„Jeden morgen, wenn die Sonne um fünf Uhr aufsteht, sag ich ihr ‚Hallo‘ und schau ihr ins Gesicht“ diese Zeile aus der Hook von „Sunrise 5.55am“ , die mir jedes mal einen wohlig-warmen Schauer über den Rücken jagt, beschreibt das Gefühl, das Kaas‚ neue EP „Kaas & Jugglerz in Jamaica“ vermittelt, wohl am besten. Ein zweiwöchiger Kurztrip nach Jamaica brachte acht bzw. sieben bzw. sechs (dazu später mehr) Songs hervor, die allesamt einen für den Inselstaat obligatorischen Reggae-Einschlag aufweisen. Ich persönlich bin kein großer Reggae-Fan, die EP gefällt mir trotzdem sehr gut.
Die Reggae-Elemente kommen mal mehr, mal weniger zum Tragen. Die Jugglerz, eigentlich Reggae- und Dancehallproduzenten, mit denen Kaas seine Jamaica-Reise antrat, haben da durchaus ein HipHop-Release geschneidert – lediglich bei „I Don’t Know Why“ handelt es sich wirklich um einen klassischen Reggae-Song. Ansonsten finden sich halt hier mal genretypisch angeschlagene offbeat-Gitarren und dort Keyboards und Bläser, nie aber reine Reggae-Songs mit Vocals des Orsons. Lediglich die Drums haben durchweg einen dahingehenden Einschlag oder werden zeitweise komplett durch Perkussionen ersetzt. Lange Rede, kurzer Sinn: „Kaas & Jugglerz in Jamaica“ schielt klangtechnisch durchaus in Richtung des ortsansässigen Genres, ist aber ohne Frage eine äußerst wohlklingende Rap-EP.
Klar, Kaas behält seine Affinität zu Singsang und Kitsch natürlich bei, setzt das aber auch angenehmer und unaufdringlicher als bisher um. Die Gratwanderung zwischen Zuckerguss und Diabetes gelingt dem Schwaben besser denn je. So hat die EP ihre ganz eigene Ästhetik, die man entweder sehr genießen oder nicht ertragen kann. Mir persönlich hat es insbesondere eingangs aufgeführtes „Sunrise 5.55am“ angetan, das sich schon auf dem Orsons Album „What’s goes“ fand und neu aufgelegt wurde. Davon gibt es gleich zwei Versionen auf der EP, eine mit Beitrag von Wandam, daher sind es auch eigentlich nur sechs neue Songs. Die Neuauflage kommt aber weitaus geradliniger daher, als das zu poppige original und illustriert perfekt Kaas‚ durchweg positive Einstellung.
Ja, die berühmte Kaas-Basedness zieht sich auch durch „Kaas & Jugglerz in Jamaica“ , tut das allerdings weit weniger provokant plakativ. Die Motivationshymne „Power Up!“ sorgt trotz meiner Aversion gegen Kopf-Hoch-Songs eher für gute Laune, als für Cringe. Auch „Leben$wert“ kommt bemerkenswert unpeinlich daher, obwohl es zum Bersten mit Liebe, Utopie und Autotune gefüllt ist. Klar, dem eingefleischten Hollywood Hank– und Necro-Fan in mir rollen sich trotzdem die Zehennägel auf, aber der soll mal schön die Fresse halten, während ich zufrieden zu Kaas‚ Singsang umherschunkele und hoffe, dass mich keiner dabei sieht.