auf „Willkommen im Niemandsland„: Hier trifft die gewaltige Wut von Timeless auf eine sauber gesungene Hook, was zusammen eine überzeugende Atmosphäre ergibt und damit das Highlight auf dem Sampler bildet.
Neben den druckvollen und wütenden Stimmen der Beteiligten sorgen besonders die düsteren und zum Teil melancholischen Beats für eine ganz eigene Atmosphäre.Der Ex-Ersguterjunge Bizzy Montana steht für die ruhigeren und nachdenklichen Parts. Mit „Kein Licht“ und „War es das wer„, zeigt der Müllheimer, dass die Freunde auch eine nachdenkliche Seite haben. In „War es das wert“ reflektiert Montana vergangenen Taten und fordert mehr Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Der Beat, sowie die Hook sorgen in Symbiose mit dem Thema für den ersten Gänsehautmoment auf „Willkommen im Niemandsland„. Von diesen Momenten folgen noch einige weitere. Der „König der Lüfte“ Bosca hat, wie anfangs schon erwähnt, den größten Anteil an der LP. So rappt er in gewohnter Manier über Themen wie den Frankfurter Pathos, seinen eigenen musikalischen Werdegang oder persönlich erlebte Geschichten.
„Und sie sagen, meine Mucke klinge häufig so gleich/
Und es ist wahr, ich dreh‘ mich häufig im Kreis, doch schreib‘ bis heute kein‘ Scheiß/
Erzähl‘ euch nur, was ich in Nächten so seh’/
Denn die meisten haben nur wenig ihrer Texte erlebt/
Versuch‘, die Bilder zu ordnen von all den riesigen Orten/
Über die letzten Jahre sind es doch zu viele geworden/„
(Bosca in „Sterne zählen“)
Kommen wir zu den letzten Beiden Akteuren auf „Willkommen im Niemandsland„. Migo und dem Niederländer Johnny Pepp, der eigentlich Produzent ist, auf „3 Uhr Nachts“ jedoch zeigt, dass auch die Produzenten im Hause Freunde von Niemand das Raphandwerk beherrschen. Kein überragender Track, doch fällt er auch nicht großartig negativ im Gesamtbild auf. Migo hat einen Part auf dem atmosphärischten Tracks des Samplers. Auf „Schloss aus Sand“ lässt der Produzent und Rapper seine Rockwurzeln einfließen und kreiert eine Gänsehauthook, die nicht jedem gefallen wird, sich aber nahtlos in die Atmosphäre des Samplers einfügt. Besonders hervorgehoben seien an dieser Stelle die Beats, die durch knallende Snares, melancholische Streicher, Chorsamples und melodiöse Klavierklänge eine immer passende Klanguntermalung bildet und für einige Gänsehautmomente sorgt.
Alles in allem haben es die Freunde von Niemand geschafft, einen überzeugenden, stimmigen ersten Labelsampler abzuliefern, der besonders durch seine Beats und Instrumente, sowie die gerade Linie, die verfolgt wird, überzeugt. Bislang in den Medien eher weniger präsente Charaktere wie Timeless oder Bosca bekommen hier die Chance, sich zu beweisen und haben diese Mammutaufgabe neben Größen wie Bizzy Montana oder Vega mit Bravour gemeistert. Besonders der Kölner sticht mit seinen herrvoragenden Parts aus dem Sampler heraus. Ehrlicher Battlerap, präsentiert auf einem epischen Klangteppich und Themen abseits vom Mainstream.