Review: Bass Sultan Hengzt – Zahltag Riot

Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass die jugendlichen Hengzt‘schen Pöbellaunen mit dem letzten Release „Musik wegen Weibaz“ endgültig Geschichte seien. In der rap.de-Review zu selbigem schrieb Chefredakteur Oliver Marquart im Mai 2015, dass „die Zeiten, als Hengzt die Ketten raushängen ließ und den Kragen hochstellte […] allemal vorbei“ seien.

Falsch. Hengzt‘s Kragen ist im Februar 2017 offenbar wieder erigiert bis zu beiden Ohren und seine Ketten baumeln schwer bis knapp über den Fußoden. Der einzige Unterschied zu früher: Heute wirkt das alles leider eher angestrengt und anstrengend als lässig.

„Zahltag Riot“ folgt keinem wirklichen Konzept. Der einzige rote Faden, der sich durch das Album zieht ist die stetige Aneinanderreihung meist relativ inhaltsloser Phrasen mit der Absicht, andere Künstler und verschiedenste Minderheiten zu verunglimpfen. Es scheint Hengzts Anspruch zu sein, diese in jedem Fall auf möglichst eklige Weise, dafür aber beinahe immer ohne Begründung und fast durchgehend unkreativ,  langweilig und geschmacklos nieder zu machen. Hauptsache in alle Richtungen austeilen und dabei herablassend grinsen, am Ende des Tages ist ja alles „eh nicht so gemeint“.

Auf das Intro des Albums (der Beat geht gut vorwärts, der Text könnte dünner kaum sein) folgt der Titelsong „Riot“. Hengzt ruft zum Aufstand, zum Freidrehen, zum Ausrasten, eben zur „Riot“ auf. Hört sich ja erst mal ganz spannend an. Wer allerdings denkt, dass es hier um einen Aufstand gegen das Establishment ginge, liegt falsch. Das exakte Gegenteil ist der Fall: Hengzt will Female-MC‘s seine „Schlange in die Kehle“ drücken, seine Fans „wie Schwesta Ewa auf den Strich schicken“, seine „Aggression an Schwachen“ auslassen und „Panik im Flüchtlingsheim“ verbreiten.

Was mich an „Riot“ noch mehr stört als der Inhalt der Lines ist die Aufmachung der dazugehörigen Videoauskopplung: Bilder von einem vermummten Hengzt auf einem Dachboden und einer Stripperin an der Stange wechseln mit Mitschnitten von tatsächlich politisch motivierten Straßenschlachten, verschwimmen mit- und ineinander. Hengzt bedient sich also der Ästhetik und Attitüde der Rebellion, der Aufständischen in den Pariser Banlieus und der Streikenden in wüsten Straßenschlachten mit der Staatsmacht und missbraucht die Videos von Eskalationen emanzipatorischer Demonstrationen für seine Zwecke. Gerade so, als würden die Leute, die dort gegen soziale Ungerechtigkeiten, für ein besseres Bildungssystem, gegen Nazi-Aufmärsche oder sexualisierte Gewalt auf die Straße gehen, seine kruden, sensationsgeilen Lines unterstützen.

Für den Song „Donald Trump“ wiederum hat sich Hengzt eine Vielzahl von Vergleichen ausgedacht, die im weitesten Sinne irgendwas mit Politik zu tun haben à la „Für euch mache ich Deutschrap great again, Fotze“. Eine schlüssige Kernaussage ist natürlich nicht wirklich zu erkennen, allenfalls die, dass Hengzt mindestens genauso skrupellos und cool sein möchte wie sein offensichtliches neues Vorbild. Natürlich bedient sich Hengzt auch der Logik des Davonjagens seiner persönlichen Feindbilder und so wird „als erste Amtshandlung Casper abgeschoben“ und dann „Kraftklub von Kanaks in den Wald genommen“. Super lustig, das alles.

„Drive-By auf Veganer-Fotzen“ gleicht dann fast einer Selbsttherapie hinsichtlich der Vergangenheitsbewältigung eines Jungen, der „früher nur ein Witz in der Hood“ war und jetzt auf dicken Max macht, Rolex trägt und „dauernd über Drive-Bys“ redet. Zu „Stute“, Hengzts Antwort auf Jennifer Rostocks feministische Ansage „Hengstin“ ist bereits alles gesagt worden.

Auf „Zahltag“ ist der dritte Feature-Gast Olexesh (die anderen beiden sind Arzt und Orgi) vertreten. Auch wenn es sich hier für OLs Verhältnisse um ein eher mittelmäßiges Projekt handelt, ist dieses Lied doch um einiges spannender als der Großteil der anderen Songs. Positiv sticht auch der Song „Aggression“ heraus, der ehrlich und auf seine Weise packend ist.

Der beste, weil einem schlüssigen Konzept folgende Track auf „Zahltag Riot“ ist jedoch „Zweimal im Leben“, irgendwo einzuordnen zwischen Storyteller und Disstrack. Hengzt umschreibt hier ausführlich eine Situation, in der er in Begleitung seiner Tochter Opfer einer feigen und unerwarteten Attacke mehrerer Angreifer und blutig geschlagen wurde. Der Song erzählt vom anstehenden Rachefeldzug gegen den bzw. die Täter.

Es ist nichts neues, dass Hengzt zum Zweck der Aufmerksamkeitssteigerung sich für fast keine Geschmacklosigkeit zu schade ist. Was früher noch irgendwie tatsächlich provokant wirkte und mit jugendlichem Übermut erklärt werden konnte, ist heute aber eine schale Suppe wohlkalkulierter Provokationen. Seine Beleidigungen und Disses richten sich fast ausschließlich gegen gesellschaftlich Schwächere, was er in bester Chris Tall-Manier versucht, als besonders witzig oder gar mutig zu verkaufen. Selten so gelacht.