Sookee

Ein einfaches Gespräch war es nicht, aber wer will es auch schon immer einfach haben? Sookee garantiert nicht! Mit der Konsequenz einer sprachanalytischen Chirurgin setzt sich die Rapperin mit ihrer Umwelt, der Welt an sich und der Hip Hop Welt auseinander und stößt nicht nur hin und wieder sondern eigentlich die ganze Zeit auf Widersprüche oder auf Dinge, die ihren Widerspruch hervorrufen.
Das richtige Leben im Falschen. Die permanente Suche nach Alternativen. Auflösung tradierter Rollenmuster. Homosexualität und Hip Hop. Gegen die Schönheitsideale von Germanys Next Topmodell. Sookee beschäftigt sich mit vielen Dingen und deshalb war es dann auch selbstverständlich, dass wir sie anlässlich ihres aktuellen Albums „Quing“ zu einem Gespräch gebeten haben, auch wenn dies wiederum für Sookee etwas überraschend war. Denn, was ist schon selbstverständlich in dieser Welt? Das müsste man erst mal klären… Wie gesagt: So einfach war das Gespräch nicht, dafür aber hochgradig interessant.


rap.de: Ich bin darauf gekommen das Interview mit Dir zu führen, nachdem ich auf Deiner Seite einen Link entdeckt habe, der mich wiederum zu einem Artikel auf Stern.de glaube ich führte, wo über dieses Kaisa Interview gesprochen wird. In diesem Artikel auf stern.de wurde gesagt ich hätte eigentlich an manchen Stellen das Interview abbrechen müssen mit Kaisa und hätte aufstehen und gehen müssen. Meine Frage wäre jetzt: Bist Du auch der Meinung, dass man mit manchen Leuten nicht reden darf?

Sookee: Kommt drauf an in welchem Format und in welchem Rahmen. Ist halt die Frage ob man den Leuten eine Plattform geben will, um sich zu äußern über hochproblematische Sachen, die nicht ausreichend kommentiert werden. Also ich finde grundsätzlich das ein Dialog immer etwas Wichtiges ist, ganz klar. Ist halt nur die Frage was, wann, wie ungefiltert an welches Publikum rausgeht. Das lässt sich nicht generell beantworten natürlich.

rap.de: Jetzt hat sich da in der Zwischenzeit ja auch der Staatsschutz eingeschaltet und es gab einen Anruf der Kriminalpolizei mit dem O-Ton: "Denken dürfen die Leute einiges, aber sagen dürfen sie es nicht.“ Die Frage ist jetzt: Was sagst du dazu?

Sookee: Ich bin nicht für Verbote. Ich bin halt für eine gründliche Aufbereitung. Ich würde nie jemanden zensieren. Ich bin gegen staatliche Zensur. Ich bin aber dafür, dass anständige Kontexte geschaffen werden, in denen bestimmte Inhalte nicht einfach so im Raum stehen, ohne dass sie diskutiert werden.


rap.de: Auf Deinem Album, das ich leider nur halb gehört habe, hast Du einen Track drauf, der sich ganz konkret mit Homophobie im Rap befasst. Ist das so ein Beispiel, dass man bestimmte Inhalte nicht unkommentiert stehen lassen darf?

