Samy Deluxe – Berühmte letzte Worte [Review]


Zwei Jahre nach seinem letzten Soloalbum richtet Samy Deluxe jetzt „Berühmte letzte Worte“ an Rapdeutschland. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Abschiedserklärung, sondern vielmehr um eine Art (Selbst-)Reflexion des seit fast 20 Jahren im Rapgame tätigen Hamburgers.

Schon im „Vorwort“ wird das deutlich: Er unterstreicht seine Rolle, „braucht nicht battlerappen“ und jeder, der sich King nennt, „muss sich an seinem Level messen.“ Das sind in der Tat relativ klare Worte für jemanden, der in den letzten Jahren nicht unbedingt durch Realrap, tighte Flows oder wenigstens politisches Gespür in Erscheinung trat. Nichts von dem, was Samy 2009 auf „Dis wo ich herkomm“ von sich gab, erinnerte daran, dass genau derselbe Mensch einmal die „Weck mich auf“ -EP aufgenommen hatte. Auch sein Versuch, sich unter dem Pseudonym Herr Sorge neu zu erfinden, ließ nicht wenige Fans ratlos zurück.

Soundtechnisch hat Samy Deluxe mit „Berühmte letzte Worte“ wieder zu sich zurückgefunden, ohne dass er dabei krampfhaft versuchen müsste, den Sound seiner früheren Releases zu kopieren. Statt auf Trapbeats oder Strassensound [sic!] zu setzen, greift er lieber auf den altbewährten, souligen Klang zurück und hat sich dafür mit Bazzazian und Farhot zwei fähige und breitaufgestellte Produzenten an Bord geholt. Weitere Instrumentals stammen von seinen Kollegen DJ Vito und Matteo Capreoli sowie von Samy Deluxe himself.

Soviel sei verraten: Das musikalische Experimentieren hat ein Ende gefunden – die Chartplatzierungen seines letzten Albums „Männlich“ waren zwar ganz ansprechend, aber es war irgendwie nicht Samy. Wohin die musikalische Reise auf dem Album steuert, wird schon im zweiten Track ( „Haus am Mehr“ ) deutlich, in dem der soulige Klang schon zu kulminieren scheint, bevor das Album überhaupt richtig begonnen hat. Dass Samy es darüber hinaus lyrisch wie technisch einfach drauf hat, ist kein großes Geheimnis und muss kaum noch einmal betont werden.

Passend zum Albumtitel fällt das Werk lyrisch mitunter sehr persönlich aus und hält einige politische Statements parat, die vor allem in den Tracks Ausdruck finden, die bereits als Videoauskopplungen erschienen sind. In „Mimimi“ bspw. wird der eigene Status als „Mitbürger mit Migrationshintergrund“ aufgearbeitet und eindrucksvoll unterstrichen, dass manchmal erst die stete (Fremd)-Zuschreibung oder gar Stigmatisierung als „Migrant“ dazu führt, dass nationale Identitäten geschaffen werden: Stichwort Performanz der Sprache. Und auch in dem Track „Klopapier“ geht Samy auf Distanz zu seinen eigenen, nur allzu bekannten und ziemlich fragwürdigen Statements von anno 2009. Man könnte jetzt groß und lang darüber spekulieren, was ihn dazu bewogen hat, aber für’s Erste gebe ich mich damit zufrieden zu hören, dass sein Klopapier jetzt offenbar „schwarz rot gold“ ist.

Die persönliche Ebene des Albums äußert sich auch in einigen mitunter sehr biographisch ausfallenden Tracks. Wie schon im „Vorwort“ verkündet wird: „Ihr hört dieses Album an, es kommt euch vor, als hättet ihr gerad die Biografie gelesen.“ Dementsprechend findet sich eine Hommage an seine Mutter ( „Von Dir Mama“ ) und ein vielleicht etwas arg emotionaler Gruß an seinen in den Staaten lebenden Sohn ( „Papa weint nicht“ ). Ich bin kein großer Fan von übertrieben artikulierten (und grundsätzlich eher privaten) Gefühlen in Raptracks, aber das ist natürlich reine Geschmackssache. Mit dem Track „Countdown“ überlegt er außerdem, ob er seine Fans in den vergangenen Jahren erreichen konnte. Dass Samy noch immer flowen kann, stellt er hier ebenso unter Beweis wie auf dem Titeltrack, der zum Abschluss der Platte noch mal zum Kopfnicken einlädt.

Auf den 16 Anspielstationen, die auch zwei Skits umfassen, liefert Samy Deluxe ein grundsolides Rapalbum. Es ist kein Track dabei, dem ich das Prädikat „übertrieben dope“ verleihen würde, gleichzeitig gibt es aber auch keinen Track, den ich vor lauter Langeweile am liebsten geskippt hätte. Samy hält es wie gesagt eher soulig – was dazu passt, dass „Berühmte letzte Worte“ sehr persönlich und emotional ausfällt. Dabei ist durchaus verständlich, dass der 1977 geborene Hamburger keinen Bock mehr hat, straighten Hardcore-Rap, Trap oder sonstwas zu machen, zumal der klassische Straßensound nun wirklich nicht zu einem derart emotionalen und selbstreflektierten Album gepasst hätte. In Anbetracht seiner letzten Releases war diese Selbstreflexion auf jeden Fall überfällig.