Ahzumjot ist schon recht lang im Game. Und er macht sich Gedanken darüber – große. In einigen seiner älteren Tracks spricht er selbst darüber, wie hart es sein kann, Menschen mit dem, was man so macht und liebt, zu erreichen. Vor allem auf lange Sicht. So hört sich das in Lines wie „Dieses Jahr 27, dieses Jahr, Mama, schaff ich’s. Dieses Jahr, Mama, schaff ich’s. Was wenn nicht? Ja, dann lass ich’s, schwör’s dir – Oder auch nicht“ aus „Schwör’s mir“ jedenfalls an.
Aber insgesamt geht es für Ahzumjot sichtlich bergauf. Vor allem, seit er sich freigemacht und begonnen hat, in so kurzer Zeit seinen Style neu zu definieren. Gerade deshalb hab ich mich wahnsinnig auf „Luft & Liebe“ gefreut.
Vorneweg: Ich liebe „16QT02: Tag Drei“. Sehr. Mit dem Tape auf dem Ohr lief ich zahllose Male durch die Straßen Moskaus und fragte mich, wie passioniert man von der Muse geküsst worden sein muss, seine Gefühlslage so präzise und doch einfühlsam übermitteln zu können. Manchmal habe ich mich dabei erwischt, wie mein Gemüt etwas trüber wurde, wenn es die Gedanken in den Texten auch wurden und andersrum genauso. Ich hab richtig mitgefühlt. Der starke, neue Sound von Ahzumjot hat dazu sicher zu einem großen Teil beigetragen. Sowas hab ich davor noch nie gehört.
Jetzt hörte ich mir „Luft & Liebe“ an und mir sprang ein Déjà-Vu nach dem anderen entgegen. Was an der letzten EP noch neu war, fühlt sich jetzt teilweise schon auserzählt an. Es geht immer noch hauptsächlich um Loyalität, Realness, Selbstkritik und auch ein bisschen um Geld.
Oft genug hat Ahzumjot bewiesen, dass er ein Tausendsassa ist, der neben tiefgründigen Texten, die nie prätentiös und selten pathetisch wirken, auch noch richtig nice Beats zusammenbasteln kann. Wie versatil er mit Musik umgehen kann, hat er in früheren Releases jedenfalls mehr raushängen lassen. Das ist im Hinblick auf „Luft & Liebe“ aber vielleicht gar nicht so schlimm. Das Album ist zum Großteil ruhig gehalten. Da fallen Tracks wie „Limbo“ und „Geh nicht“, die deutlich mehr nach vorne gehen als die meisten anderen, definitiv auf. Letzterer Track fällt in meinen Augen auch im Gesamtbild am meisten auf – Vor allem wegen des unfassbar ehrlichen und aufrichtigen Inhalts, der mir richtiggehend Gänsehaut verpasst.
Auf „16QT02: Tag Drei“ gibt es einen Track – „Montag“ -, der den gleichen Drumbeat hat wie das Ende von „Geh nicht“. Die beiden Tracks sind dadurch musikalisch verbunden, aber auch thematisch ähneln sie sich. In „Montag“ spricht Alan von seiner eigenen Selbstbezogenheit und wie er seine echten Freunde vernachlässigt, in „Geh nicht“ wird die Lage noch ernster, denn sein Fehlverhalten scheint jetzt konkrete Auswirkungen auf jemand Geliebtes zu haben.
Die Emotionalität, vor allem auch die unangenehme, mit der Ahzumjot so offen und wortgewandt umgeht, lässt einen selbst an der Situation teilhaben. „Ja, ich weiß, du findest kaum Platz nur für dich, aber geh nicht“ – Wer gibt sowas schon zu? Ich fühle mich in meine kleine Ahzumjot–„16QT2: Tag Drei“-Gefühlswelt zurückversetzt. Gutes Gefühl.
Eine Line aus dem Titeltrack „Luft & Liebe“ hat mich besonders gepackt, mich kurz den Atem anhalten lassen: „Man sagte sein Leben lang, man kann nicht von Luft und Liebe leben. Ich schwör, ich kann’s.“
Vielleicht fällt mir diese Line gerade deshalb auf, weil es auf meiner heißgeliebten EP von letztem Jahr auch viel um die Rapszene und die Abgrenzung von ihr ging. Von Luft und Liebe lässt es sich aber doch nur leben, wenn man die Luft auch tief einatmet und sich für Liebe öffnet. Es geht nicht mehr um ein Anti-Bild. Es geht um die Integration der Dinge, die quasi ständig um einen herum sind, in das eigene Mindset. Das ist anders. Gut anders.
Versteht mich nicht falsch: Ich will nicht sagen, dass die meisten Tracks auf dem Album nicht tief oder real sind. Meine Frequenz schwingt wohl eher mit „16OT02“ als mit „Luft & Liebe“ mit. Vielleicht war es das damals so Neue, was mich fasziniert hat; vielleicht will es sich kein zweites Release mit recht ähnlichen Themen in meinem Kopf gemütlich machen. Vielleicht muss man Ahzumjot aber auch einfach fühlen und gar nicht rationalisieren.
Jedenfalls gibt es meiner Meinung nach Glanzpunkte im Album, die von mir bisher unentdeckte Facetten von Ahzumjot aufzeigen. Er hat seinen ganz eigenen Sound etabliert, der ihn unverwechselbar macht. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass jeder, der Ahzumjot fühlt, sich auf ihn einlässt und modernen Sound ohne Anbiederung an den Mainstream liebt, auch „Luft & Liebe“ mögen wird. Schwör’s dir.