Sookee: Den hast du also gehört. Zur Hälfte? Bis zur ersten Hook? Ok. Super! Ja genau, es ist krass anstrengend festzustellen, dass Heterosexualität als die einzig vertretbare Sexualität dargestellt wird und die sogenannte Abweichung, die als solche gesetzt wird, wird sanktioniert, wird mit Stereotypen ausgestattet und das funktioniert so nicht.
Ich meine, wer hat da die Macht zu bestimmen, was angeblich normal ist? Und das sind einfach traditionelle Entwicklungen, die in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder gefestigt werden, über bestimmte Bastionen in denen Männlichkeit und Weiblichkeit ganz klar fixiert ist und zementiert ist und ja, das macht mir einfach große Sorgen. Weil das für bestimmte Leute in ihren Lebensrealitäten einfach eine Menge Ärger und eine Menge Unbehagen und eine Menge Probleme bedeutet.
Gucken wir uns doch Hip Hop an: Ich hab von Dir auch Interviews gelesen, wo Du so eine Zusammenschau lieferst darüber, wie sich der Begriff "schwul“ als – Zitat Marcus Staiger: "normales Schimpfwort“ hin zu einem Begriff entwickelt hat, wo du auch nicht mehr cool damit bist, dass Leute das irgendwie negativ verwenden.
Sprachen haben grundsätzlich viel zu viele Möglichkeiten, als dass man sich auf bestimmte Begriffe festlegen sollte und andere damit runtermachen will und gleichzeitig auf bestimmte Gruppen referiert und quasi deren stereotype Wahrnehmung Dritter nutzt, um noch mal nachzutreten. Was soll so was? Wieso sind die Leute so unkreativ? Gerade Rapper agieren mit Sprache. Das ist deren Handwerk. Was müssen die da so einfallslos sein und sich auf bestimmte Begriffe berufen um irgendwie rough und männlich um die Ecke zu kommen? Ich versteh die Logik dahinter nicht. Da habe ich ein großes Problem damit. Du grinst so!? (lacht)

rap.de: Weil ich da meine ganz eigene Theorie habe: Ich glaube die sind alle schrankschwul.

Sookee: Was heißt das bitte?

rap.de: Die sind alle in Wirklichkeit homosexuell und müssen sich durch übertrieben männliches Getue abgrenzen von dieser Homosexualität.

Sookee: Okay, das heißt, das sind irgendwie alles verkappte Schwule?

rap.de: Ja. Deshalb sind sie auch so gern mit Jungs zusammen.

Sookee: Aber dazu muss man ja nicht schwul sein. Aber, das bedeutet ja, dass die Möglichkeit zu einem Outing aus eigenem Willen heraus, die Situation verbessern würde.

rap.de: Es müsst zu einem radikalen Umdenken führen. Also ich freu mich ja auch schon auf das erste große richtige Outing, was auch wirklich von Relevanz ist. Wenn 50 Cent jetzt endlich mal aufstehen würde und sagen würde: "Ich bin homosexuell, dann fänd ich das schon ganz gut.

Sookee: Schade, dass du kein deutsches Beispiel nimmst.

rap.de: Ich wüsste jetzt nicht so wirklich wen ich…

Sookee: …bei laufendem Tonbandgerät nennen würdest. (lacht) Es hilft auch nichts Namen zu nennen, weil man muss das ja nicht personalisieren. Ich muss ja nicht eine Person raus greifen um über eine Struktur zu reden.
Wenn ich öffentlich darüber rede, dass ich Texte von bestimmten Leuten krass problematisch finde, dann sorge ich vorher dafür, dass ich die Zeit hab, wenn ich irgendwo öffentlich spreche, noch zu erklären, was ich meine, was dahinter steht und was das für die Gesellschaft bedeutet.
Warum outen sich denn die ganzen schwulen Rapper nicht? Warum denn nur?

rap.de: Weil es in ihrer Gesellschaftsstruktur problematisch wäre für sie.

Sookee: Richtig. Genau und das ist doch total blöd, dass sie in ihren Texten dazu beitragen dass diese Struktur erhalten bleibt. Das ist ein bisschen widersprüchlich finde ich.
Und diese ganzen Leute versammeln sich im Hip Hop und sorgen dafür, dass das die öffentliche Meinung ist von Hip Hop, ja? Dass es irgendwie homophob und sexistisch und, und, und ist. Ziemlich schade.

rap.de: Warum bist du in dieser Hip Hop Szene oder warum fühlst Du Dich da hingezogen?

