Vor einigen Tagen haben wir Kaveh Ahangars Kommentar zu den seiner Meinung nach vorhandenen nationalistischen und völkischen Untertönen im Deutschrap veröffentlicht. Darauf gab es die unterschiedlichsten Reaktionen, von klarer Zustimmung bis völliger Ablehnung. Da wir ein Interesse daran haben, die Diskussion weiter zu führen, geben wir heute Pathos Pavlov die Möglichkeit, auf den Kommentar zu antworten. Wie bereits im Falle von Kavehs Kommentar gilt, dass nicht jede darin vertretene Meinung mit den Ansichten der Redaktion übereinstimmt.
Lieber Kaveh,
mit großem Interesse habe ich deinen Gastbeitrag zum Thema nationalistischer Tendenzen im deutschen Rap gelesen. Da ich bereits vor diesem Text mit einigen deiner Tracks und Positionen vertraut war, waren meine Erwartungen allerdings recht gering. Und ich muss sagen, du hast mich diesbezüglich nicht enttäuscht.
Aber zunächst möchte ich einmal auf die wenigen Punkte eingehen, in denen ich dir zustimmen kann und muss. So teile ich zum Beispiel deine These, dass neuerdings vermehrt solche Tendenzen durch deutschsprachigen Rap transportiert werden, und es gilt dies in aller Klarheit zu kritisieren. Auch sind die Beispiele Absztrakkt und Eko meiner Auffasung nach sehr geeignet, das zu verdeutlichen.
Warum nun jedoch ausgerechnet du dich dazu berufen fühlst, erschließt sich mir trotz meines Humors nicht. Wenngleich ich anerkennend feststellen muss, dass deine Kritik über ein plumpes „die sehen alle scheisse aus“ hinaus ging. Chapeau!
Ich werde gerne erläutern, warum es mir so abwegig erscheint, dass gerade du dich dazu kritisch äußerst. Neben den vermehrt völkischen Inhalten wird Rap inzwischen nämlich regelmäßig auch zu anderen Zwecken missbraucht. Ich erinnere mich da zum Beispiel an deinen Song „3. Intifada“ sowie einige Postings deinerseits auf deiner Facebook-Seite. Ganz abgesehen von deinen Auftritten bei deinen Genossen Ken Jebsen, Russia Today Deutsch und die Freiheitsliebe.
Unvergessen zum Beispiel wie du einen Beitrag auf deiner Facebook Seite sinngemäß mit den Worten begannst: „Es gibt keine Rechtfertigung für die Angriffe auf israelische Zivilisten…„, um dich danach in dem kompletten restlichen Post, welcher im übrigen sehr lang war, in Rechtfertigungen genau der besagten Terrorangriffe zu ergehen. Die Art und Weise, wie du den Begriff Genozid verwendest und somit die realen Genozide relativierst und verharmlost, ist schlicht und ergreifend ekelhaft. Und du bist damit nicht allein, es macht dich auch nicht zu einem Rebellen, denn es ist nur ein weiterer Beitrag zum gruppenbezogenen Menschenhass, den du selbst so sehr abzulehnen vorgibst.
Wo Absztrakkt und in Teilen auch Eko den völkischen Geist beschwören und damit Stimmung gegen arabische bzw. muslimische Migranten machen, da übernimmst du mit einer besorgniserregenden Leidenschaft den antijüdischen bzw. antiisraelischen Part. Und du bist damit keineswegs alleine. Wo ein Fuat ganz offen von der „Verkommenheit der Juden“ spricht, ein Massiv verschwörungstheoretische Inhalte verbreitet, agierst du halt minimal geschickter indem du den Juden durch den Zionisten ersetzt. Die Agenda ist jedoch die selbe.
So leistet ein jeder von euch auf seine Weise seinen kleinen Beitrag zu den täglichen Übergriffen auf Menschen, welche scheinbar oder offensichtlich in das durch euch transportierte Feindbild passen.Und genau das bringt die Ironie deines Beitrags zum Vorschein, von der ich eingangs schrieb. Im Grunde triffst du dich dort nämlich genau mit den Leuten die du kritisierst: Ihr nutzt jeweils eure Musik, um in Zeiten der zunehmenden Verschärfung des gesamtgesellschaftlichen Klimas Öl ins Feuer zu gießen. Jeder auf seine Weise, jeder gegen seinen ausgemachten Feind.
Ich freu mich übrigens auf den zweiten Teil deines Beitrages, wo du dich linkem Rap widmen möchtest. Auch wenn ich glaube, dass ich den Inhalt zu 80% schon kenne. Ein paar Neoliberalismus-Vorwürfe hier, etwas Antilopen Gang dort, garniert mit deiner Imperialismuskritik und deinen unscharfen Begrifflichkeiten… Alles Rassisten außer Mutti, Zionisten sind Nazis und so weiter. Ist halt alles nicht so spannend.
Zum Abschluss möchte ich alle Leser dieses Beitrages dazu aufrufen, sich noch kritischer mit den transportierten Inhalten im Rap auseinander zusetzen und danke rap.de für die Möglichkeit, mich hier im Zuge einer wichtigen Debatte einbringen zu können. Ich würde es sehr begrüßen, wenn diese Möglichkeit in Zukunft häufiger genutzt würde und so eine zwingend erforderliche Diskussion entsteht. In Deutschland brennen nahezu täglich Flüchtlingsunterkünfte, Menschen werden aufgrund ihrer Herkunft und/oder ihres Glaubens schikaniert, ausgegrenzt und angegriffen.Seien es nun Juden, Muslime oder Sinti und Roma. Es liegt an uns allen, einen Beitrag zur Veränderung dieser Zustände zu leisten. Eine Diskussion wäre dazu ein guter und wichtiger erster Schritt.