Das Phänomen Farid Bang ist bereits hinreichend beschrieben worden. Vom belächelten Außenseiter zum stilprägenden Gangsta-Rapper – ein Aufstieg, wie er steiler kaum sein konnte. Warum genau die Mischung aus monotoner Vortragsweise, um die Ecke gedachten Vergleichen und hämischem Namedropping so erfolgreich ist, konnte bisher niemand so ganz genau erklären – muss man ja auch nicht. Funktioniert eben. Ein wichtiger Grund für den anhaltenden Erfolg des Düsseldorfers mag aber die Konsequenz sein, mit der er seit Jahren seinen Stiefel durchzieht.
Das Problem an der Sache: Gangsta-Rap lebt nun mal unweigerlich vom Hunger des Protagonisten, vom unbedingten Drang nach Ruhm und Anerkennung und natürlich Geld. Ist das alles dann aber erreicht, wird es schwieriger, die Spannung zu halten. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, wäre, sich musikalisch und künstlerisch neu zu erfinden. Und tatsächlich hatten den Banger laut eigener Aussage nach der Veröffentlichung seines letzten Albums „Asphalt Massaka 3“ Zweifel geplagt, ob er noch mal die bewährte Schiene fahren solle. Letztlich aber, und soviel kann man schon mal vorwegnehmen, hat er sich für sein neues Album „Blut“ doch dafür entschieden, bei der bewährten Formel zu bleiben – mit ein paar kleinen Modifikationen, die aber durchaus einiges verändern.
„Teflon-Vest, Cadillacs, Turban, Gangster
Stripclubs, Völkermord – der Banger ist zurück“
heißt es in der Hook von „Das Imperium schlägt zurück„. Inhaltlich also fast alles beim Alten, auch wenn mit „Nicht vergessen„, „Wer hat etwas anderes gesagt?„, „Alles hat sein Sinn“ und „Immer noch ins Gesicht schauen“ etwas nachdenklichere Töne angeschlagen werden. Das hat Farid zwar auch früher schon hin und wieder getan, aber so offen und ernst hat er vermutlich noch nie über sein Verhältnis zu Frauen bzw. seinen steilen Aufstieg gerappt:
„Hinter der harten Schale ist meistens ein Herz versteckt
Ich merke es, das zwischen uns ist mehr als Sex“ („Nicht vergessen„)
„Und wird es ernst, lassen deine Freunde dich im Stich
Auf dem Weg nach oben, wo dir keiner Räuberleiter gibt
(…)
Sie nennen dich Bruder, doch in schweren Zeiten
Waren sie nicht da wie das Mercedes Zeichen“ („Wer hat etwas anderes gesagt?„)
Das macht das Album tatsächlich abwechslungsreicher als den Vorgänger und sorgt für mehr Tiefe und Greifbarkeit. Heraus sticht außerdem „Das letzte Mal im Leben„, ein mit knappen Worten ziemlich gut erzählter Storyteller über, klar, eine Gangsta-Geschichte.
Ansonsten dominiert aber die gewohnte Battle-Härte, wie immer verpackt in mal mehr, mal weniger gewitzten Wortspielen. Auffällig ist, dass Farid auf „Blut“ zwar nicht vollständig auf Schüsse gegen andere Rapper verzichtet, sich allerdings dieses Mal fast ausschließlich auf recht erfolglose wie MOK oder Nicone beschränkt. Neu ist, dass er auch Journalisten disst (eigentlich nur einen) – anscheinend haben die kritischen Fragen ihn tief getroffen. Zu diesem Thema habe ich aber bereits in diesem Artikel alles gesagt.
Was „Blut“ tatsächlich deutlich von seinen Vorgängern abhebt, insbesondere dem letzten, sind die starken Beats. Allein, was die Heatmakerz bei „Das Imperium schlägt zurück“ veranstalten, ist großes Kino. Auch Jumpa, Undercover Molotov, Bad Educated & Joshimixu, Juh-Dee (der wie so oft den größten Anteil hat), Phat Crispy, Ear2thabeat, B-Case, Johnny Illstrument & Joznez, Abaz sowie die Amis Cool & Dre liefern wirklich starke Instrumentale. Scheint fast so, als habe Farid sich die immer wieder geäußerte Kritik an der Eintönigkeit des Banger-Sounds zu Herzen genommen. Die Zeit der immer gleich dröhnenden, eher plumpen Synthiebretter ist jedenfalls fast komplett vorbei, die Arrangements sind ausgefeilter, die Beats vielschichtiger und kratziger. Das sorgt, neben den erwähnten nachdenklicheren Songs, für mehr Abwechslung und Vielfalt und wertet auch inhaltlich redundante Songs wie „Bentley“ oder „Escobar“ deutlich auf.
So kommt „Blut“ trotz einiger inhaltlicher Schwächen und Wiederholungen tatsächlich ziemlich frisch daher, was vor allem an der bemerkenswerten Aufrüstung in Sachen Beats sowie der verstärkten Reflexion des Bangers liegt. Durch diese eigentlich längst überfällige Anpassung vermeidet er es geschickt, sich langsam aber sicher in die Bedeutungslosigkeit zu verabschieden. In dieser Form wird er dem Deutschrap-Game wohl noch einige Jahre erhalten bleiben.