Ein Freunde von Niemand-Labelsampler ist eine sichere Bank. Jeder kann sich denken, was ihn erwartet. Vega, Bosca, Timeless, Bizzy Montana und Johnny Pepp besetzen ihre Nische im Deutschrap seit Jahren konsequent und ohne allzugroße Veränderungen am Soundentwurf sowie Inhalt der Lyrics. Und trotzdem, bei aller Beständigkeit, unterscheidet sich der dritte Teil der „Willkommen im Niemandsland„-Reihe von seinem Vorgänger klar. War dieser eine trotzige Kampfansage nach der Neuaufstellung und Umtrukturierung des Frankfurter Labels, bei der Vega sich als kampfeslustiger Anführer präsentierte, der seine Jungs hinter sich vereinigte und in die Schlacht führte, ist dieses Mal alles etwas entspannter und souveräner.
Das fängt schon damit an, dass der Opener nicht von Vega bestritten wird, sondern ein Timeless-Solotrack ist, in dem der Kölner erklärt, „Wie es geht“. Auch der zweite Song kommt noch ohne den Labelboss aus, der erst beim dritten Anspielpunkt ins Geschehen eingreift. Vorher darf Bizzy Montana noch mal klarstellen, für welches Lebensgefühl FvN auch in 2015 stehen soll:
„Das ist nicht Gangsta Rap, Waffenschieber-Hustle, das‘ kein Gang-Scheiß
keine krasse Karre, unter’m Arsch keinen M3
broke ohne Bargeld auf Tasche, keine Mark in der Kasse
stressfrei, Partner, das ist blank, aber Champ sein“ („Nächster Halt Niemandsland„)
Es folgen einige Songs, die den Teamgeist beschwören und diese Aussage mit sich abwechselnden Parts von Vega, Bosca, Bizzy, Timeless und Johnny Pepp unterstreichen: „Roll mit uns„, „Meine Jungs“ und „Diese Gang“ sind klassische Representer auf den klassischen Piano- und Streicher-Samples, auf denen weder Überraschungen noch Totalausfälle zu verzeichnen sind. Solide Hausmannskost.
Von da ab ist dann jeder der Freunde weitestgehend auf sich allein gestellt. Sprich, es folgen fast nur noch Solosongs, von denen besonders Boscas „Was ich niemals wollte“ heraussticht, der auf einem zurückgenommenen, aber effektvoll dramatischen Beat richtig auspackt und auch das unangenehme Thema Alkoholmissbrauch nicht außen vor lässt.
„Ich muss mich neu erfinden, ich lass das Zeug verschwinden
ich brauche Kopf und darf mich nicht schon wieder heut‘ betrinken“
Auffällig ist, dass Timeless die meisten Solosongs hat und damit vermutlich schon mal das Spotlight bekommt, das auf sein neues Soloalbum vorbereiten soll. „Zwei Stimmen“ ist ja bereits bekannt, abgesehen davon darf er „WiN3“ sowohl eröffnen (siehe oben) als auch beenden. Letzteres mit dem Song „Tränen des Teufels„, der ohne Drums ausschließlich auf Pianoklängen daherkommt und sich als ähnlicher Seelenstriptease wie „Was ich niemals wollte“ entpuppt.
„Führte ’nen inneren Krieg, meine Liebe ein Soldat
und mein Soldat hatte Angst, er hat schon viel zu viel ertragen“
Auch dank des mit pathetischen Chören ausgestatteten Chorus ein angememessener Schlusspunkt. Davor allerdings heißt es bei Bizzy Montana in bewährter Manier „Tassen hoch„, setzen Vega und Bizzy ein lyrisches „Stoppzeichen„, hat Johnny Pepp in seinem Solosong „Du kennst die Hölle nicht“ die meines Wissens nach ersten Autotune-Effekte auf einem Freunde von Niemand-Release und darf sich Newcomer Face mit „180“ vorstellen. Und der Hesse zeigt sich angriffslustig und hungrig auf seinem ersten größeren Auftritt.
Summa summarum ist „Willkommen im Niemandsland 3“ also eine konsequente Fortsetzung des Weges, den FvN schon mit dem neuen Vega-Album eingeschlagen haben: Weiterentwicklung ohne plötzliche Quantensprünge. Auch beim Sampler wurde einiges an Ballast abgeworfen, spielt man befreiter auf. Deutlich wird dies nicht nur in den Representern, sondern gerade auch in den deepen Songs, die immer noch viel Schmerz und Wut verarbeiten, aber irgendwie reifer und weniger trotzig daherkommen. Die Wagenburgmentalität scheint überhaupt nicht mehr so eine große Rolle zu spielen wie bisher. Statt der Abgrenzung nach außen steht das Besinnen auf die eigene Stärke im Vordergrund. Und das steht den Freunden von Niemand durchaus gut.