Gemeinsam mit dem Produzententeam Snowgoons veröffentlicht Absztrakkt am 17. Oktober das Album „Bodhiguard“. Wir trafen den Lüdenscheider, um nicht nur über den Produktionsprozess, sondern auch über Spiritualität und die interessante Person hinter Absztrakkt zu sprechen. Wer bereits frühere Werke des 58Muzik Künstlers kennt, weiß, dass dessen Eigensinn durchaus zu polarisieren vermag, aber eben auch bestechend und reizvoll ist.
rap.de: Das Album ist ja gemeinsam mit den Snowgoons entstanden. Wie war die Herangehensweise? Hast du erst geschrieben oder erst die Beats bekommen?
Absztrakkt: Ich arbeite eigentlich immer mit einem festen Produzenten oder einem Team. Dass ich also mit einem einzigen Team arbeite, ist in diesem Sinne nichts Neues. Für „Bodhiguard“ ging das so, dass die Snowgoons bei mir angefragt haben und ich sie dann gebeten habe, mir die Beats, die ich brauche, zu schicken, damit ich die verschiedenen Stimmungen schon habe. So hatte ich die Freiheit ein Konzept zu entwickeln, weil ich schon ungefähr wusste was ich sagen will und welche Stimmung ich brauche, damit ich eine Art roten Faden habe. Die Beats habe ich also bekommen, bevor ich angefangen habe zu schreiben, aber den Plan, was drauf kommt hatte ich bereits. Das Album ist wie ein Film strukturiert, es hat quasi eine Dramaturgie mit Höhen und Tiefen und verschiedenen Geschehnissen, die zu einem Ende hinführen. Also gibt es einen Handlungsstrang. Es ist auf jeden Fall ein Konzeptalbum.
rap.de: Wie lange haben die Arbeiten an „Bodhiguard“ gedauert?
Absztrakkt: Lass es mal anderthalb Jahre gewesen sein. Also rein vom Schreiben, bis das Album so stand, wie es ist, hat es etwa anderthalb Jahre gedauert. Mit dem Mastering noch ein bisschen länger – aber ich stehe ja unter keinem Druck. Ich muss ja nicht auf Biegen und Brechen etwas rausbringen. Ich mache die Sachen so wie ich mich fühle fertig und wenn sie stehen, dann stehen sie – danach kommt der ganze Rest. Ich bin eher darauf bedacht ein gutes Produkt zu haben, bevor die Werbetrommel gerührt wird. Ich will etwas gutes abliefern und dann kann man quasi die restliche Fettness drumherum basteln.
rap.de: Wieso habt ihr eine Limited Fanbox gemacht? Greifst du jetzt auch mal die Charts an?
Absztrakkt: Ich will jetzt richtig durchstarten und ’nen Ferrari fahren! (lacht) Nein, das hängt damit zusammen, dass ich vorher alles selber gemacht habe. Aber ich bin in dem Sinne kein Profi, ich hab n Paar Grafikskills, aber wir wollten dieses mal etwas neues machen, was im Gesamten rund und stimmig ist. Dazu gehört auch, dass Leute in dem Bereich die Arbeit machen, in dem sie wirklich Vollprofis sind. Das bedeutet dann natürlich, dass beispielsweise ein Imun, der wirklich Ahnung davon hat, das Cover macht und ein DJ s.R., der richtig Plan vom Mastering hat, das Master macht. Also in dem Sinne nicht, weil da jetzt große Kohle fließen soll, sondern als Dankeschön, als Tribut für die Leute, die Absztrakkt seit Jahren supporten. Damit die endlich mal was richtig ordentliches, also die Box, in der Hand haben. Wir wollten als Independent Label auch mal ein Zeichen setzen.
rap.de: Was genau hat es mit den Bodhibombs auf sich?
Absztrakkt: Die Bodhibombs sind Samenbomben. Die Idee, das noch als Gimmick in die Box zu packen, kam von DJ Eule. Das hat in dem Sinne die Bedeutung, einen Samen zu setzen. Das hat auch mit dem Gedanken von Karma zu tun. Wenn du dir das bildlich vorstellst, was du mit Gedanken, Worten oder Taten in die Welt setzt, ist das ja auch so als ob du einen Samen sähst. Es kommt auf verschiedene Bedingungen an – auf das Wasser, die Sonne, die Beschaffenheit des Bodens und andere Umstände, die dafür verantwortlich sind, dass der Samen keimt. So ist das auf der theoretischen Ebene mit Karma und so ist es auch mit der Bodhibomb.
rap.de: Von wem stammen die Ideen für die Artworks?
