Als erster Track poltert „Irgendwann kommt alles zurück“ los, mit einem kompromisslosen Beat und der gewohnten „Wir sind Berliner, wir ficken alle“-Attitüde. Es folgt „Es war einmal in Südberlin“, eine eher ruhige Nummer, die mit einer klassischen Sängerin im Hintergrund an die Uefa-Championsleague-Hymne erinnert. Trotzdem ein stimmungsvoller Track und eine der wenigen Verschnaufpausen, denn es geht meist rustikal zur Sache. Aber Punchlines und Vergleiche waren eben noch nie die großen Stärken der beiden Südberliner, „Ich verzauber jede dieser Frauen wie Uri Geller/ und rede ich von Knallen mein ich keine Superböller“. Hat man so oder so ähnlich sicher schon oft genug gehört, und des Hinweises, dass es sich trotz des Titels „Jeden Tag Silvester“ um Beischlaf und nicht Feuerwerk handelt, hätte es auch nicht unbedingt gebraucht, auch wenn manch einer nach wie vor nicht müde wird, an dem Klischee der bildungsfernen, ironiebefreiten HipHop-Hörerschaft festzuhalten.
Allein wegen des Beats hört man aber dann doch mal öfter rein, denn neben den klassischen Instrumental-Elementen ertönt da tatsächlich sowas wie ein Dudelsack, der ausgezeichnet in das musikalische Gesamtbild passt. Der Track „Pitbull“ mit Harris-Sprössling und New-Newcomer Tsunami in der Hook ist ja schon durch das atmosphärische Schwarz-Weiß-Video bekannt. Mit Zeilen wie „Ich bin mein‘ Weg gegangen, auch ohne Schulabschluss/ doch nur weil ich das so gemacht hab, heißt das nicht, dass du das musst“ und „Bekämpf erst ihn, diesen Typen da im Spiegel, nicht die anderen, ihn musst du besiegen“ appelliert die Nummer eindeutig an den Kampf mit dem inneren Schweinehund. Lobenswert dass die Jungs da ihrer Vorbildfunktion nachkommen.
Auf „Underground“ wird den großen Idolen gehuldigt. „Bassboxxx, Frauenarzt, King Orgasmus, Taktlo$$/ meine Therapeutin fand den Humor geschmacklos“. Schon aufgrund der Nachvollziehbarkeit des Inhalts ein geiler Track. Lediglich die Hook nervt, denn Fler kann es einfach nicht lassen, und versucht sich immer wieder an autogetuneten Sing-Sang-Hooks. Aber wo wir schon bei den Highlights sind: „Ich heb ab“ ist definitiv der beste Track des Albums. Mit dem Fred-vom-Jupiter-Flavour trifft hier ein entspannt spaciger Beat auf die völlig entkrampft rappenden Südhauptstädter. Beinahe schwerelos flowt Silla „Wer will an Bord sein/ ich lenke mein Schlachtschiff, denn es geht vom Bordstein/ bis in die Galaxis“. Völlig losgelöst.
Die zweite Videoauskopplung „Nice“, samt musikalischer wie auch optischer Anlehnung an Cross-Over-Act Nummer eins, Travis Barker, darf ebenfalls als bekannt vorausgesetzt werden. Die größte Überraschung hierbei stellt, neben dem Papagei auf Flers Schulter, aber Silla dar, der sich statt des bewährten AABB-Reimschemas an einem ABBA versucht. „Tu mal nicht auf unkaputtbarer Drogenboss/ sonst hängt dein Totenkopf bei mir an der Wand wie ne Trophäe/ dann greift deine Zahnbürste ins Leere/ ich laufe durch die Hood wie der Robocop“. Etwas ungewohnt, aber es funktioniert.
Auf „Geh beiseite“ wird dann in Richtung des anderen Battle-Rap-Tag-Teams, namentlich Farid Bang und Kollegah geschossen. Ein bisschen Beef kann ja mitunter ganz unterhaltsam wirken, aber in diesem Fall fällt das ganze so harmlos aus, dass es eher an die Fantastischen Vier erinnert. Dabei kann der Flizzy das ja eigentlich mit dem Dissen; man erinnere sich nur an den jungen Eko, der seinerzeit verschüchtert in seinem Schwarztee rührend fragte, ob diese Leute (Fler und B-Tight) keine Erziehung zuhause genossen hätten. Gerade Jungs wie Kollegah und Farid Bang hätten das sicher leichter weggesteckt. Aber wie gesagt, clevere, ausgetüftelte Punchlines gehören nun mal nicht zum Standardrepertoire von Südberlin Maskulin, weshalb einem wenig von dem Song im Ohr bleibt. „Das ist für Felix und Farid, ich mein Farid und Felix/ ihr steht im Q-Dorf an der Schlange, ich mach Party im Felix“ und „Mir ist egal, was Farid Urlaub macht/ Düsseldorf ist wunderschön, so lange Farid Urlaub macht“.
Was Fler aber definitiv kann, und zwar wie kaum ein anderer, ist, die richtigen Beats zu picken und für ein stimmiges, rundes Gesamtpaket zu sorgen, und so muss man an dieser Stelle die Herren Ilan, Beatzarre und Djorkaeff lobend erwähnen, die für jedes Thema das passende Instrumental parat haben. Die Drums und Snares scheppern und krächzen wie sie sollen und die Synthies tun ihr übriges. Und auch wenn das Album in seiner Normalversion zeitlich vielleicht etwas knapp ausgefallen ist, reicht das in diesem Fall, um ein gutes Album mit Wurzeln im Westberliner Battle- und Straßenrap und Einflüssen aus dem aktuellen US-amerikanischen Rapgeschehen zu kreieren.