Mit „Lila Samt“ veröffentlichte die linksradikale Berliner Rapperin Sookee ihr viertes Soloalbum. Wer sich mit ihr schon etwas näher beschäftigt hat, weiß, dass die Farbe Lila in ihren Outfits selten fehlt. Abgesehen davon symbolisiert sie die Frauenbewegung und ist die Mischfarbe aus Rot (Mädchen) und Blau (Junge). Die Rapperin mag es, die Grenzen ziwschen männlich und weiblich verschwimmen zu lassen und damit zu spielen, wie schon die Alben „Quing“ (2010) und „Bitches Butches Dykes & Divas“ (2011) zum Ausdruck brachten und bewegt sich damit auf anderen Pfaden als ein Großteil der Rap-Szene, der beispielsweise angesichts einer Conchita Wurst vom Untergang des Abendlandes träumt.
Sookee setzt sich auch abseits ihrer Musik für sogenannte Randgruppen ein, was unter anderem auf ihrer Facebookseite nachzuvollziehen ist. Auch auf ihrem neuen Album wird deutlich, dass die junge Berlinerin gegen Diskriminierung jeglicher Art ist, sie äußert das aber verglichen mit früher auf spielerische, leichte und nicht unbedingt angestrengte bzw. anstrengende Weise. Exekutiv produziert wurde das 14 Track starke Album komplett von LeijiONe, die gerne Dubstep- und Grimelastigen Beats stammen unter anderem von Majus Beats, Pitlab und Beat 2.0.
Auf das sanfte Intro folgt „Lass mich mal machen“. In diesem kritisiert Sookee den oft scharfen Ton in der Hip Hop Szene und die Diss-Mentalität vieler Rapper, wobei sie auch klarstellt, dass es ihr nicht darum geht, sich selbst über andere zu stellen und den schlauen Zeigefinger zu erheben.
„Mir geht‘s um Irritation und Stabilität
Euch geht‘s um ‘nen Spruch von dem mir das Lachen vergeht
Vielleicht bring ich nicht den Sound, der die Massen bewegt
doch ich hab über die Dauer der Zeit achtsam gelebt
Das ist keine Moral, das ist keine Korrektheit
Das ist nur der Wunsch nach Vermeidung von Scheiße in Echtzeit
Ein bisschen nett sein
niemand boshaft in die Suppe pissen
Was ist ein plausibler Grund jemand grundlos zu dissen?„
Auffällig ist Track Nummer Drei „If I had a dick“, in dem sie beschreibt, was sie täte, wenn sie einen Penis hätte. Inhaltlich angelehnt an Nicky Minajs „Did it on ‚em“ oder auch Kitty Kats „Bitchfresse“ setzt Sookee jedoch andere Schwerpunkte: Anstatt den herbeiimaginierten Penis als Machtinstrument zu benutzen, darf der beste Freund des Mannes einfach auch mal gemütlich baumeln statt dauererigiert vor dem Leistungsprinzip strammzustehen.
„Wer sind diese Hampelmänner mit ihrem Leistungsprinzip?
Mich und mein Dick kotzt dis an, wir wollen eigentlich kein‘ Beef
Aber das Gequatsche über härter, länger, tiefer, gagging Gangbabanger
Ist alles dumme Scheiße, Maskulisten wollen Männer ändern„
Ihre Featuregäste sind fast alle aus ihrem Umfeld oder Subgenre Zeckenrap und bis auf Amewu eher unbekannt. Letzterer glänzt auf dem Track „Wenngleich Zuweilen“ in altbekannter Manier. Der geringe Bekanntheitsgrad schmälert allerdings nicht das Können der anderen, u. a. Form aus Mainz. Insbesondere die englischsprachige Rapperin Shirlette Ammons sticht heraus. Der Titel des gemeinsamen Tracks „Who owns Hip Hop“ verrät schon, was thematisiert wird. Es wird die alte Frage in den Raum gestellt, wer bestimmt, was cool ist und was nicht.
„Wem gehört Hip Hop? Wer darf auf die Stage?
Wer kontrolliert das Mic, wer feiert den Fake?
Was sagt der A&R? Wer blockiert den Range?
Wer macht die Statistik? Wieso finde ich das strange?„
Das Album ist insgesamt solide, stimmig und harmonisch. Der Berliner Dialekt, den die Rapperin ab und an einfließen lässt, ist überaus sympathisch. Sookee scheint sich selbst gefunden zu haben. Sowohl flowtechnisch als auch inhaltlich braucht sie sich nicht (mehr) zu verstecken. Sie unterhält besser als früher und nervt nicht, indem sie ihre Meinung zwar immer deutlich zum Ausdruck bringt, dem Hörer aber nicht aufzwingt. Sie gibt viel von ihrer Persönlichkeit preis ohne Angst, es könne gegen sie verwendet werden. Das ist mutig und sollte respektiert werden, selbst, wenn man mit Sookee und ihrer streitbaren Meinung sonst nicht viel anfangen kann. Da sie all das Gesagte auch tastächlich lebt, kann man hier guten Gewissens von absoluter Realness und Souveränität sprechen, was sie von so einigen anderen Rappern unterscheidet und abhebt. Persönlich bin ich kein Fan des feministischen Raps und würde mir das Album privat nicht nochmals anhören. Ihre Anhänger hingegen werden auf jeden Fall bedient und können sich guten Gewissens darauf freuen.