Die Releases aus dem Hause Banger Musik zeichnen sich eigentlich durch einen gewissen Trademark-Sound aus. Weniger freundlich wird auch von Fließband-Produktionen gesprochen. Denn auch wenn die Haus- und Hofproduzenten Joshimixu, Abaz und JuhDee in ihrem sonstigen Schaffen durchaus mehrere Facetten abdecken – für die Banger-Releases gibt es meistens das volle Brett einfachsten Trap. Damit hat das neue KC Rebell-Album „Fata Morgana“ nichts zu tun. Zwar haben auch hier wieder die üblichen Verdächtigen an den Knöpfchen gedreht, doch der Soundentwurf von KCs fünftem Soloalbum unterscheidet sich eklatant von den bisherigen Würfen, sowohl seiner Labelkollegen als auch seiner eigenen.
Und nicht nur am Sound wurden Veränderungen vorgenommen. Das machten bereits die ersten Auskopplungen deutlich: KC Rebell will offensichtlich als erster Banger auch mal so richtig an die weiblichen minderjährigen Fans ran – also, an deren Sympathie und Geldbeutel. Dafür wagt er sich weiter in poppige Gefilde als sonst ein Banger je zuvor. Man kann von dieser Neuentwicklung erstmal halten was man will, konsequent ist sie durchaus. Denn KC hatte seinen weichen Kern unter der rauen Schale auch bisher schon immer durchblitzen lassen, war stets mehr als nur eine Superhelden-Comicfigur ohne Schwächen und Zweifel. Mit „Fata Morgana“ geht er den Weg, den er auf den vorigen Alben teilweise auch schon eingeschlagen hatte, nun folgerichtig zuende.
Um eines klarzustellen: Ein Popalbum ist „Fata Morgana“ nicht geworden. Viele Songs unterscheiden sich gar nicht so großartig von dem, was KC Rebell sonst so fabriziert hat. Gut, mit „Bist du real?“ ist auf dem Album ein richtig ekliger, klebriger Song inklusive Autoscooter-Hook und, verglichen mit dem sonstigen Schaffen des Esseners, absolut banalen Liebeszeilen. Egal – den 12jährigen wird das gut gefallen. Für diese Review tut es natürlich nichts zur Sache, aber der Umstand, dass das Video auch noch auf dem Channel einer bekannten YouTuberin erschienen ist, ist natürlich trotzdem nicht schön. Zweiter Ausfall: „Augenblick“ mit Summer Cem, das ungefähr den Flavor eines WM-Songs versprüht.
Abgesehen von diesen Tiefpunkten, um nicht zu sagen Tiefschlag, die sicher kalkuliert gesetzt wurde, um dem Album eine möglichst breite Aufmerksamkeit zu verschaffen, gibt es zunächst mal eine Handvoll Songs, die locker auch auf „Rebellution“ hätten stattfinden können: „Kanax in Tokyo„, „Hennessy„, „Hasso„, „Money“ oder „Casablanca“ sind ganz normales KC Rebell-Futter und zeichnen den Kurden als Lebemann, der das Herz am rechten Fleck hat. Auch vom Sound her brechen die genannten Tracks nicht aus dem bisherigen KC-Katalog aus.
Bleiben noch die Songs, die „Fata Morgana“ tatsächlich Atmosphäre verleihen: „Porzellan“ ist so einer. Melancholisch, aber nicht kitschig. Traurig, aber nicht weinerlich. Eine authentische Aufarbeitung einer verflossenen Beziehung, die ihre Spuren in der Seele des Protagonisten hinterlassen hat. Die Hook von Maxim rundet das perfekt ab. Auch „Nicht mehr normal“ ist ein richtig starker Song – ohne Gimmicks. Inhaltlich knüpft er an „Porzellan“ an und fasst die Stimmungsschwankungen eines Verlassenen recht treffend zusammen. Beide Songs können als zusammenhängend betrachtet werden und zeichnen sich durch Zurückhaltung und Bedachtheit aus. Neben dem Titelsong mit Xavier Naidoo (der sich hier inhaltlich dankenswerterweise auf ein unverfängliches Bibelzitat beschränkt) das musikalische Herzstück des Albums.
Auch das Intro „Ghetto Aristoteles“ behält auf dem schmalen Grat zwischen Pathos und Kitsch sauber die Balance und führt den Hörer angemessen in die neue Materie ein. „Alles & Nichts“ darf als bereits bekannt vorausgesetzt werden – klar ist die Suffering from Success-Attitüde hier ein bisschen konstruiert, klar ist es keine neue, sondern eine uralte Erkenntnis, dass Geld und Wohlstand nicht alles sind. Die Umsetzung ist auch nicht gerade subtil – aber das war auch noch nie KCs Art. „Mein eigenes Ding“ mag auch keinen Originalitätspreis verdienen, ist aber dennoch ebenfalls stark geworden. Und die Kombo KC–PA Sports–Kurdo auf „Haute Couture“ funktioniert erstaunlich gut, um nicht zu sagen prächtig.
Halten wir also fest: „Fata Morgana“ ist nicht das Popalbum, das man nach den ausgekoppelten Songs, insbesondere den beiden Schwachpunkten „Bist du real?“ und „Augenblick“ erwarten konnte. KC kann weiterhin auch den lässigen Reimespucker geben. Wo er wirklich eine Schippe draufgelegt hat, sind die persönlichen Songs, mit denen er es schafft, sich nicht nur vom Rest seines Labels, sondern auch vom Rest der Szene abzuheben. Ohne die kitschigen Ausfälle und vielleicht ein oder zwei Standardsongs weniger wäre es ein richtig krasses Album geworden. So bleibt doch noch ein wenig Luft nach oben.