Vorneweg: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was so schmerzhaft am Leben sein soll, dass man diesem Leid einen ganzen Labelnamen widmen muss. Insofern gehöre ich vermutlich nicht direkt zur Zielgruppe von “Rebellismus“. Und wogegen KC Rebell da qua Künstler- wie Albumnamen rebelliert, erschließt sich mir ebenfalls nicht so ganz. Auch nach dem Hören des Albums hat sich daran nichts geändert.
Das Album beginnt mit einem pompösen Orchesterintro und beim Opener “1, 2, 3“ wird nicht weniger dick aufgetragen: Hände gehen hoch, das Volk salutiert, das Ganze selbstredend auf epischen Chorsamples. Dazu eine durchsichtige Anbiederung an die Käufer: “Ich verneige mich vor jedem Menschen, der dass hier bezahlt hat (…) ihr seid gute Menschen!“. Okay. Eins aber lässt sich nicht bestreiten: Raptechnisch sitzt alles. Der Beat lässt genug Raum für KCs kratzige und druckvolle Stimme, auch versteht KC es, einen abwechslungsreichen Flow einzusetzen, ohne dabei unnötig kompliziert zu werden.
Das gleiche Soundrezept funktioniert auch auf der Diss-Orgie “Ich bin krank“. Textlich passiert hier zwar leider nichts besonders spannendes, zeitgenössische Nicht-Rapper-Rapper wie Casper, Blumio und die Orsons und teilweise deren Verwandten werden wenig originell beleidigt. Darüber hinaus erfahren wir etwas über KCs autoerotische Neigungen: „Ich bin wieder mal am Start/und schon wieder mit den allerbesten Parts/ mein Gott, ich liebe meinen Arsch“.
Aber auch wenn der erste textliche Eindruck eher mager ausfällt: KC kann nicht nur flowen, sondern auch erzählen, und das beweist er dankenswerterweise schon auf dem dritten Song “Ein ganz normaler Tag“: Fast fünf Minuten lang erzählt KC mit viel Sinn fürs Detail aus seinem Alltag, und das hat genau die Kinoqualitäten, die man von Streetrap erwartet. Großgeschrieben wird hier die Liebe zum Detail: Von der Studiosession über Stress auf der Straße bis hin zum Sucuk-und-Schafskäse-Frühstück findet alles Erwähnung und sorgt für die nötige Authentizität und Nachvollziehbarkeit.
Geschichten erzählen, das ist überhaupt KCs Ding. Auch dem eigentlich schon 1001-mal durchgerappten Prostitutionsdrama verleiht er auf “Rotblaues Licht“ seine eigene Note, samt einiger nicht allzu vorhersehbarer Wendungen und einem offenen Ende. Die Koks-Ballade “Weiße Fee“ und die Ghetto-Collage “Geschichten aus’m Block“ stehen dem in nichts nach. Und wenn es, wie auf dem Abschlusssong “Adler“, wieder etwas sehr pathetisch wird, dann wenigstens auf einen gebührend epischen Beat mit Braveheart-Sample.
Wer Autotune nicht per se verteufelt, wird auch seine helle Freude an “Amina Koyim“ (zu deutsch etwa: Schwanz in die Fotze) haben, in dem der “mütterfickende Rebell“ wieder im Vordergrund steht. Gerade der elektronische Beat und der stimmig auf den Flow zugeschnittene Autotune-Effekt bieten eine gute Abwechslung zum sonst eher düsteren Klagbild.
Andere Ausflüge glücken hingegen leider weniger, etwa der vermeintliche Clubsong “Bounce“, dessen Beat irgendwo zwischen Panjabi MC und Spielautomaten-Gedudel zu verorten ist. Was wohl ein Clubabriss werden sollte, hört sich spätestens ab der Hook eher nach Kinderreim an: “Ich knalle die Korken, rätätätäm/Der Champus muss fliessen Rebell ist Champ“. Auch Baukasten-Herzschmerz-Texte wie der Kitsch auf “Besser wenn du gehst“ braucht die Welt in etwa so wie halbgare R&B-Sänger. Passenderweise lässt man einen ebensolchen die Hook jaulen.
Davon soll man sich aber nicht irritieren lassen, ebenso wie von den textlichen Aussetzern, die sich unglücklicherweise gerade in den Opener-Songs tummeln. “Rebellismus“ hat zwar mit musikalischer Revolte nichts am Hut. Dafür aber liefert KC soliden, bodenständigen Streetrap der ernsteren Machart à la Vega oder Azad ab. Das ist sein Metier, und wenn dieses Album der Grund ist, wieso er “Ich liebe meinen Arsch“ rappt, so kann ich diese Selbstzufriedenheit nun durchaus nachvollziehen. Und das, obwohl ich wie gesagt vermutlich nicht zur erklärten Zielgruppe gehöre…