Rino Mandingo mag für viele „Dieser eine Battlerapper“ oder „Der, der dicke Frauen diskriminiert! Oder auch nicht…? Hab‘ ich nicht so ganz verstanden“ sein. Im Grunde vereinen beide Assoziationen das, worin Rino den Wert seiner Musik sieht: Provokation. Im Gespräch mit uns erklärt er, warum er es liebt, explizit Frauen und ältere Menschen zu provozieren, dass man im HipHop in Würde altern kann und welcher Deutschrapper am ehesten mit Rakim vergleichbar ist.
Kannst du dich nach all den Jahren immer noch mit der Bezeichnung „Playboy des deutschen Raps“ identifizieren?
Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob das überhaupt jemals irgendwo gesagt wurde. Also, nee. War ich nie, bin ich nicht und will ich auch gar nicht sein.
Vor kurzem hast du „also so könnt ich nicht sein“ releast. Hast du im Schaffensprozess gemerkt, dass du mittlerweile ganz andere Dinge in den Fokus stellst und für relevant befindest als noch bei deinen letzten Releases?
Ja, klar. Durchs Älterwerden und die Veränderung der Welt verändert sich auch die Inspiration, die einen Musik schreiben lässt. Bei mir ist das immer noch sehr fokussiert auf die Frauen-Thematik. Das hat viel mit meiner ersten Beziehung und diverser anderer Geschichten mit dem weiblichen Geschlecht zu tun. Ich hab mich immer untergeordnet und alle Fehler bei mir gesucht. All das hat sich auch in meiner Musik niedergeschlagen. Meine ersten musikalischen Werke waren sehr frauenverherrlichend. Je älter ich wurde desto mehr Erfahrungen hab ich gemacht, natürlich auch mit anderen Frauen. Da hab ich gemerkt, dass Frauen gar nicht so perfekt sind, sondern dass sie auch Scheiße bauen. Und über die Erkenntnis hat sich auch mein Frauenbild gewandelt. Darüber hab ich aber auch meinen Spaß an der Provokation gefunden. Mir macht’s großen Spaß, Frauen zu provozieren. Die Hauptinspirationsquelle ist eigentlich immer die Frau, aber mein Blick auf sie hat sich geändert.
Du hast die „Schwesternmacher“-EP gerade schon angesprochen: Von Müttern und Töchtern bist du seitdem ja noch nicht ganz weggekommen, diesmal stehen sie sich aber im Sinne des Generationenunterschieds gegenüber.
Die Konflikte, die ich in meinen Songs behandle, sind durchs Älterwerden andere geworden. Und je älter man wird desto bewusster werden einem Konflikte zwischen Generationen. Mit fünfzehn ist man in erster Linie der Rebell, der gegen seine Eltern protestiert. Mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem nachrückende Generationen ihre Rebellion auf eine andere Weise gestalten als ich meine damals. Da komm ich in die Bredouille. Man sagt ja, wenn man älter wird, erkennt man, dass Mama damals eigentlich Recht hatte. Zu einem gewissen Anteil ist das auch so. Aber junge Menschen prägen die neue Welt. Das ist auch der Punkt in meinem neuen Album: Einerseits lehne ich dieses Bedürfnis nach Sicherheit meiner Elterngeneration ab: Ausbildung, gefestigter Job, alles Kreative weglassen. Andererseits lehne ich aber auch diese YouTube-Generation ab, die keine Werte mehr mitgekriegt hat. Heutzutage schicken mir junge Rapper ihre Videos zu – kein Hallo, niemand stellt sich vor, sie packen einfach nur einen Link in die Facebook-Nachricht rein. Das ist mittlerweile anscheinend normal. Ich rege mich zwar manchmal darüber auf, aber dann denk ich mir, ich sollte kein hängengebliebener, alter Oldschool-Nostalgiker sein.
Gerade weil du dich fürs Album so viel mit Generationenkonflikten auseinandergesetzt hast, wäre es spannend zu wissen, wie du selbst damit umgehst, wenn dir nahestehende, ältere Menschen, vielleicht auch aus der Familie, eine Sache in deinen Augen recht unklug angehen. Meldest du dich da zu Wort oder lässt du das für den Familienfrieden bleiben?
