Fortsetzungen sind ja immer so eine Sache. Wem fällt schon spontan ein Film mit einem „Teil 4“ im Titel ein, der auch nur annähernd den Standard des ersten Teils erreicht? Andererseits: „Star Wars„. Ob der Vergleich des Jedi-Opus‘ mit Kollegahs „Zuhältertape 4“ angebracht ist, werden wir erst zu Weihnachten wissen. Fest steht jedenfalls, das vierte „Zuhältertape“ und neunte Solo-Release des bislang einzigen Zuhälterrappers Deutschlands erweist sich auch nach eingehender Betrachtung seiner Licht- und Schattenseiten als hochqualitatives Gesamtwerk. „ZHT4“ ist sehr homogen und trotzdem abwechslungsreich. Es hält über die gesamte, auf Grund der Kurzweile erfreulich lange Laufzeit, einen hohen Standard an Soundqualität, lyrischer Gewandheit und, in diesem Fall tatsächlich mal: utopischer Punchlinedichte.
Die typischen, einmal um den Mond und über die Venus wieder zurückgedachten Punchlines, die auf den Hörer einballern, sind dann auch das erste, was ins Auge bzw. vielmehr Ohr sticht.
„Jetzt zieht der Mac Karabiner, hier gibt’s so viele gute Rapper wie in Mekka Rabbiner“ („Kool & The Gang„)
„Meine Mitstreiter sind Hunde/
doch seit ich rappe gehen sie schrittweise zu Grunde, wie mit Strickleitern in Brunnen“ („Wall Street„)
„Du hast Rauschgift dabei? Da nehm’ ich gern ma‘ ’ne Probe/
Doch find‘ die haut nicht rein, wie Seals Dermatologe“ („Carpe Diem„)
Diese scheinbar aus dem Ärmel geschüttelten Wortspielereien delivert der wortgewandte Boss auf durchgehend wuchtig und dick produzierten Beats von Alexis Troy, Kingsize, Reaf und Rizbo, wobei die beiden Reaf-Beats noch ein Stück herausragen. Den typischen kratzigen AON-Sound hat er zwar nicht ganz durchgebracht, trotzdem wirkt die gewisse Dosis New Yorker Rumpeligkeit durchaus erfrischend.
Der Stimmeinsatz ist dabei selbst für „Zuhältertapes“ ungewöhnlich entspannt, ungezwungen und laid back – was unter anderem am Ausbleiben von Kokasessions und Testokuren liegen könnte. „Zuhältertape 4“ steht ganz im Zeichen eines entspannten, demonstrativ gelangweilten Zuhältervibes. Dieser lebt zum einen vom bis ins kleinste Detail konsequent dargestellten Lebensstil des frauenverachtenden, herzlosen Drogenbarons, andererseits jedoch genau so von den stimmigen Instrumentals und den präzise vorgetragenen Flows.
Klar hat man das alles schon auf den Vorgängern so oder so ähnlich gehört. Was das „Zuhältertape 4“ aber von seinen Vorgängern unterscheidet, ist die deutlich bessere, schlüssigere Umsetzung. Noch nie hat Kolle sein Image, seine Raprolle so konsequent und vollendet durchgezogen. Auf keinem Tape sind die im Kopf des Hörers erzeugten Bilder von brutaler, aber leider unvermeidlicher Gewalt, treuen Dobermännern, untreuen Huren und im Überfluss vorhandenem Cash derart klar und beeindruckend. Auch das Auftreten von Kolle außerhalb der Musik, etwa im „John Gotti“ -Video im gut sitzenden Anzug oder mit Dobermann und Zigarre auf dem roten Teppich bei der 1Live-Krone, passt jetzt endlich perfekt: Kollegah hat sein Image nicht nur beim Rappen verinnerlicht, er sieht auch mittlerweile weit glaubwürdiger als früher aus. Ein nicht unwichtiges Detail im Gesamtkunstwerk, als das man Kollegah ruhigen Gewissens bezeichnen darf.
Wo Licht, ist auch Schatten: Ganze 19 Songs umfasst das Tape, dem Gesamteindruck hätten ein, zwei Tracks weniger vielleicht aber ganz gut getan. „Weißer Testarossa“ verpasst der homogenen Stimmung des Albums durch seinen 80er-Jahre-Gedächtnis-Beat einen leichten Kratzer und auf „Winter“ klingt Kollegah, nun eben auch im sogenannten real life umgeben von Geld und Autos, nicht mehr ganz so verzweifelt und demzufolge weniger beeindruckend als seinerzeit auf „Herbst“ und „Sommer“.
Demgegenüber steht aber als echter Gänsehautmoment „Nebel“, der geistige Nachfolger von „Rauch“. Ein Rizbo-Beat, Text und Stimme wie zu „Boss der Bosse“ -Zeiten, eine Hook mit dem Flow aus „Kollegah“ -Zeiten – wohl noch nie hat ein Rapper derart gut seine eigenen Wurzeln beschworen. Ohnehin sind das Sahnehäubchen für alle Hörer, die Kollegah nicht erst seit „King“ kennen, die zahlreichen eingestreuten und adaptierten Lines vergangener Tage. Manchmal ist eine ganze Hook im Stile eines alten Songs gehalten, mal eine Bridge, mal bekommt eine Zeile ein paar neue Reime verpasst. Für Kenner der alten „Zuhältertapes“ gibt es jede Menge kleinere und größere Erinnerungen zu entdecken.
Mit dem „Zuhältertape 4“ komprimiert Kollegah all seine Stärken in einem Album. Ohne Kompromisse, ohne Anbiederung an den Zeitgeist, ohne unnötige Experimente, aber auch ohne Stagnation.