Sookee: Ich war nie irgendwo anders. Das ist das was ich kenne. Ich kenn auch die Welt nicht. Ich war fast immer in Berlin, fast mein ganzes Leben lang. Ich geh auch nirgendwo anders hin. Ich bleibe bei den Sachen, die ich kenne und probier von da aus weiter zu entwickeln, was mir Spaß macht.
Und weil ich keinen Bock habe zu kapitulieren, weil ich Bock habe, dass es ein paar Leute gibt, die eine Stimme haben, die dagegen sprechen. Was bei mir halt offenbar ziemlich gut funktioniert.

rap.de: Bist du manchmal frustriert?

Sookee: Im Bezug auf Hip Hop? Och, ich will mir nicht den Tag versauen lassen. Ich probiere dann damit irgendwie umzugehen und einen Track zu schreiben wie den, den du immerhin bis zur ersten Hook gehört hast.

rap.de: Ein großes Problem, was ich bei Dir sehe, ist die Art der Sprache, wie Du Deine Positionen rüberbringst. Die Sprache ist sehr kompliziert, die Sprache ist sehr akademisch. Würdest Du das gerne ändern?

Sookee: Das ist eine Trainingsfrage tatsächlich. Also ich will meine Tracks so haben, wie ich sie habe, weil so machen sie mir Spaß. Und ich schreibe nicht für ein spezielles Publikum, ich schreibe das so, wie ich es kann.
Ich bin ja auch in verschiedenen pädagogischen Zusammenhängen tätig, auch zum Thema Hip Hop. Sowohl Praxis Kram als auch: "Was bedeutet das eigentlich alles? Inwiefern hat Hip Hop politische Dimensionen?“ und da bin ich natürlich darauf angewiesen, mich sprachlich so ein bisschen umzustellen, dass die Jugendlichen mit denen ich da quatsche, sich nicht den akademischen Talk reinziehen müssen, den sie auf den Tracks zu hören kriegen, sondern der Dialog tatsächlich funktioniert zwischen denen und mir und den Leuten, die sich daran beteiligen. Also ich kann auch anders, wenn ich will, aber ich habe keine Lust meine Tracks so zu basteln, dass diese Frage nicht auftauchen müsste, die du mir gerade gestellt hast.

rap.de: Wie funktioniert dieser Dialog mit den Jugendlichen?

Sookee: Hmm. Ich arbeite über verschiedene Träger, die verschiedene Projekte haben, die politische Bildungsarbeit mit Jugendkulturpraxis verknüpfen. Das sind dann ganz unterschiedliche Formate. Paar einstündige Workshops,  paar langfristige Geschichten. Ganz unterschiedlich. Mir geht’s darum, Jugendliche zu motivieren, nicht das Poster von ihrem großen Rapstaridol überm Bett hängen zu haben, sondern selber Texte zu schreiben. Das ist mir wichtig. Denn es hilft. Es ist eine so schöne Sache.
Und nebenbei wird darüber geredet, warum ich als Privatperson, aber auch als Person mit einem pädagogischem Auftrag ein Problem damit hab, wenn bestimmte Begriffe in Texten auftauchen. Ich werde das niemandem verbieten, das zu schreiben, aber ich nehme mir das Recht heraus nachzufragen und das funktioniert ziemlich gut.

rap.de: Wie reagieren solche Menschen ganz konkret, wenn du sie darauf hin weist?

Sookee: Naja, also irgendwie "cool“ auf "schwul“ zu reimen ist erst Mal das, was naheliegend ist, wenn man noch nicht so versiert ist, gute Texte zu schreiben. Oftmals ist da so ein ganz einfacher Pragmatismus dran gebunden und weil ihnen keiner oder wenig Leute positive Irritation mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, sich zu artikulieren.
Ich meine positive Irritation ist schon mal eine gute Sache, bestimmte Sachen in den Fokus zu rücken und mal nach zufragen: “Versteh ick nich. Watt soll dit heißen? Erzähle mir was du damit meinst“ oder so.
Wie gesagt, ich werde niemanden zwingen, aber ich nehme mir das Recht raus, Sachen zu problematisieren.

rap.de: Würdest Du das gerne bei etablierten Rappern auch manchmal machen?