Lange war ich auf Familienfrieden bedacht. Ich war aber letztens bei meinem Vater. Eigentlich lässt er sich nichts sagen und hat HipHopper verurteilt, nach dem Motto „Du nimmst ja sogar Drogen, was soll ich denn auf deine Meinung geben?“ Ich konnte mich letztens das erste Mal vor ihm gerademachen. Auch auf die Gefahr hin, dass sich unser Verhältnis verschlechtert. Aber es hat sehr gut getan, ihm sagen zu können, was ich denke. Ich bin der, der ich bin. Es ist schade, wenn er das nicht akzeptiert, aber so ist es nun mal.
Hast du ihm all das erklärt oder warst du da eher auf Konfrontationskurs?
Erklären kann man das schlecht. Ich glaube, Männer kämpfen darum, dass ihr Vater stolz auf sie ist. Mein Vater feiert dieses Rap-Ding nicht und akzeptiert nicht, dass hauptsächlich das meinen Lebensinhalt darstellt. Ich hätte ihm das noch so ausführlich erklären können, aber darum ging es nicht. Es ging um das Statement. Ich kann für mich selbst sorgen und wenn er das nicht gut findet, dann ist das egal, aber er soll damit leben. Das musste er erstmal schlucken, aber im Nachhinein war das sehr gut, glaube ich.
In „Tüffel tuten“ rappst du Zeilen wie „Hab aber Zeit für ’nen Block und ’n Selfie, hier geht’s um mich, Dicker, was dritter Weltkrieg?“ Wie bringst Du Unterhaltung und Reflexion in eine ausgewogene Balance?
Ich möchte nicht stumpfe Unterhaltung bieten – Ich will den Leuten auch gern was mitgeben, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger. Ich halte mich nicht für allwissend oder prädestiniert, irgendwen zu belehren, aber ich hab ja ein bisschen Lebenserfahrung und die teile ich gern. Ich versuche das so anzusprechen, dass der Hörer einen Kloß im Hals bekommt, aber auch mit einer gewissen humoristischen Attitüde.
Wie konkret gehst du das an?
Alles, was ich tun kann, ist meine Sicht auf die Dinge mitzuteilen. Ob Leute diese Meinung teilen, ist dann deren Sache. Ich gehe da zum Beispiel auch über die Wahl der Titel. Niemand würde seinen Song „tüffel tuten“ nennen. Ich benutze Begriffe, die mich persönlich geprägt haben. Mein Stil ist, der Message eine persönliche Note zu geben.
In „deisler“ rappst du „Mama, Bildung ist wichtig, aber hilft mir nicht dabei, dass ich glücklich bin“ Damit können sich sicher viele Deiner Hörer identifizieren. Glaubst Du, dass Faktoren wie Arroganz und Spießigkeit zu diesem gegenseitigen Unverständnis beitragen oder ist es manchmal eher Sturheit von beiden Seiten?
Das ist eine der Fragen, die ich mit diesem Album provozieren will. Hauptsächlich will ich die ältere Generation zum Nachdenken anregen. Die Jüngeren… ja, die kommen schon noch in das Alter. Der Konflikt mit der älteren Generation manifestiert sich für mich am ehesten noch in der Beziehung zu meinen Eltern. Mein Vater sagt immer „Mein Sohn, ich bin stolz auf dich“. Ich weiß zwar, dass er mich liebt, aber ich weiß auch, dass er das mit dem Stolz sagt, weil sich das für einen Vater gehört, aber er meint das nicht so. Zu meiner Mutter hatte ich ein sehr enges Verhältnis. Sie hat irgendwann verstanden, dass das Wichtigste die Bindung zu den Liebsten ist. Deshalb spreche ich in der Hook auch meine Mutter an und sage, dass ich Ausbildung und Studium probiert habe, aber weiß, dass das nichts für mich ist.
Glaubst du, eine von beiden Seiten hat absolut Recht?
