Fler lässt Frank White wieder von der Kette. Zum ersten Mal ohne „Carlo Cokxxx Nutten“ und Partner. Warum, muss man wohl niemandem mehr erklären. Im Vorfeld des Albums konnte man jedenfalls den Eindruck gewinnen, der Berliner wolle den Albumtitel möglichst eindrucksvoll an konkreten Beispielen veranschaulichen. Öffentliche Schlammschlachten nicht nur mit Erzfeind Farid Bang, sondern auch Hadi el-Dor, Staiger, Animus, Silla, Die Welt – die Liste war lang und wurde täglich länger. Ob dieses Vorgehen nun eher der impulsiven Art Flers geschuldet oder womöglich ein raffiniertes Spiel war, das die gegenwärtige Entwicklung im Deutschrap, Musik immer mehr als lästiges, im Grunde vernachlässigbares Beiwerk von Promphasen zu betrachten, gezielt offenlegen sollte – wer weiß das schon. Ist ja letztlich auch egal.
Klar ist hingegen, dass „KKKMM“ ein Versuch ist, zu den „CCN„-Wurzeln zurückzukehren. Lieber hätte Fler oder vielmehr Frank White das wohl mit seinem alten Partner für solche Fälle, Sonny Black getan. Schon zu Beginn des Albums stellt er fest: „CCN3 ohne mich ist Blamage„. So muss er eben alleine ran, um Berlin-Rap noch einmal wiederzubeleben – sein Ex-Partner wird erst Ende nächster Woche folgen.
Nun ist es mit dem Rückkehren zu den eigenen Wurzeln immer so eine Sache. Natürlich kann Fler nicht so tun, als sei er wieder Anfang 20, am Anfang seiner Karriere und voller jugendlichem Tatendrang. Sein Konto ist nicht mehr leer, das dämpft die Wut etwas. So verwundert es auch wenig, dass „KKKMM“ nicht die immense Intensität von „Carlo Cokxxx Nutten„, dem ersten Teil, erreicht . Auch die Verwendung klassischer Schöneberger Vokabeln wie „Kek“ sowie das Zitieren altbekannter eigener Slogans wie „Der Rapper der im Knast war“ täuschen nicht darüber hinweg: Der klassische Berlin-Flavor, an dem sich ein Frank White-Album jederzeit messen lassen muss, ist nicht mehr in seiner ursprünglichen Durchschlagskraft zu spüren.Das ist unter Berücksichtigung der Ausgangslage aber auch gar nicht möglich. Galt es damals, Straßenrap in Deutschland zu etablieren, ihm mit gebotener Aggressivität Platz und Anerkennung zu verschaffen, so befindet er sich heute längst in der schwierigen Situation eines Genres, das von Hunger und Angriffslust lebt, aber mittlerweile alles schon gefressen und jeden schon beleidigt hat.
Das trifft auch auf Fler selbst zu. Und so wirken die namentlichen Disses etwa auf „Der Asphalt glänzt“ irgendwie ein bisschen lasch. Anstatt echter Wut hört man hier eher einen Programmpunkt, der eben nicht fehlen darf und zwar nicht ganz ohne Leidenschaft, aber auch nicht mit dem richtigen Biss abgehakt wird. Wäre einem die jeweilige Vorgeschichte nicht bekannt, so würde einem allein aus diesem Song heraus nicht so wirklich klar, warum Fler nun Bushido, Staiger, Toxik und all die anderen abwatscht. Dazu passt die Line aus „Outlaw„, in der der letzte Maskuliner erklärt, er sei „ein Outlaw von Montag bis Freitag“ – klingt nach Dienst nach Vorschrift und am Wochenende frei.
„Du Inzestkind, Lippen pink geschminkt
Du musst Schwänze lutschen, weil dein dummer Rap behindert klingt
Mach nicht auf krass, du Pussy wirst geopfert
Ich häng dich mit den Eiern von der Decke als mein Boxsack“ („Schwanzlutscher„)
Nein, textlich gibt es nicht viele Überraschungsmomente – wobei der soeben zitierte Song ein paar interessante Betrachtungen über den merkwürdigen Zusammenhang von Schwulenfeindlichkeit und gleichzeitigem Interesse an Penen enthält. Die Energie, vor der Fler in den Interviews zum Album förmlich sprühte, kommt nicht immer ganz ungebremst rüber. Der Bereich, in dem „KKKMM“ allerdings voll überzeugt, sind die Beats. Düster, bedrohlich und schnörkellos sind diese gehalten, vom Trap der „Blue Magic Era“ hat Fler sich hier endgültig verabschiedet. Dabei wird hier nicht einfach an die alten „CCN„-Beats angeknüpft, nein, der Spirit lebt zwar, ist aber soundtechnisch viel besser und druckvoller umgesetzt. Wer das nicht glaubt, schließe sein iPhone ans Autoradio an und pumpe das Album übers Car Hifi. Sollte halt mindestens ein Audi sein. Auch kann man Fler nicht vorwerfen, von seiner oft propagierten Ehrlichkeit und Direktheit auch nur einen Deut abgerückt zu sein. Berechnung und Strategie sind seine Sache nach wie vor nicht.
Dank der hervorragenden Beatauswahl und Flers unverfälschter, direkter Ehrlichkeit vermeidet „KKKMM“ also den drohenden Absturz ins graue Mittelmaß. Vergisst man mal für einen Augenblick die glorreiche Gründerzeit des Berlin Raps, das gelobte „CCN“ und Aggro Berlin, dann ist „Keiner kommt klar mit mir“ einfach ein durchaus starkes Gangsta Rap-Album, das Flers Haltung als „Last Man Standing“ insgesamt schlüssig auf den Punkt bringt. Besonders im gut sechsminütigen (!) Outro, das in Form einer geradezu Puff Daddy-esken Ansprache an die Nation noch mal seine Entwicklung herunterbricht und klar macht, warum keiner mit ihm klar kommt. Und um nichts anderes geht es hier schließlich.