18 Tracks, 56:20 Minuten Spieldauer – das ist Edgar Wassers „Tourette-Syndrom EP„. Jap, das soll eine EP sein, so isser nunmal, der Edgar. Aber wie man das Kind nun nennen mag, ob EP, Album, Mixtape oder etwas ganz anderes – die Frage ist ja, ob das gute Stück über die enorme Spieldauer zu überzeugen weiß.
Edgar Wasser kennt seine Stärken und Schwächen ganz genau – und das spielt er gekonnt aus. Statt sich an spektakulären Flowabfahrten zu versuchen und mit triolischem Quadrotime-Geflexe seine Skills zur Schau zu stellen, beschränkt er sich auf das, was er am besten kann – die „Tourette-Syndrom EP“ unterhält den Hörer. Aber nicht auf eine plumpe 257ers-Art, sondern mit durchdachten, pointierten Texten, deren Aussage stets durch eine augenzwinkernde Punchline durchschimmert. „Diskriminierung ist nicht cool, du Spast! Diskriminierung ist behindert!“.
Die gesamte EP ist mit einem Fokus auf die Texte zu genießen, denn darauf wurde definitiv das Hauptaugenmerk gelegt – und das ist gut so. Natürlich, Edgar Wasser ist ein routinierter und guter MC, aber der Verzicht auf Flow-Schnörkel und Technik-Schnickschnack tut der EP gut. Es geht schließlich darum, den gradlinigen Gedankenkonstrukten und Pointen zu folgen – Schmuck und Tand wären dem nicht gerade zuträglich. Edgar überzeugt einfach durch grundsolide, serifenlose Raps mit schwarzhumorigen, gehaltvollen und unterhaltsamen Punchlines mit einer straighten und versierten Delivery an den Mann gebracht. Diese großartige Vortragsweise kaschiert die Zweitrangigkeit der Technik hervorragend – selbst wenn man bewusst auf die Reime achtet, wird die Aufmerksamkeit immer wieder auf den Inhalt gelenkt.
Nicht dass die Reime schlecht wären, aber sie sind halt einfach Nebensache. Lässt Edgar sich, etwa auf „Gedicht„, doch zu Technikspielereien hinreißen, kann man das Talent für durch strukturierte Rhymepattern zwar nicht leugnen, aber der Inhalt wird unweigerlich – haha – verwässert. „Was willst du mit Anzeige? Ich befinde mich am meisten auf Bahnsteigen ausgestattet mit Dartpfeilen, mit denen ich die wartenden Passagiere abschmeiße, ja krass scheiße du Flachpfeife, sei leise – ich beherrsch‘ ein Instrument und das bist du – Arschgeige“ – und so weiter. Zweckreim, ick hör‘ dir trapsen. Klar, die x-silbige Reimkette über x Zeilen beeindruckt – aber ganz ehrlich, dafür kauft man sich kein Edgar Wasser-Album, pardon, EP.
Die zynischen Gedankenspielereien, die Edgar so sadistisch spitz, aber unmissverständlich humorvoll einrappt, kommen beim Hörer an, und zwar exakt wie sie es sollen – präzise wie ein Skalpell, gleichzeitig brutal wie eine Dampframme ins Gesicht – und das auch noch ausgesprochen sympathisch. Okay, es gibt sicher auch den ein oder anderen Intelligenz-Allergiker, der auf solche Metaebenen-Spielchen keinen Bock hat – aber so anspruchsvoll ist das alles gar nicht. Die Grundthematiken reichen von der Position der Frauen im Rapgame („Sprechgesang ist Männersache, mischt euch da nicht ein, ich fang ja auch nicht an mit Wäsche machen“) über Tierschutz („Ich mache Witze über Dinge die mir nahe gehen, lass mal über Delfine und nicht über Haie reden“) bis hin zur autotuneschwangeren Persiflage von Gangsta-Rap. Es wird nicht nur platt der Zeigefinger gehoben, sondern sich wirklich konstruktive Gedanken gemacht. Wobei – „Jeder, der mich nicht mag ist, homophob und Judenfeind!“ – da muss einem der Münchner ja sympathisch sein.
Die „Tourette-Syndrom EP“ ist exakt das was man von Edgar Wasser erwartet hat – und das ist gut. Edgar übernimmt sich weder, noch stellt er sein Licht unter den Scheffel. Gelegentlich driftet der Humor etwas ins infantile ab „Zuckowski mit Tippfehler im Vornamen -ROFL!„, aber irgendwie ringen auch derart stupide Lines mir immer wieder ein Schmunzeln ab. Ganz rund wirkt die EP aber nicht, und teilweise hat man das Gefühl, Edgar ruht sich ein wenig auf dem Sympathiebonus und der Tatsache, dass man ihn aufgrund des stets vorherrschenden Sarkasmus auf nichts festnageln kann, aus. Aber Langweilig wird es trotz fast einer Stunde Spielzeit jedenfalls nicht.