Als ich „Tropfen“ auf YouTube gehört habe, ließ es mich völlig kalt. Gerade frage ich mich, wie das sein konnte. Denn als ich „Dreifarbenhaus“ dann das erste Mal durchhörte, packte mich plötzlich jeder Song. Bereits mit dem Albumtitel gelingt Bausa ein großer Wurf: Kaum ein Deutschrap-Album schafft es, seinen Inhalt und Sound so gut und griffig in einem einzigen Wort auf den Punkt zu bringen. Der Name klingt harmlos und nett, dabei heißt so das größte und dienstälteste Bordell Stuttgarts. Genau diese Harmonie im Kontrast zu schmutzigen, ungeschönten Inhalten ist es, die dieses Album so spannend macht.
Soundtechnisch ist „Dreifarbenhaus“ über jeden Zweifel erhaben. Dass Bausa mit einer Vielzahl an Produzenten gearbeitet hat, ist in Anbetracht des runden Ergebnisses schwer zu glauben. Das Album fühlt sich an wie ein großer, zusammenhängender Song, ohne langweilig zu werden oder sich zu erschöpfen. Gorex, SOTT und Co bedienen sich diverser Bausteine und mixen einen Cocktail daraus, der runtergeht wie Öl, ohne dabei im entferntesten nach krampfhaftem Genre-Mix zu schmecken. Ob swing-jazzige Piano-Klänge auf „Bambi“ oder verhallte, gut abgehangene Synthieflächen auf „Wo bist du?“, alles umschmeichelt das Ohr, klingt angenehm und warm.
Bausas angenehme Stimme passt dazu wie angegossen. Makelloser Gesang und melodische Verses, die sich trotz des Spiels mit der Stimme stark von den Hooks abheben, erzeugen ein ungemein musikalisches Gesamtbild, das poppig, aber nie anbiedernd oder kopiert wirkt. Bausa fühlt sich hörbar wohl in diesem warmen, weichen Musikpool, in dem er mal spielerisch plantscht, mal strenge Bahnen zieht, aber nie untergeht. Mit einer angenehm kompakten Länge von 13 Songs erschöpft sich das auch nicht. Der Bietigheimer hört auf, wenn es am schönsten ist, verzichtet auf jeglichen Ballast. So muss das.
Bemerkenswert ist auch seine angenehme Aussprache, die locker und unangestrengt, aber nie unmotiviert und künstlich auf Laidback getrimmt klingt. Gepaart mit der glaubwürdigen, erzählerischen Wortwahl gewinnt man stets den Eindruck, dass Bausa einfach mit einem spricht – gleichzeitig lässt er sich aber eben derart stilsicher auf die Instrumentierung ein, dass er in keine Richtung auch nur ansatzweise Kompromisse eingehen muss und dennoch alles ohne Abstriche perfekt funktioniert. Locker, lässig, bekömmlich, aber definitiv kein seichtes Easylistening.
Besonders interessant wird es dadurch, dass viele der packend erzählten Inhalte verdammt rough und schmutzig sind. „Bambi“ will mit den Löwen, „den größten Asis, vor denen dich deine Mutter warnt“ spielen. Also eine 18-jährige, die mit Bausa und seinen Jungs auf Party fahren will und in ihrem Übermut ziemlich schnell abkackt. Der korrekte Baui fährt die vollgekotzte Teenagerin dann nach Hause, während andere sich an ihr vergehen wollen. Bausa berichtet fesselnd und ungeschönt. Auch bei der Passage, in der er auf „Vermisst“ von seinem zeitweisen Alkoholismus inklusive verranzter Behausung in einer Lagerhalle berichtet, kommt Weghören nicht in Frage.
Gut, nicht jeder Song ist so interessant und faszinierend. Es werden auch einige fadenscheinigere Bilder gezeichnet, etwa bei „Stripperin“, in dem die Faszination für ebendiese „Königin der Nacht“ beschrieben wird. Das ist weder spannend noch innovativ. Ausgelutschter als eine Ode an die verhängnisvolle Liebe zur personifizierten Musik geht es wohl kaum.
Dass Bausa sich gelegentlich auf ausgetretenen Pfaden und in Phrasen verliert, ist aber auch der einzige Wermutstropfen auf „Dreifarbenhaus“. Und um beim Bild des warmen Pools zu bleiben: Ein Tropfen verliert sich schnell in tausenden Litern edlen Wassers.
- Audio-CD – Hörbuch
- Downbeat Records (Warner) (Herausgeber)
Bausa – Wo bist du? (prod. Sott)
Keine Zeit mehr für die Liebe.