Sookee: Ja, super Idee. Dank Dir für den Vorschlag. Letzten Endes sind das doch alles Menschen. Die werden schon eine Ideen dazu haben, warum sie sich wie verhalten aber ich glaube, dass sich manche Dinge einfach sehr stark ändern können.

rap.de: Ist das so eine Grundeinstellung von Dir, dass Du niemanden verloren gibst? 

Sookee: Ich bin ja nicht God fucking Almighty oder so. Also was heißt verlieren? Ich freue mich, wenn Leute irgendwann anfangen umzuschalten und Sachen anders zu sehen. Das finde ich sehr begrüßenswert. Ich bin ein positiv denkender Mensch. Manche Menschen unterstellen mir, ich sei ein Hippie. Das ist schon in Ordnung so. Manche Dinge brauchen Zeit. Manche Dinge ändern sich nie, aber ich meine wir würden ja jetzt auch nicht in unseren unterschiedlichen politischen oder soziokulturellen Zusammenhängen soviel Leidenschaft und Zeit und Arbeit und Mühe und all solchen Kram reingeben, wenn wir nicht hoffen würden, dass sich Dinge ändern.

rap.de: Schwarz, Rot, Gold zur WM ist das ein Problem?

Sookee: Ja, finde ich nicht so gut. Was soll das? Ich weiß nicht was eine Idee von Nation soll. Da kann ich nichts mit anfangen. Ich mag solche Gruppen nicht. Ich finde Interessengemeinschaften sind zum Beispiel eine viel schönere Variante. Eine bessere Kategorie, wenn man so mag.

rap.de: Manchmal habe ich den Eindruck HipHop ist der Ausdruck des kollektiven Unterbewussten also HipHop spricht das aus, was viele denken und was oft nicht gesagt wird. Siehst du das ähnlich?

Sookee: Ja, aber alle möglichen kulturellen Outputs tun das ja so. Würden wir gemeinsam in einem klassischen Orchester spielen, würden wir über das andere Medium, das dann da zur Verfügung steht, ähnliches sagen. Ich glaube, das gilt grundsätzlich.
Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass Leute HipHop dafür kritisieren, dass HipHop ist, wie er/sie ist, dass man das ganz toll als Projektionsfläche nutzen kann.
Wenn ich ein Feld habe, wo ich das nach hinten hin abwälzen kann, dann muss ich mich nicht mit mir selber befassen, mit den Zusammenhängen, in denen ich selber aktiv bin.
Es mag sein, dass HipHop Sachen artikuliert, die andere Leute irgendwie auch denken, aber wenn man sich darauf stürzen kann und sagen kann:“ Da ist es ganz besonders schlimm,“ dann muss man sich nicht mehr darum kümmern, was bei einem selbst so los ist.
Das finde ich eigentlich viel problematischer.

rap.de: Ja also ich glaube auch, dass eine Frauenquote von 20 % in Führungspositionen das entscheidendere Problem ist, als Frauen, die in HipHop Songs gedisst werden. Wahrscheinlich ist das so im Großen wie im Kleinen.

