„Aus dem Schatten ins Licht“ – oder: vom eigenen Label DePeKa zum Majorlabel Four Music. Klar, so könnte man Kontra Ks Albumtitel interpretieren. Damit läge man allerdings ganz und gar falsch. Denn dieser Mann hier meint nicht Geld und Luxus, wenn er von Licht spricht (jetzt mal abgesehen von der Frage, ob ein Major sowas heutzutage überhaupt noch oft bieten kann). Er sucht, Brust raus, Bauch rein, nach Echtheit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit – Erlösung.
Man sagt den Deutschen einen gewissen Hang zum Tiefgang nach, eine gewisse Schwäche für Echtes, Ungekünsteltes, Unverstelltes. Und in diesem Sinne ist die Musik von Kontra K ausgesprochen Deutsch. Gimmicks, Showeffekte, witzige Sprüche gibt es hier nicht. „Aus dem Schatten ins Licht“ ist todernst. Hier kämpft ein Mann mit seinen inneren Widersprüchen, aber auch dem Widerspruch zwischen seinem Innenleben und der verlogenen Außenwelt, dem falschen Glanz, der geheuchelten Freundlichkeit. Hier werden Masken schonungslos heruntergerissen, aber auch das eigene Visier ohne Scham hochgeklappt.
„Der Wind ist kühl, die Augen tränen
Es läuft mehr schleppend als zu gehen
Druck auf meinen Schultern, die Vergangenheit ist ein schweres Paket
Drückt mich tief in den Morast, Warum fuckt mich alles ab?
Und keiner meiner Schritte bringt mich voran
denn ohne den Willen auch keine Kraft“ („Atme den Regen„)
Natürlich kann man dieses Konzept in einer Zeit der totalen Ironie leicht ins lächerliche ziehen. Und natürlich muss man die Leni-Riefenstahl-Ästhetik des Covers nicht unbedingt feiern. Vom wirklich wesentlichen sollte das allerdings nicht ablenken: Kontra verkörpert das, was er verkörpern will, absolut glaubwürdig. In einem Meer von Ich-will-mich-da-lieber-nicht-festlegen ist er der feste Fels in der Brandung, der die Eier hat, seine Position konsequent zu vertreten. „Aus dem Schatten ins Licht“ riecht nicht nach Parfüm, sondern, so ausgelutscht das jetzt klingt, nach Blut, nach Schweiß und nach Tränen. „Erfolg ist kein Glück„, rappt der Berliner, und das ist keine Phrase, die sich ganz gut anhört, sondern erfahrenes Wissen.
Auf der anderen Seite inszeniert sich Kontra K aber nicht als unverwundbarer Supermann. Einfach gesagt: Von nix kommt nix. Es ist eine ehrliche Malocher-Ehre, die das Album durchzieht wie ein roter Faden. Kontra ist, in der Terminologie von Blut & Kasse, ein Macher, kein Träumer. Ein bisschen rumsitzen und kiffen? Nee. Langweilig. Führt zu nix.
Das drückt sich auch in der musikalischen Umsetzung aus, für die Dirty Dasmo, Abaz und andere Könner verantwortlich zeichnen. Schon auf der EP „Wölfe“ deutete sich die Öffnung für gesungene Hooks an, und diese wird auf „ADSIL“ konsequent vorangetrieben. Dezente Rockeinflüsse kommen hinzu, fallen jedoch im Gesamteindruck nicht so sehr ins Gewicht wie mancher, der bei Four sofort an Casper denkt, vielleicht befürchtet hatte. Der Sound ist schwer, tonnenschwer, aber melodiös.
Auch die aktuellen Trapentwürfe sind an „Aus dem Schatten ins Licht“ nicht spurlos vorbeigegangen. „Spring“ oder „Hassen ist leicht“ basieren auf dem klassischen 808-Drumsound und einem keineswegs magenschonenden Bass. Letzteres bringt die sprichwörtliche Aufrichtigkeit, die hier geradezu zelebriert wird, noch mal gut auf den Punkt.
„Hassen geht so leicht, wenn man was nicht versteht
doch wirklich ehrlich sein ist der steinigere Weg
Immer erst dagegen, bevor du die Props gibst
doch ist er wirklich besser, Dicker, hat er sie verdient“
Trotz allen Nicht-Unterkriegen-lassens: Die endgültige Erlösung gibt es nicht, stellt Kontra fest. Der Schatten hat nun mal die Eigenschaft, einem auch oder besser gerade ins Licht zu folgen. Aufgeben ist dennoch keine Option. Danach besteht nach dem Hören von „Aus dem Schatten ins Licht“ nicht der Hauch eines Zweifels. Und auch abgesehen davon ist das Album ein starkes Stück, mit dem sich Kontra endgültig seine Position im Rapspiel sichert. Hinter Labelkollegen wie Casper oder Marteria braucht er sich nicht zu verstecken – genausowenig, wie er sich die Gleichsetzung mit deren Soundentwürfen gefallen lassen muss. Eigenständig, konsequent und mit viel Herz weiß „Aus dem Schatten…“ voll zu überzeugen. Wenn die Selbstzweifel einen zu erdrücken drohen sollte man sich von seinem Therapeuten dieses Album verschreiben lassen.