Nationale Töne im Deutschrap? Not in my name [Kommentar]

Der folgende Artikel ist ein Gastbeitrag von Kaveh Ahangar. Die von ihm in diesem Kommentar vertretene Meinung entspricht nicht zwingend in allen Punkten der Meinung der rap.de-Redaktion. Wir sehen den Artikel als Diskussionsbeitrag und Aufforderung an jeden, sich selbst eine Meinung zu bilden. 

Eko Fresh spricht sich in seinem neuen Track „Domplatten Massaker“ für die Abschiebung der nordafrikanischen Sexualstraftäter von Köln aus. Darüber hinaus nimmt er sich das Recht im Namen der Deutschen mit „Migrationshintergrund“ zu sagen: „Auch wir sind stolz auf dieses Land“. In der Hook gibt es dann noch Props an die Bundesregierung: „Das geht raus an Sigmar und die Angela“.

Auch wenn Eko in dem Song einige Dinge sagt, die richtig sind, hinterlassen seine Zeilen einen ziemlich bitteren Beigeschmack und dies ist nicht das erste Mal, dass Eko chauvinistische Töne spuckt. Ich kann nicht oft genug wiederholen: Abgesehen davon, dass die deutsche Gesetzgebung in vielerlei Hinsicht sehr problematisch ist, sollten Geflüchtete nach deutschem Recht bestraft werden und nicht härter als deutsche Passträger*innen. Alles andere verstößt gegen die Gleichheit vor dem Gesetz und den universellen Menschenrechten. Eko spricht nicht in meinem Namen, wenn er seinen Nationalstolz verkündet oder die Kanzlerin und ihren Stellvertreter und Wirtschaftsminister grüßt.

Ich bin für internationale Solidarität statt Patriotismus. Wieso sollte ich stolz auf ein Land sein, das als viertgrößter Waffenexporteur der Welt an mehreren Kriegen beteiligt ist und durch Bombardierungen den Tod zahlreicher unschuldiger Zivilisten, wie z.B. in Afghanistan, zu verantworten hat. Warum sollte ich stolz auf einen Staat sein, der Geflüchtete diskriminiert und eine neoliberale Politik verfolgt, die Millionen von Menschen im In- und Ausland der Ausbeutung und Willkür der Konzerne aussetzt? Warum sollte ich stolz auf ein Land sein, das seinen Wohlstand auf Kosten des globalen Südens aufrecht erhält? Ein Land, in dem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Warum sollte ich stolz auf eine Regierung sein, die zusammen mit den Mainstreammedien, eine Politik betreibt, welche die Armen gegeneinander ausspielt und die faschistische Tendenzen der Mehrheitsbevölkerung verstärkt? Warum sollte ich stolz auf ein Land sein, in dem jeden Tag ein Mensch Opfer rechter Gewalt wird, täglich mehr als drei Asylunterkünfte angezündet werden und seit 1990 hunderte von Menschen von Rassisten getötet wurden? Warum sollte ich stolz auf ein Land sein, in dem jedes Jahr 400.000 Männer Sexurlaub machen oder 8.000 Frauen im Inland vergewaltigen? Warum sollte ich stolz auf ein Land sein, in dem nicht-weiße Menschen schwieriger an Jobs, Ausbildungsplätze, Wohnungen und Freizeitmöglichkeiten herankommen? Natürlich hat Eko als erfolgreicher Rapper nicht mit solchen Problemen zu kämpfen. Er ist schon lange in der bürgerlichen Mitte angekommen und biedert sich an die deutsche Regierung an.

Eko ist allerdings nicht der erste bekanntere Rapper, der dieses Jahr schon nationalistische Sprüche abgelassen hat. Auch der Rapper Absztrakkt hat nach den Attacken in Köln erst ein rassistisches Statement von Claus Strunz, dem ehemalige Chefredakteur der Bild-Zeitung, geteilt und dann den Song „Walther“ released, in dem er Zeilen rappt wie: „Verfluchte Moralisten, die versuchen Stimmung zu machen/ Ja, was?! Ich bin Deutscher! Ihr Heuchler tragt die Nettigkeitsmasken (…) Dieses Land kriegt jetzt endlich wieder Männer die sich wehren (…) Es ist meine Bürgerpflicht eine Stimme zu sein/ gegen die geplante Unterdrückung und die Gesinnungspolizei (…) Ich mach mir Sorgen, denn der Niedergang dieses Landes lässt mich immer mehr abdriften in den Widerstand“. Absztrakkt macht in dem Song also eine eindeutige, negative Anspielungen auf „Gutmenschen“, offenbart eine positive Einstellungen gegenüber nationaler Identität und Bürgerwehren „besorgter Bürger“ usw.

Eko und Absztrakkt finden sich jedenfalls in guter Gesellschaft. Aus gegebenem Anlass hier ein Ausschnitt aus meinem Artikel „Politischer Rap in Deutschland“ (2005), bei dem ich auf weitere Rapper mit rechten Tendenzen zu sprechen komme: Die Kunst- und Unterhaltungsindustrie kann ein guter Indikator dafür sein, was für Stimmungen in der Gesellschaft vorherrschen und reflektiert bis zu einem gewissen Grad auch den Geisteszustand in der sich die Mehrheitsbevölkerung befindet.

Ich stelle die These auf, dass es in keinem anderen Land des Westens eine Rap-Szene gibt, in der konservatives, nationalistisches, patriotisches oder rassistisches Gedankengut so stark im Untergrund und Mainstream verankert sind und von der Mitte der Gesellschaft gefeiert werden wie in Deutschland. Seit Ende der 90er und vor allem in den letzten zehn Jahren konnte man zudem die zunehmende Bekundung einer nationalen Identität von Rapper*innen mit türkischem, kurdischen, arabischem und albanischem Hintergrund oder auch mit Wurzeln in Ex-Jugoslawien erkennen, die stolz ihre patriotischen Gefühle durch Symbole wie Fahnen, dem Hochhalten von Traditionen und einer Religiosität– die nicht einmal von den eigenen Eltern gelebt wird – zur Schau stellen. Dies ist unter anderem eine Folge des stetig anwachsenden deutschen Nationalbewusstseins und Nationalstolzes der letzten 30 Jahre, sowie der zunehmenden Diskriminierung und Ausgrenzung sog. „Migranten“ auf dem Arbeits,- Bildungs,- Wohnungs,- Unterhaltungs- und Freizeimarkt (z.B. Diskotheken).

Dass der damals bekennende AfD-Unterstützer Bushido 2011 den Integrationspreis angenommen hat, obwohl er in Deutschland geboren wurde und aufgewachsen ist, macht deutlich, dass man auch als Nicht-Weißer sehr wohl rassistische Stereotypen verinnerlichen und reproduzieren kann. Dies trägt nicht gerade dazu bei, dass die nicht-weiße Bevölkerung in Deutschland als gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft anerkannt wird, anstatt ständig als kulturell andersartig kategorisiert zu werden.