Absztrakkt: Wir sind zu Imun gefahren, der wohnt in Frankfurt und ist derjenige der für die Artworks verantwortlich ist. Dann haben wir verschiedene Fotos gemacht und uns direkt an Ort und Stelle für das Cover entschieden. Es standen zwei verschiedene zur Auswahl, aber letztendlich hatte das, was wir dann als Cover gewählt haben für mich mehr Ausdruck.
rap.de: Du stehst ja eher für Gewaltlosigkeit, aber das Katana und die Desert Eagle, die du auf dem Cover trägst, widerstreben dem doch eigentlich.
Absztrakkt: Auf den ersten Blickt wirkt das vielleicht kontrovers, aber wenn man den Song „I shot the Sheriff“ hört, dann weiß man, dass das Katana und die Desert Eagle Symbole sind. Symbole für Mitgefühl und Weisheit, das sind Aspekte des Geistes, die dir im mentalen Krieg helfen und gegen deine dunklen Seiten beistehen. Deswegen wirkt es vielleicht auf den ersten Blick kontrovers, aber es gilt die Symbolik dahinter zu verstehen. Absztrakkt arbeitet unheimlich viel mit Symboliken, und wenn man die nicht kennt, dann wirkt das auf den ersten Blick vielleicht befremdlich, aber befasst man sich näher damit, dann macht das Sinn.
rap.de: Ist der Junge im Video zu „I shot the Sheriff“ dein Sohn?
Absztrakkt: Nein, ich hab keine Kinder. Das ist der Sohn von Freunden, die kommen auch aus Lüdenscheid und ich kenne die schon einige Jahre. Wir haben dann bei denen angefragt und den Sohn gefragt, ob er darauf Bock hat und der war direkt dabei – war voll sein Ding. Ich hab den damals kennen gelernt und der hatte solche Star Wars-Karten, so ein Quartett – halt mit Offence und Defense und so. Als ich ihm gesagt habe, dass mein Lieblings-Jedi Meister Yoda ist, meinte er direkt: Boah, meiner auch! Als das klar war, war’n wir halt direkt dicke, und dann lief das alles. Ich hatte die ganze Zeit einen guten Vibe mit ihm.
rap.de: Wieso hast du gerade diesen Song als Singleauskopplung gewählt?
Absztrakkt: Weil DJ s.R. der das gemastert hat zu mir meinte, er habe den Eindruck dieser Song sei am besten dafür geeignet, den Leuten einen Eindruck davon zu vermitteln, was der Bodhi nun eigentlich macht.
rap.de: Du spielst gerne mit Metaphern und Symbolen – gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Absztrakkt: Ich arbeite gerne mit Bildsprache, weil ich denke, das bietet den Leuten den meisten Raum, das zu fühlen und sich da hinein zu versetzen. Das mache ich ja nicht immer, manchmal formuliere ich auch einfach einen Klartext-Satz, aber bei so einer Thematik muss man sich was einfallen lassen, um es für den Zuhörer greifbar zu machen.
rap.de: Siehst du dich, was deine Message angeht, in einer Art Missionarsrolle?
Absztrakkt: (überlegt) Ja doch, schon. Ich mag es gerne zu wissen, dass ich Leuten eine Verbindung ermögliche, mit der sie in ihrem eigenen Leben positiv handeln können. Es geht auch gar nicht um gut und böse, diese Darstellung habe ich für das Album gewählt um es plakativ zu gestalten. Die echte Welt ist nicht schwarz/weiß. Aber um gewisse Dinge leichter verständlich zu machen teile ich das dann für mich selbst in schwarz/weiß auf.
rap.de: Wie siehst du das denn in der echten Welt? Wie positionierst du dich in der Aufteilung Gut versus Böse?
Absztrakkt: Gar nicht! Es gibt kein absolut Gutes oder Böses, alles hat seine Berechtigung und ist ständig im Fluss und verändert sich. Das, was du als gut empfindest, empfindet jemand anderes als schlecht. Und was du als gut empfindest, ist der Vergänglichkeit unterworfen und wird sich irgendwann wieder verändern. Vielleicht wird es noch besser oder noch schlechter – aber das sind alles nur Begrifflichkeiten. Das sind unsere Konzepte, wir greifen selber zu und machen die Dinge zu „gut“ und „böse“.
rap.de: Du bist bekanntlich Buddhist. Hast du die eben geschilderte Sichtweise dem Buddhismus entnommen oder hat sich das unabhängig davon entwickelt?