Sookee: Genau. Tatsächlich. Ja. Aber das ist einfach so ein traditionelles Ding wodurch so eine Institution einfach durch gewissen Instanzen geschützt wird.
Ich meine, das ist ja immer so die Kritik, dass die paar Frauen, die es da gibt im HipHop nicht so gut sind und deswegen nicht eingeladen werden zu einem Konzert oder einer Jam. Andere Typen hingegen, die genauso scheiße rappen, dürfen sich aber auf der Bühne austoben noch und nöcher. Das verstehe ich nicht. Also ich glaube einfach, dass der homosoziale Raum von Männern unter sich, dass diesen zu sichern, das eigentliche Anliegen ist. Da werden irgendwelche Ausflüchte erfunden, um sich damit nicht zu befassen. Und dann geraten Frauen in die missliche Lage erklären zu müssen, warum sie im HipHop aktiv sind.
Ich meine kein Typ fragt einen anderen Typen, warum er im HipHop aktiv ist. Frauen werden so etwas des öfteren schon mal gefragt.

rap.de: Darf ich die Frage anders herum stellen. Warum sind so viele Frauen NICHT im Hip-Hop aktiv?

Sookee: Ja ich hab’s ja gesagt, es ist einfach eine Männerbundscheiße.

rap.de: Warum gibt es denn diese Frauenbundscheiße nicht so? Zumindest nicht im Hip Hop.

Sookee: Ja weil der Männerbund zuerst da war und weil der Männerbund mehr Legitimationsmöglichkeiten hat. Weil Hip Hop als Battlekultur verstanden wird und Battlekultur wird mit Härte verstanden und Härte wird im Stereotyp nicht mit Weiblichkeit assoziiert. Also geht man davon aus, dass Frauen im  Battle sich nicht wohl fühlen per se oder was auch immer.

rap.de: Ist das auf die Gesellschaft übertragbar?

Sookee: Ja natürlich, immer in Bereichen, wo es um Professionalisierung geht oder wo der Konkurrenzdruck größer wird, gibt es weniger Frauen, weil Frauen je nachdem wie sie sozialisiert sind, unter Umständen andere Aspekte mit reinbringen können.
Wenn du mir als Konzernchef einen Job anbietest, dann werden wir meine Einstellung vermutlich im Puff feiern und ich kann da als Frau nicht mit. Weißt du was ich meine?

rap.de: Also ich bin noch nie im Puff eingeladen worden.

Sookee: Du wurdest auch nicht in einem Konzern eingestellt, vermutlich liegt es daran.

rap.de: Glaubst Du, dass es an solchen Kleinigkeiten liegt?

Sookee: Das sind keine Kleinigkeiten. Ich meine, das ist ja eine Artikulation vom Bedürfnis danach so eine Idee von Männlichkeit zu stabilisieren. Das darf halt nicht in Frage gestellt werden. Männlichkeit darf nicht in Frage gestellt werden, sonst funktioniert die Ordnung nicht mehr.
Dabei lassen sich viele Leute gar nicht darauf ein, darüber nachzudenken: Was wäre denn möglich, wenn man gewisse Dinge ändert? Also im positiven Sinne.

rap.de: Was glaubst Du ist die effektivste Rolle, um die Dinge zu ändern: Als Künstlerin, als Wissenschaftlerin oder als Politikerin?

Sookee: Okay, ich bin keine Politikerin, also wenn wir jetzt von parlamentarischer Politik ausgehen. Wissenschaftlerin, weiß ich nicht. Ich würde mich nicht als Wissenschaftlerin verstehen.
Als Künstlerin würde ich mich auch nicht verstehen, weil ich den Kunstbegriff noch nicht verstanden hab. Ich sage immer: Ich liefere kulturellen Output. Das ist das Feld, in dem ich mich am wirksamsten verstehe und in dem ich mich am meisten wohl fühle.

rap.de: Ich habe den Eindruck, Du möchtest jeden Begriff in Frage stellen, ist das richtig?

Sookee: Unbedingt! Also zumindest diskutieren. Ich kann nicht davon ausgehen, dass wir das Gleiche meinen, wenn wir beide den gleichen Begriff als Lautkette quasi verwenden. Woher soll ich das wissen? Dazu muss ich mich doch erst mal mit Dir befassen. Also ich meine, die Menschen verstehen ja unter "Schwarz, Rot, Gold“ oder unter "schwul“ oder unter "Geschlecht“ oder unter "Neukölln“ was ganz anderes und das muss ich ja rausfinden. Das ist natürlich alles SEHR aufwendig, ich weiß, ich weiß.

rap.de: Ist das anstrengend für dich?