Nein, absolut nicht. Ich bin für mich selbst ja auch noch auf der Suche. Ich denke nicht, dass da jemand Recht hat. Mir macht es einfach nur Spaß, in dieser Wunde rumzustochern.
Wenn du mal zu den Älteren gehörst, wirst du nicht auch versuchen, deine Ideale den Jüngeren nahezulegen?
Davor habe ich große Angst. Deshalb versuche ich in regelmäßigen Abständen zu reflektieren, ob vor allem mein Bild auf die HipHop-Szene noch ein gesundes ist. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass es beide Seiten gibt. Kool Savas zum Beispiel stellt sich auf die Bühne und sagt nach jedem Song, HipHop sei tot. So will ich nicht werden. Aber Lakmann zum Beispiel macht mir Mut. Er rappt mit Ende 30 so gut wie noch nie und durchlebt einen zweiten Frühling, der besser ist als der erste je hätte sein können.
Wer sind eigentlich die Menschen, die in den Skits zu hören sind?
Die Statements kommen aus einer Doku über Oranienburg („Alles aussteigen: Ein S-Bahnhof und die Wende“), in der es um den Strukturwandel der Wendezeit geht, gerade auch um die ältere Generation, die sich eigentlich schon auf die DDR eingestellt hatte. Nach dem Zusammenbruch wurde alles um sie herum neu, das Weltbild aber war gefestigt. Die Doku handelt davon, wie Menschen mit so einer Situation umgehen.
Zum Video zu „Tsubasa“ und zu „PS Longboardi“ stellten sich mir noch ein paar Fragen: Würdest du lieber all deine Erinnerungen an „Sailor Moon“ löschen oder jeden Tag die gleiche Folge „Captain Tsubasa“ gucken?
Schlimmer wäre, jeden Tag das gleiche gucken zu müssen. Es waren aber beides Animes, die mich sehr geprägt haben. Ich fand „Sailor Moon“ cool, aber auch „Captain Tsubasa“ war nice. Dass ich beides mochte, war damals eher ungewöhnlich. Vor allem durch Sarkasmus und versteckte Wortspiele in meiner Musik versuche ich, meinen bescheidenen Beitrag gegen diesen Konformitätsgedanken zu leisten.
Würdest Du lieber eine Show auf VOX moderieren, die sehr viel Geld investiert, um Dich cool und erfolgreich aussehen zu lassen, aber trotzdem nach drei von sechs angelegten Folgen abgesetzt wird, oder auf RTL2 naive Frauen für Deine Promozwecke instrumentalisieren?
Bei beidem denk ich mir „Also so könnt ich nicht sein“. Ich würde zusehen, dass ich die Show auf VOX nutze, um in der letzten Folge eine spontane Ansage zu machen, um mit einem Krachen abzutreten.
Würdest Du lieber für immer mit Deiner Freundin im Partnerlook rumlaufen, der aus wallenden, weißen Stoffen besteht, oder hättest Du lieber für immer die gleiche Frisur wie sie?
Lieber die gleiche Frisur. Ich treib mich oft in dreckigen Ecken rum, da müsste ich die weißen Klamotten ständig waschen. Ist ja auch nicht gut für die Umwelt.
Was denkst du: Welcher Deutschrapper ist am ehesten mit Rakim vergleichbar?
Da muss ich mich jetzt outen. Ich weiß gar nicht so genau, wofür Rakim steht. Wahrscheinlich für Originalität, legendären Oldschool und Technik. Bin ja auch im Deutschrap nicht so Oldschool-bewandert, aber ich würde mich für Kool Savas entscheiden.
Zum Schluss möchte ich dich noch um einen Rat für diejenigen bitten, die sich bisher noch nicht mit dir befasst haben: Welche Umgebung oder Situation empfiehlst Du, wenn man „askins“ einmal ganz durchhören möchte?
Ich würde den Klassiker empfehlen: Autofahren. Ist schon ganz nice, wenn man eine verlassene Straße hat und sich treiben lassen kann. Würde mich freuen, wenn Leute sich „askins“ mal alleine anhören würden; es ist auf jeden Fall kein Partyalbum.