Über Shindys Album „NWA“ wird in diesen Tagen viel geredet. In den allermeisten Fällen geht es dabei aber nicht um Musik. Sondern lediglich um ein paar Zeilen, die Featuregast Bushido auf dem Song „Stress ohne Grund“ (der mittlerweile indiziert wurde) droppt. Soweit, so bekannt. Schade eigentlich, denn abseits von genialen Promostrategien und einer zumindest zum Teil auch interessanten Diskussion, wie weit Provokation in der Kunst gehen darf ist „NWA“ einfach mal ein musikalisch interessantes Album.
Shindy wird gerne mit Ami-Rappern wie Ma$e oder Fabolous verglichen, aber so einfach ist es dann doch nicht. Mit seinem elegant dahinschleichender Flow, der an einen gutgekleideten Herrn erinnert, der in der Mittagshitze träge, aber lässig und selbstbewusst flanieren geht, und seiner totalen Ignoranz, die aber immer mit einem Augenzwinkern daherkommt, gemahnt Shindy eher ein wenig an den jungen Eko: Jung, frech, gute Technik, aber keinen Fick auf vermeintliche Normen und Werte geben.
Songtitel wie „Cabriolet“ lassen es bereits erahnen: „NWA“ ist ein absolutes Sommeralbum. Den größten Teil der Spielzeit widmet sich Shindy den schönen Dingen des Lebens, die da sind: 1. Schuhe und 2. Ärsche. Und teuer sollten sie sein. So wie so gut wie alles, mit dem sich der griechische Schwabe schmückt. Dass er auch einen Sinn für die kleinen Freuden des Lebens hat, beweist die Erwähnung des Rühreis mit Schafskäse, das ihm seine Mutter zum späten Frühstück zubereitet – auch ohne Fame würde Shindy offenbar ein Paschaleben genießen.
Dabei ist es nicht mal so wichtig, dass Shindy richtig gut rappen kann. Sein Flow ist geschmeidig und gleitet mit katzenhafter Eleganz und gleichgültiger Lässigkeit wie blind über die sauber produzierten Beats. Dankenswerterweise gehört er auch zu den wenigen deutschen Rappern, die das Prinzip des Hashtagflows richtig verstanden haben. Noch viel wichtiger aber ist: Aus jeder Zeile sprüht hier die Lust an dem Lifestyle, den sie beschreiben. Hier wird nicht vor Elf aufgestanden, selber kochen ist was für Pussies (bzw. Mutti) und Sorgen gibt es eigentlich keine.
„Hater haten, aber wen int’ressiert’s? /Hab den Wecker auf dem iPhone deinstalliert, yeah/ Gurgel nach dem Essen Listerine/ Life is a bitch, doch die Schlampe is‘ in mich verliebt“ („Arbeit ist out„)
Die Frage nach dem warum stellt sich angesichts von so viel demonstrativem Exhibitionismus kaum, bzw. wird in „Warum ich das mach?“ nonchalant beantwortet.
„Warum ich das mach‘, was ich mach? Kein Plan/ Ich wollt‘ schon immer reich sein/ Und so viele Frau’n finden nachts kein‘ Schlaf/ Wegen Mr. Nice Guy“
Man kann Shindy für seine Überheblichkeit und sein Angebetertum noch nicht mal böse sein. Denn stets hat er dabei ein freundliches Lächeln auf den Lippen, das man in jedem Reim, jeder Zeile zu hören glaubt. Stets ist ein ironisches Augenzwinkern dabei erkennbar, dass die allzu protzigen Ansagen zwar nicht relativiert, aber unterhaltsam und sympathisch macht. Etwa wenn Shindy sich vorstellt, wie er als Rentner im Grunde genauso lebt wie jetzt, nur ohne Facebook und Fans und statt mit tausend mit einer einzigen Frau.
„Meine süßen Enkeltöchter setzen mir die Siegeskrone auf/ Familienoberhaupt, seh‘ wie Dieter Bohlen aus/ Ich steig‘ aus dem Jacuzzi/ merk‘, ich brauch‘ ’ne Blue Jeans/ Also flieg‘ ich kurz nach Mailand zu Gucci, scusi„
Mit dieser Art sorgenfreier Lyrik voller Narzissmus und ironisch abgemildertem Größenwahn bestreitet Shindy etwa zwei Drittel von „NWA„. Besonders „Springfield“ besticht dabei durch den slicken Beat und besonders locker aus der Hüfte geschossene Reime. Die Parts von Bushido wiederum stechen nicht so wahnsinnig heraus, weder negativ noch positiv (auch, wenn das gewisse Politiker und, äh, Kulturgrößen anders sehen mögen). Das Gipfeltreffen mit Sido auf „Immer immer mehr“ ist aber großes Tennis. Eko passt auf „Martin Scorsese“ herrlich zu Shindy – der Altmeister des ignoranten Rap trifft den Jungspund (wobei die beiden altersmäßig gar nicht so weit auseinanderliegen, aber Eko hat eben sehr früh angefangen) und J-Luv kann sowieso jeden Song mit seinen Hooks retten – hier allerdings dienen seine Parts weniger der Rettung als vielmehr der Veredelung.
Dass Shindy auch gelegentlich ernsthafte Gedanken hat, beweist er erst gegen Ende der Platte. „Oma“ ist ein schlicht bewegender Song ohne Gimmicks, falschen Pathos oder sonstige Peinlichkeiten. Und „Spiegelbild“ greift die Dorian Gray-Thematik geschickt auf und überrascht außerdem mit der Erkenntnis, dass auch ein Bitchhunter wie Shindy letztlich nicht jede haben kann – und in einem speziellen Fall sogar darüber traurig ist. Ein sicherlich wohlkalkulierter Bruch mit der Rolle des Sunny Boys, der aber sehr gut funktioniert.
Zum Abschluss wird’s mit bereits erwähntem „Cabriolet“ und dem einer Inhaltsangabe des Albums gleichkommenden „Slow Motion“ wieder unbeschwert und lässig. Klar kann man über eine gewisse Redundanz bei der Themenwahl meckern, nach Tiefgang und Deepness schreien oder organische, detailverliebte Beats vermissen. Darum geht es auf „NWA“ einfach nicht. Da wird jeder Golf, aus dessen Anlage dieser Sound schallt, sofort zum Ferrari, die Fenster kurbeln sich selbst automatisch herunter, der Ellenbogen gleitet wie von selbst hinaus, Frauen mit dicken Ärschen drehen ihre Köpfe und recken die Hälse. Das Leben ist geil. Zumindest solange das Album läuft. Und wenn es vorbei ist – einfach auf Repeat drücken. Shindy macht das klar.