Sookee: Ja, total, aber großartig. Alles mögliche ist anstrengend. Atmen ist anstrengend, aber ich mache es trotzdem den ganzen Tag. Keine Ahnung was. Viele Dinge sind mit viel Anstrengung verbunden.

rap.de: Wie lange dauert das bei Dir, einen Text zu schreiben? Also das stelle ich mir jetzt unfassbar schwierig vor.

Sookee: Traust du mir nicht zu, dass ich mich mit meinen eigenen Worten auskenne?

Rap.de: Nein, aber ich glaube, dass Du sehr vorsichtig bist.

Sookee: Na, ich bin ja schon in dem zu Hause, was meine Sprache anbelangt. Also irgendetwas zwischen einer halben Stunde und einem halben Jahr vermutlich. Kommt ganz darauf an, wie klar bestimmte Ideen schon in meinem Kopf vorhanden sind oder in meine alltäglichen Praxis. Da finde ich es eher problematisch, sich an irgendwelche Rhymes zu halten. Das ist eigentlich das, was mir viel mehr Konzentration abverlangt. Ich habe schon eine ganz gute Idee davon, was ich sagen will.

rap.de: Von wem und in welchen Zusammenhängen wirst du gebucht?

Sookee: Also ich besuche eigentlich fast keine regulären Hip Hop Jams oder Konzerte mehr. Da will ich nicht privat hingehen, noch will ich da hingehen und auf einer Bühne stehen. Ich glaube auch, dass die Leute da keine Lust auf mich hätten. Deswegen sind in den letzten anderthalb, zwei Jahren die Zusammenhänge solche, die sich irgendwie, und das ist auch wieder eine Spektrumsfrage, als links und emanzipatorisch verstehen oder queerfeministisch oder was auch immer.

rap.de: Hast Du da nicht Angst, dass Du irgendwann mal nur noch zu Deinen eigenen Leuten sprichst?

Sookee: Nö. Das sind ja nicht meine eigenen Leute. Das ist zu kurz. Ich treffe ja trotzdem noch die Jugendlichen zum Beispiel in meiner Arbeit. Zu denen spreche ich ja auch.

rap.de: Du hast vorhin eine leicht kritische Bemerkung über die parlamentarische Demokratie gemacht. Habe ich das richtig verstanden, dass Du dieser kritisch gegenüber eingestellt bist?

Sookee: Ja, genau.

rap.de: Wie würdest Du Dir ein anderes politisches System wünschen? Gibt es da denn irgendeine Vorstellung?

Sookee: Ich glaube, dass das mit der Repräsentation immer so eine Sache ist. Wenn man sozusagen Konstruktion und Repräsentation gegenüberstellt. Das ist auch ein Hip Hop Thema, dass sich Rapper darauf berufen und behaupten, si würden "Straßenreport“ machen. "Ich erzähl nur, was mir wiederfahren ist“. Hip Hop ist ein Sprachrohr für alles mögliche. Ich glaube, dass es mit der Repräsentation nicht so hinhaut, weil einfach die Leute, die andere Personen repräsentieren wollen oder sollen, da immer noch eigene Interessen mit rein mischen.

Deswegen funktioniert das eben mit dem Straßenreport auch nicht. Deswegen glaube ich daran, dass es eine reine Repräsentation, eine reine Wiedergabe eines bestimmten Zustandes, Umstandes nicht gibt. Die Leute konstruieren immer ihre Realitäten mit dazu. Und diese Realitäten hängen einfach von dem ab, wie sie die Welt erleben und was ihnen zugetragenen wird und was sie daraus machen. Dasselbe gilt eben auch für ein Demokratieverständnis, was über Repräsentation funktioniert.
Flache Hierarchien sind mir zum Beispiel sehr lieb.

rap.de: Du lebst jetzt aber in einer Gesellschaft, die offensichtlich keine flachen Hierarchien hat. Bist Du damit unglücklich?

