Ein großer Celo & Abdi-Fan war ich ehrlich gesagt nie. Ich mochte die Typen und konnte sie mir auch immer mal wieder ganz gut geben – aber weder das „Mietwagentape“ noch „Hinterhofjargon“ oder „Akupunktur“ liefen bei mir jemals in Dauerrotation. Und dann das: Auch, wenn das neue Album „Bonchance“ sich in Richtung „Mietwagentape“ orientiert, besteht doch wenigstens ein gravierender Unterschied – ich pumpe das Ding rauf und runter. In jeder Hinsicht wurden hier zehn Schippen drauf gelegt. Mindestens. Weniger konfuse Beatpicks, ins Detail ausproduzierte Beats, besserer Rap, besser platzierte und ausgesuchte Features, abwechslungsreiche Themen, perfekt sortierte Tracks und immer wieder kehrende Motive machen „Bonchance“ zu einem Genuss, von Anfang bis Ende.
Vor allem Abdi hat technisch einiges dazu gelernt. Diverse neue Flowpattern und -Techniken bereichern das Repertoire des Marokkaners. Aus dem Einfluss des nach wie vor aktuellen Frankreich-Hypes wird dabei kein Hehl gemacht – im Gegenteil, er schlägt sich ja sogar im Albumtitel nieder. Besonders auffällig ist Abdis enorme Steigerung auf „Marifet“ zu beobachten. Mit spielerischer Leichtigkeit switcht Abdi Flows, setzt gekonnt Pausen und treibt mit ganz auf die Phonetik ausgelegten Reimketten die Spannung in die Höhe, ohne auch nur eine Sekunde abzusacken. Celos behäbiger Stil sieht daneben bisweilen doch relativ alt aus.
Generell ist Abdi mittlerweile ein ganzes Stück über seinen Partner in Crime hinausgewachsen – auf „Amo aller Amos“ wird der Unterschied besonders gut sichtbar. Abdi sichert sich locker den Award für den besten Part des bisherigen Jahres. Klar, Abdis Rasiermesserlines und Celos träger, schwerer Flow ergänzen sich nach wie vor hervorragend – aber Abdi steht eben meistens stärker da – zumindest raptechnisch. Allerdings muss man Celo zugute halten, dass er seine Rhymes mittlerweile viel kontrollierter setzt und so einen ganz eigenen Style entwickelt hat. Celo überzeugt ohnehin eher durch punktgenau gesetzte Pointen: „Wallah Alda, alles Kack-Babbler/gestern ohne Sackhaare, heute den Max machen“
Es ist seine Rhetorik, die den Charme des Bosniers ausmacht. Nicht nur in Form von Punchlines, auch inhaltlich. Wenn er auf „Nullfünfkriege“ mit Hanybal schildert, wie eine Kleinigkeit zu einer Messerstecherei eskaliert, ist das nicht nur glaubhaft, sondern auch anschaulich und lebendig erzählt. An dieser Stelle schießt Abdi übrigens inhaltlich ein wenig am Ziel vorbei. Auf „Erster Atemzug“ schildert er dafür grundehrlich die Umstände seiner Geburt mit Herzfehler. Zehn Songs später folgt dann das Pendant „Letzter Atemzug„, ein hypothetischer Rückblick aufs Leben, der mit ein wenig platt anmutenden Ratschlägen gespickt ist. Volle Punktzahl hingegen für folgende rhetorische Frage Celos aus „Heckmeck„: „Was bringt dir Technik, wenn’s dann nach Dreck klingt?„. Ja, Mann.
Das thematische Spektrum auf „Bonchance“ ist breit gefächert und abwechslungsreich, ohne dabei ins Beliebige abzudriften. Ein immer wiederkehrendes, zentrales Motiv ist die Paranoia. Das Misstrauen selbst Freunden gegenüber, die Angst vor Überwachung, vorm Verraten-werden schwingen immer wieder mit. „Verfolgers“ thematisiert das Ganze auf sehr unterhaltsame Art und Weise, im Gegensatz dazu steht das horrorfilmartige „Gargoyles„, das hinter der schicken Fassade Frankfurts überall Schlangen und Dämonen am Werk sieht.
Der heimliche Star des Albums ist aber m3, der ein durchweg stimmiges und perfekt ausproduziertes Soundgewand für das Drittwerk des Duos geschneidert hat. Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, sagt man. Was aber hat man, wenn eine Kette kein schwaches Glied hat? Die „Bonchance„-Produktionen. Die Anordnung der Tracks ist das i-Tüpfelchen und verleiht dem Album eine in sich geschlossene Stimmigkeit, wie man sie selten hat – ohne an charmanten Ecken und Kanten einzubüßen. Bretter wie „Amo aller Amos„, „Ticker Chromosom“ oder „Gargoyles“ schlagen, gespickt mit bangenden Kicks und böse zischenden Snares, in die Fresse, bis kein Gras mehr wächst. Ruhigere Nummern hingegen, etwa „Schnelles Geld“ oder „Erster“ bzw. „Letzter Atemzug„, bauen eine dichte Atmosphäre auf, klingen aber zu keiner Zeit kitschig und werden auch nicht langweilig. Kein Beat ist zu aufdringlich, keiner zu mächtig oder stiehlt den Protagonisten die Show – und dennoch plätschert zu keiner Zeit irgendetwas vor sich hin. Da gibt es einfach nichts zu meckern. Punkt.
Überhaupt gibt es nicht viel zu meckern. „Bonchance“ ist von vorne bis hinten stimmig, brillant produziert, abwechslungsreich und kompromisslos. Celo & Abdi besinnen sich auf ihre Stärken und spielen sie erstmals voll aus, umschiffen Peinlichkeiten, Experimente und Unstimmigkeiten, bleiben dabei auch noch sympathisch und schaffen so eines der besten Alben des bisherigen Jahres. Bonne Chance damit, meine Herren.