Absztrakkt: Das hat sich unabhängig davon entwickelt, aber als ich den Kontakt damit kam und verstanden habe, worum es im Dharma (buddhistisches Credo, amn. d. Verf.), also im Buddhismus geht, da war das sehr deckungsgleich. Deswegen fühle ich mich in dieser Methodik mit dem Geist umzugehen auch zuhause.
rap.de: Du hast vorher ein Paar mal in der dritten Person von dir gesprochen – siehst du Absztrakkt als Kunstfigur?
Absztrakkt: Auf jeden Fall. Derjenige der hinter Absztrakkt steht ist jemand anderes als Absztrakkt selbst. Absztrakkt ist eine Figur, die definitiv Attribute von Claudio (Absztrakkts bürgerlicher Vorname, anm. d. Verf.) aufweist. Man kann es so sagen: Absztrakkt ist das, was er sein will und Claudio ist das was er nun mal ist. Deswegen hat Absztrakkt so eine unheimlich große Qualität, das alles so breit und vielfältig zu machen. Er ist immer in Transformation.
rap.de: Hat Absztrakkt Schwächen?
Absztrakkt: (überlegt) Interessante Frage. Auf jeden Fall. (überlegt weiter) Obwohl, nein. Absztrakkt hat keine Schwächen – wenn ich näher drüber nachdenke, fällt mir keine ein, also komme ich zu dem logischen Schluss: Absztrakkt hat keine Schwächen.
rap.de: Inwiefern sind Absztrakkt und Claudio sonst nicht deckungsgleich?
Absztrakkt: Claudio geht in seinem normalen Leben anders mit Menschen um als Absztrakkt. Absztrakkt vermittelt seine Nachricht sehr kraftvoll, Claudio im normalen Leben eher mitfühlend. Ich glaube, das hat mit meiner Jugend zu tun. Damals habe ich festgestellt, dass die Leute einem nicht zuhören, wenn man normal mit ihnen redet. Die hören einem nur zu, wenn man mit dem Vorschlaghammer kommt. Deswegen kommt Absztrakkt mit dem mitfühlenden Vorschlaghammer. Das kann Claudio im normalen Leben aber nicht machen, weil Menschen sich davon abgestoßen fühlen, wenn jemand so ist und versucht, seine Nachricht zu vermitteln – die Leute machen dann zu. In der Musik ist das aber vollkommen legitim.
rap.de: Das lässt sich gut auf deine Raptechnik übertragen – du verzichtest gerne mal auf einen Reim um die Botschaft besser zu transportieren.
Absztrakkt: Genau, ich breche da aus. Ich will mich vom Beat nicht einknasten lassen. So lebe ich auch mein Leben – ich rappe so wie ich Lebe. Ich lasse mich nicht von Konzepten und Strukturen einbunkern. Ich versuche, immer offen im Geist zu sein.
rap.de: Wie stehst du zu Representer-Songs?
Absztrakkt: Wenn der Beat sich anbietet, dann bin ich da auch gerne mit dabei. Es muss nicht alles immer deep und durchdacht sein, es geht ja auch um Spaß an der Musik, also mach ich natürlich gerne mal einen Representer. Was ich in mir trage kommt in einem Representer genau so durch, wie wenn ich mir darüber Gedanken mache. Eine gewisse Essenz schwingt immer mit.
rap.de: Im Grunde ist ein Representer ja Angeberei mit den eigenen Skills. Widerspricht das nicht dem Grundgedanken von Absztrakkt?
Absztrakkt: Absztrakkt gibt ja nicht an, Absztrakkt zeigt etwas auf. Manchmal bedient er sich halt dem Mittel, auch auf spiritueller Ebene, einfach auf die Kacke zu hauen. Es gibt Leute, die erreicht man mit ruhigen, nachdenklichen Songs und es gibt Leute, die auch eine Verbindung zu dieser geistigen Ebene haben, die man aber eher mit anderen Songs erreicht, die mehr abgehen und nach vorne gehen. Dann gibt Absztrakkt vielleicht auch mal an, aber nicht um des Angebens willen, sondern weil er einen Hintergedanken hat.
rap.de: Vielen Dank für das Interview.
Absztrakkt: Gerne.