Sookee: Ja.

rap.de: Inwieweit ist es realistisch, in einer Gesellschaft leben zu werden, in der es diese flachen Hierarchien gibt?

Sookee: Kann ich Dir nicht beantworten. Ich rechne nicht damit, dass meine Utopie in den nächsten zehn Jahren realisiert wird, aber trotzdem ist sie eine Orientierung. Das passiert  halt nur schrittweise. So funktionieren Prozesse.  
Ich kann halt nach und nach dafür sorgen, in meinem Radius, dass die Sachen, die ich mir fürs Große wünsche, erst mal im Kleinen funktionieren und da werden sie auch überprüft.
Was heißt denn realistisch? Was wünschen wir uns nicht alles, was nicht stattfindet. Manche Sachen dauern.

rap.de: Ich denke gerade darüber nach, wie das ist, von einer Gesellschaft zu träumen, die nicht erreicht werden kann?

Sookee: Na ich träum nicht nur davon. Ich trage auch dazu bei, so gut ich kann. Ich setz mich ja nicht hin und schließ die Augen und denk darüber nach, wie schön das doch wäre. Ich habe ein tolles Album gemacht, was ganz minimal dazu beiträgt zum Beispiel.

rap.de: Welche Stücke sind Dir da besonders wichtig? Du kannst mir ja jetzt auch Hörempfehlungen geben, da ich das Album ja noch nicht richtig gehört habe zuvor.

Sookee: Du meinst, ich kann Deine Rezeptionsstrategie beeinflussen? Cool.
Also ich finde den Pro Homo Track schon ziemlich wichtig. Den Milady Track finde ich sehr wichtig. Der berichtet davon, dass ich mich freue, wenn Leute sich nicht, von irgendwelchen großen Industrien, die uns verklickern wollen, wie wir auszusehen haben, beeinflussen lassen. Das sind drei kleine Storys, wo ich auf drei verschiedene Personen treffe und denen eine positive Rückmeldung gebe, dass ich sie als schön empfinde unabhängig davon, wie andere Personen oder irgendwelche Industrien, wie Germanys Next Topmodell darüber urteilen würde.

rap.de: Gibt es eigentlich mal Momente, in denen du durch die Straßen gehst und Dir denkst, das ist mir jetzt für einen Augenblick mal alles scheißegal oder stolperst Du jeden Tag über Plakate, Werbungen, die genau diese Sachen transportieren, die Du gerade angesprochen hast? Ärgerst Du Dich darüber?

Sookee: Was heißt ärgern? Ich stell halt erst mal fest. Ich bin ja kein frustriertes Wesen, was darüber enttäuscht ist, dass die Welt nicht so werden wird, wie ich sie mir wünsche. Also ich kann mir dann überlegen, was man damit macht. Ich kann halt dann einen Track darüber schreiben, wie es anders sein könnte.
Ich habe mich halt einfach für bestimmte Sachen sensibilisiert und das kriege ich auch nicht mehr raus. Will ich auch nicht. Das ist wie eine Tätowierung oder wie eine andere wichtige Entscheidung, die du triffst in deinem Leben. Du erkennst Sachen. Die sind da und die haben dann auch ihre Berechtigung.

rap.de: Du hast eine Tätowierung, die den großen Widerspruch im Leben symbolisiert. Was ist der große Widerspruch im Leben?

Sookee: Dass ich mich mit Dingen arrangieren muss und dass ich mir eben nicht die Dinge so herbei träumen kann, wie ich sie mir wünsche, so ohne weiteres. Und man muss halt auch mit Widersprüchen dealen und damit umgehen und Möglichkeiten finden darin, nicht unglücklich zu werden und voran zu kommen.

rap.de: Das war ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch.